Ueli Keller: Wer bist Du und wie bist Du mit Permaria gestartet?
Maria Rösinger: Mein Name ist Maria Rösinger. Ich bin naturbegeistert, Selbstversorgerin, diplomierte Permakulturdesignerin und liebe Kreativität.
Bild: © Permaria
Permaria nahm ihren Ursprung 2018, als mein Mann und ich in Degersheim im schönen Schweizer Toggenburg ein baufälliges 150-jähriges Bauernhaus kauften. Wir bauten es größtenteils mit unseren eigenen Händen nach den Prinzipien der Permakultur um.
Unser ganzes Hab und Gut verfrachteten wir für vier bis fünf Jahre in den Stall. Während dieser Umbauzeit lebten wir mehrheitlich draußen. Die Erfahrung, praktisch nichts zu besitzen außer ein Bett, einen Tisch mit Stühlen und ein paar Kleidungsstücke, war das Eintrittsticket in eine wunderbare Freiheit. Dazu wehte uns Tag und Nacht der Wind um die Ohren und erzählte uns von einer neuen und ganz anderen Welt. Neugierig ließ ich mich immer weiter und tiefer auf das ein, was kommen wollte.
Was hast Du in Deinem Umfeld mit Deinem Projekt erlebt?
Anfangs war es noch schwieriger, mich gegen außen zu behaupten. Jedoch fühlte ich mich so angekommen auf diesem wundervollen Stück Land, dass ich gar nicht anders konnte, als zu mir selbst zu stehen. Ich wollte diesem Land und dem Wind einfach zuhören und es beleben mit stetig wachsender Diversität aus Bäumen, Sträuchern, Beeren, Pilzen, Gemüse, Stauden und Tieren.
Auf dem Steueramt musste ich beglaubigen lassen, dass ich keiner bezahlten Arbeit nachging. Und bei Familie und Freunden immer wieder Fragen beantworten wie: „Aber was tust du denn die ganze Zeit? Das ist doch keine Arbeit?“
Heute bin ich überzeugt: Mein Lebensinhalt ist definitiv keine Arbeit; Permaria mit ihrer Selbstversorgung und dem Begegnungs- und Lernort ist pure Freude und Erfüllung.
Magst Du bitte noch etwas konkreter werden, was Dein Projekt für Dich bedeutet?
Der Permaria Begegnungsort bedeutet für mich immer wieder ein neues Eintauchen in ein abwechslungsreiches Leben. Dieser Lernort bietet für Kinder und Erwachsene „Lernen“ der neuen Zeit. In ihm ist auch ein Lehrgang für Landwirte eingebettet: er ist Kursort, oder ein Online-Lernportal für Naturbegeisterte. Ebenso ist in diesem Begegnungsort ein Führungsangebot enthalten, welches einen Hofrundgang mit oder ohne anschließenden Gartenschmaus anbietet.
Permaria bietet mir viele abwechslungsreiche Bereiche, um nachhaltig permakulturell tätig zu sein. Diese Abwechslung ist es, welche ich ganz besonders liebe.
Bild: © Permaria
Ich verstehe Dich so, dass es Dir wichtig ist, Chancen kreativ zu nutzen und Herausforderungen, die im Wandel stecken, prospektiv und regenerativ zu meistern: Womit und wozu warst Du bisher in einem solchen Sinne mit anderen Menschen mit Permaria unterwegs?
Kurse und Führungen
Den Permaria Lern- und Begegnungsort begründete ich 2020. In Kursen gebe ich Interessierten einen Einblick in meinen Alltag der erfüllten und erfüllenden Selbstversorgung.
Der Aufbau des Bodens über den Lebensmittelanbau findet dort ebenso einen Platz, wie die Fülle des gelebten Bewusstseins im Einklang mit der Schnecke, dem Hermelin oder dem Mandelbaum. Die Kreisläufe auf dem Hof schliessen den Kreis zur philosophisch begründet gelebten Permakultur.
Diese praktische Permakultur geht – auch auf unserem Hof – weit über die Landwirtschaft und den Gartenbau hinaus und umfasst die Bereiche: „Wirtschaft und Finanzen“, „Technologien und Werkzeuge“, „Gesundheit und Spiritualität“, „Bildung und Kultur“, „Gebäude und Umwelt“ sowie „Gemeinschaft und Soziale Permakultur“.
Mit einer tiefberührenden Dankbarkeit und Demut darf ich auf dieser biodiversen Insel leben und sein – im Wissen, dass jedes Wesen, das mich hier besucht, mich stärkt auf meinem Weg.
Bild: © Permaria
Landwirtschaftsgestaltung
Bereits in Kindertagen liebte ich es, Bauernhöfe mit dem gesamten umliegenden Gelände zu zeichnen. Meine Bilder strahlten für mich immer eine Harmonie aus. Zu den von mir erstellten Planungen für die heutigen Bauernbetriebe hat sich da nicht viel verändert.
