Am Sonntag, dem 11. Mai, also traditionell am zweiten Sonntag im Mai, feierten viele Deutsche den sogenannten Muttertag, an dem Mütter für ihr Muttersein geehrt werden sollen. Diesen Tag nehme ich zum Anlass, all die Mütter in Gaza und ganz Palästina zu würdigen und zu ehren, die in Zeiten von Völkermord, Vertreibung und Vernichtung versuchen, ihrer Aufgabe als Mutter gerecht zu werden.
Was sind das für Aufgaben, die Mütter ihren Kindern gegenüber erfüllen? Sie sorgen für das leibliche, seelische und geistige Wohl ihrer Kinder. Sie versuchen und setzen alles daran, sie gut auf das Leben vorzubereiten, damit sie, wenn sie ihr häusliches Nest verlassen, selbständig ihren Weg gehen können.
Da ist zunächst das leibliche Wohl des Kindes: Bereits in der Schwangerschaft achten die meisten Mütter darauf, sich gesund zu ernähren, um ihrem Baby die besten Voraussetzungen für eine gesunde körperliche Entwicklung zu bieten. Manchmal haben sie auch bestimmte Essgelüste, die unbedingt befriedigt werden müssen … Sie versuchen, mehr Obst und Gemüse zu essen, behandeln auch ihren Körper gut, damit er das beste denkbare Zuhause für ihr Baby ist, bevor es auf die Welt kommt.
Mütter in Gaza haben diese Möglichkeiten nicht. Sie haben nicht einmal genug Wasser, um ihren eigenen Durst zu stillen, geschweige denn, für den Flüssigkeitshaushalt ihrer Ungeborenen zu sorgen. Sie erhalten nicht einmal genügend Kalorien für den eigenen Bedarf, geschweige denn für das ungeborene Leben in ihnen. Obst und Gemüse? Fehlanzeige. Schwangerschaftsgelüste befriedigen? Fehlanzeige.
Keine Mutter in Gaza kann ihren Mann nachts zur nächsten Tankstelle schicken, um dort Süßigkeiten zu kaufen. Es gibt keine, weder Tankstellen noch Süßigkeiten.
Es ist schlimm genug für eine Mutter, zu wissen, dass sie nicht angemessen für ihr Ungeborenes sorgen kann. Dieses Ungeborene schweigt jedoch noch. Ist es dann auf die Welt gekommen, wird es vor Hunger und Durst schreien. Jede Mutter weiß, wie furchtbar es ist, das eigene Kind schreien zu hören, aus welchem Grund auch immer. Instinktiv und aus Liebe versucht jede Mutter, ihrem Kind zu geben, was es braucht, damit es nicht mehr weint und schreit. Was sollen Mütter in Gaza ihren Kindern geben? Das Schreien ist herzzerreißend, aber noch viel schlimmer ist es, wenn das Kind dann aufhört zu schreien, weil es keine Kraft mehr dazu hat. Weil es die Hoffnung aufgegeben hat, durch sein Weinen noch etwas bewirken zu können. Niemand, der nicht selbst Mutter ist, kann ermessen, was das mit einer Mutter macht — seinem Kind nicht helfen zu können. Von dem ultimativen Leid einer Mutter, ihr Kind zu verlieren, möchte ich gar nicht sprechen.
Kommen wir zur geistigen Versorgung der Kinder: Kinder sind neugierig, wollen die Welt erfahren, erfassen, kennenlernen und verstehen. Mütter begleiten und unterstützen sie dabei, lassen sie die Welt auf ihre eigene Art und Weise entdecken, helfen bei den Hausaufgaben, schmieren Pausenbrote, sehen nach, ob das Sportzeug verstaut und die Trinkflasche gefüllt ist. Sie sorgen dafür, dass es in die Schule geht.
In Gaza gibt es keine Schulen mehr, nur provisorische Lernorte, die oft nicht aufgesucht werden können, entweder weil sie zerbombt wurden oder weil den Kindern schlicht die Kraft für den Weg dorthin fehlt.
Oder weil sie sich auf Wasser- und Nahrungssuche machen müssen. Oder sich um kleinere Geschwister kümmern, weil Mama und Papa gerade nicht da sind. Und vielleicht auch nicht wiederkommen. Und wie sollen Kinder in Gaza eine gesunde Neugierde entwickeln, wenn sie auf den Straßen Spielzeug aufheben, das sich als Sprengstoff entpuppen könnte? Auf welches verheißungsvolle Morgen können sie sich denn freuen? Welche Anregungen für ihren wachsen wollenden Geist können sie erwarten? Sollen sie das Zählen anhand der Körperteile lernen, die sie von ihren zerfetzten Verwandten auf den Straßen sammeln? Das Lesen anhand der Flugblätter lernen, in denen steht, wohin sie als nächstes fliehen sollen und auch dort wieder angegriffen werden?
Was das seelische Wohl des Kindes betrifft, ist es die Aufgabe der Mutter, dem Kind Geborgenheit zu vermitteln, Schutz zu bieten und es von schädlichen Erfahrungen und Erlebnissen weitestmöglich fernzuhalten.
Wie sollen Mütter in Palästina dies bewerkstelligen? Es gibt dort keinen Schutz, keine Sicherheit. Zehntausende Kinder irren alleine durch die Stadt und für die 17.000 Kinder, die unbegleitet oder von ihren Familien getrennt worden sind, gibt es bereits ein Akronym: UASC, unaccompanied and separated children. Aber selbst wenn Kinder in der glücklichen Lage sein sollten, im Kreis ihrer Eltern und Geschwister zu leben sowie eine erweiterte Familie zu besitzen — wie sollen diese ihnen Sicherheit und Schutz bieten? Wenn sie schon mehrmals fliehen mussten, wenn jederzeit ein Familienmitglied im Krankenhaus durch einen Bombenangriff getötet werden, wenn die Familie von einem Augenblick auf den anderen ausgelöscht werden kann?
Für ein Kind im Kleinkind- und Vorschulalter ist es wichtig, dem Kind Vertrauen in die Welt zu vermitteln, damit es später allen Widernissen und Schicksalsschlägen mit Stärke, Mut und Selbstvertrauen begegnen kann.
Was können Mütter in Palästina ihren Kindern über die Welt erzählen? Wie um alles in der Welt sollen sie ihnen vermitteln, dass die Welt gut sei? Sie stehen im Gegenteil vor der unmöglichen und herzzerreißenden Aufgabe, ihren Kindern zu erklären, warum die Welt tatenlos dabei zusieht, wie sie vertrieben, ausgehungert, zerbombt und erschossen werden.
Wie um alles in der Welt sollen Kinder Vertrauen und Stärke aufbauen können, wenn sie sehen, wie Familienmitglieder vor ihren Augen bei einem Bombenangriff ausgelöscht werden? Wenn sie ihre Mütter als ohnmächtig erleben müssen? Und was macht genau das mit den Müttern? Sich als ohnmächtig zu erleben?
Niemand, der nicht selbst Mutter ist, kann ermessen, was das mit einer Mutter macht: seinem Kind keinen Schutz bieten zu können.
Es gibt keine Worte auf der ganzen Welt, mit denen ich ausdrücken könnte, wie sehr ich all diese Mütter bewundere, die trotz allem versuchen, ihre Kinder zu beschützen, ihnen Geborgenheit und Würde zu vermitteln, sie so gut es eben geht zu versorgen und für sie stark zu sein — auch dann, wenn in ihnen selbst bereits alles zerbrochen ist. Diese Frauen verdienen unser Mitgefühl und unsere allerhöchste Hochachtung, aber auch unsere Hilfe und Unterstützung.
Mögen die Mütter in Palästina und in allen anderen Kriegsgebieten leben!
Schluss mit dem Völkermord in Palästina!
Schluss mit den Waffenlieferungen für diesen Völkermord!
Die Mütter in Palästina und in allen anderen Kriegsgebieten mögen leben!

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