Auch heute spüre ich den tiefen Frieden, den ein fertiges Design für mich aussendet. Ich spüre, dass es wichtig ist – ähnlich einer Meditation – mich mit Mutter Erde und dem Schöpfer zu verbinden, während ich Land und Hof besichtige, aber auch während des Zeichnens selbst.
Oftmals erhalte ich auf diese Art viele Eingebungen und Intuitionen, die ich dann zu Papier bringe. Entwürfe, Grob- und Feinplanungen entstehen alle auf dem Papier. Das gefällt mir so, und es scheint wohl schon fast so etwas wie ein Markenzeichen der Permaria-Planungen zu sein.
Wenn ich mit Landwirten zusammen die ersten Umsetzungen direkt vornehmen darf, bin ich sehr dankbar. In „Permablitzen“ (2) pflanzen wir erste Bäume für Agroforstsysteme, tätigen schwere Erdbewegungen oder Ähnliches. Jedes Mal sind diese ersten Realisierungen tief berührend und durch das Erleben von großen freiwilligen Einsätzen von tiefer Demut für mich und natürlich auch für die beteiligten Landwirte geprägt.
Die Landwirtschaft hatte mich bereits früh tief verwurzelt. Ich wuchs in einem Paradies auf,, in dem Birnen, Pflaumen, Zwetschgen, Äpfel und jede Menge Beeren sowie diverse Gemüse an einem wunderbaren Sonnenhang gediehen und mit Passion verarbeitet und verspeist wurden. Ich verbrachte auch viel Zeit bei meinen Großeltern, die beide Bauern waren. Dort lernte ich das Melken, die Verarbeitung von Milchprodukten sowie den natürlichen Umgang mit den Tieren und der Erde.
Das Kreislaufdenken ist mir bei meinen Planungen ein großes Anliegen. Je mehr Elemente auf dem Hof integriert werden können, desto ausgeprägter oder eben geschlossener kann ein Kreislauf sein. Dies ermöglicht ein freies Arbeiten mit wenig oder sogar völlig ohne Zukauf von Materialien.
Bild: © Permaria
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für mich die Selbstregulation. Es ist mir wichtig, Technologie und Fortschritt einzubeziehen, damit wir uns zugunsten der Umwelt und uns Menschen in einer Niedrigenergie-Kultur bewegen. Wir dürfen die Geschenke annehmen, die für uns bereitstehen. Zuoberst stehen aber auch für mich die wichtigsten Grundprinzipien der Permakultur: Earth-care, insbesondere Humusaufbau und Bodenkunde, People-care und Fair-share (mehr dazu auf meiner Homepage zu Kurs- oder Lehrgangsinhalten).
Landwirtschaftsausbildung für Permakultur
Als immer mehr Menschen aus landwirtschaftlichen Betrieben zu meinen Permaria- Selbstversorgungskursen gefunden haben und die Nachfrage nach Permakultur in der Landwirtschaft immer größer wurde, wuchs in mir der Traum, eine Landwirtschaftsausbildung in der Permakultur anzubieten. So richtig Fahrt hat dieses Projekt aufgenommen, als ich im Frühsommer 2024 mit einer Freundin eines anderen Permakultur-Hofes zusammensaß.
Gemeinsam haben wir unsere Ideen entwickelt und überarbeitet sowie ganz viele Inhalte eingebracht, um nun im aktuellen Jahr 2025 den ersten Lehrgang für Permakultur in der Landwirtschaft anzubieten, der zudem noch als Grundausbildung PDC+ (3) dient. Wir sind bei der ersten und allen folgenden Anmeldungen tief berührt und so dankbar, genau jetzt diese Arbeit machen zu dürfen: es ist ein wunderbar erfüllendes Geschenk.
PermaRIA als Lern- und Begegnungsort
Ria bedeutet in Indonesisch „Freude“ und auf Spanisch „Lachen“. Permanente Freude oder auch nachhaltiges Lachen ist der Inbegriff des ganzheitlichen PermaRIA Lern- und Begegnungsortes, wo sich jüngere und ältere Menschen treffen, um permakulturell tätig zu sein.
Bild: © Permaria
Das Lernprojekt PermaRia ist eingebettet in unserem Venusblumenhof. Zum Lern- und Begegnungsort gehören ein großer Permakulturgarten, die hauseigene Werkstatt, ein Waldplatz, ein grosser Innenbereich mit Küche, ein Essbereich und ein Bereich zum Spielen und Verweilen.
Im vergangenen Jahr durfte ich zusammen mit 15 Kindern und einer Pensionärin viele wunderbare Stunden auf unserem Hof verbringen. In erster Linie geht es mir dabei um die Kinder und um ein freies Lernen.
Wir lernen alle zu jeder Zeit. Wir lernen voneinander. Wir lernen in der Gruppe. Wir lernen von der Natur und in unseren Beziehungen. Mir ist es wichtig, als Individuum wachsen zu können. Dabei brauche ich weder künstliche Lerninhalte noch von Bund oder Kanton vordefinierte Ziele.
Ich möchte den Familien mitgeben, dass wir wieder uns selbst vertrauen dürfen, unsere Intuitionen wahr-zu-nehmen und ihnen zu vertrauen.
Bild: © Permaria
Wenn wir in Verbundenheit sind, haben wir Zugang zu allem Wissen: sowohl zu gelebtem Wissen als auch zu einem Wissen, das es bisher auf der Erde noch nicht gab.
Was ich fördern möchte, ist diese Verbundenheit, die Liebe zu uns selbst und zur Natur; gemeinsame Erlebnisse und Abenteuer zu erfahren und immer und uns überall näher zu kommen und einander kennenzulernen. Dabei steht das Fühlen und Sein, wie wir sind, im Zentrum.
Auch für mich ist es ein Geschenk, wöchentlich Zeit in der PermaRIA zu verbringen, denn auch ich lerne so viel für mich und mein inneres Wachstum.
Unter welchen Bedingungen sowie mit welchen Erwartungen und Zielen bist Du vor kurzem mit dem Begegnungs- und Lernort PermaRia noch einmal neu gestartet?
Die Reise an diesen freien Lernort führte mich an Behörden und Bewilligungen vorbei. Mir war klar, solange ich deren Vorstellungen umsetze, könnte ich auch gleich wieder als Lehrperson arbeiten. Es war eine anstrengende Zeit, die mich stark ermüdete.
Doch nichtsdestotrotz hatte ich in meinem Leben gelernt zu mir zu stehen und meine Interessen zu vertreten. Ich kommunizierte klar und es kam, wie es kommen musste: der Lernort fiel (kurzzeitig) auseinander. Eingebungen signalisierten mir jetzt, Kraft zu tanken, vollständig loszulassen und dies als Gewinn ansehen zu dürfen. Und so war es auch. Denn bald schon konnte die Reise weitergehen.
Gut drei Monate später erhielt ich eine Anfrage von einer Mutter, den Lernort wieder zu eröffnen. Diesmal wusste ich von Anfang an, es war der Neustart für meinen Lernort – ohne Behörden, ohne Bewilligung, ein freier Lernort ohne Lehrplan oder Ähnliches und trotzdem vollkommen legal. Das war es, was ich mir immer wünschte. In weniger als einer Woche standen zehn Schnupperkinder mit ihren Eltern da. Es war wie ein Zauber.
Bild: © Permaria
Eine weitere Woche später starteten wir die PermaRia an einem Dienstagmorgen bei strahlend blauem Himmel und Herbst-Sonnenschein.
Magst Du uns bitte noch mitteilen, was Dir im Hinblick auf die Zukunft Deines Projekts speziell wichtig ist?
Ich bin überzeugt, dass es nicht wichtig ist, eine pädagogische Ausbildung zu haben, wenn wir gemeinschaftlich und naturverbunden an einem Lern- und Begegnungsort tätig sind. Vielleicht habe ich deshalb vor mehr als fünf Jahren alle meine Zeugnisse weggeworfen.
Ich fühle, dass es wichtig ist, junge und ältere Menschen in ihrem Sein und Wesen wahr-zu-nehmen und mit ihnen ein Stück des wahren Lebens zu gehen: in Verbundenheit, Liebe und Dankbarkeit. Denn dann geht alles andere von selbst.
Von ganzem Herzen wünsche ich mir, dass wir alle Menschen wieder in dieser Verbundenheit und der Erfüllung leben.
Mein wichtigstes Werkzeug ist mein Herz. Permakultur bedeutet so zu leben, wie es sich mit dem Herzen richtig gut anfühlt – dieses gesamte „Hand- und Herzwerk“ haben wir alle bei und in uns. Wir dürfen damit wieder den Weg zu unserer eigenen Urquelle gehen.
Vielen Dank, Maria, für alles, was Du für eine andere Welt tust, und für Deinen inspirierenden Bericht. Besonders beeindruckt mich, wie Du Persönliches mit dem großen Ganzen verbindest. Möge Dein Beitrag den Menschen, die dieses Interview lesen, Hoffnung schenken und Zuversicht wecken...

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Quellen und Anmerkungen:
(1) Permakultur ist gemäss Wikipedia „die Gestaltung von Landnutzungssystemen, die nachhaltig und unbedenklich sind. Ein Design-System, das durch eine integrierte Anwendung ökologischer Prinzipien in der Landnutzung charakterisiert ist. Die Gestaltung kulturell angemessener Systeme, welche zu sozialer Stabilität führen.“
(2) Permablitz: Anlässe für gemeinschaftliches Umsetzen von Permakulturarbeiten, belohnt mit einer feinen Mahlzeit und einem unvergesslichen Erlebnis
(3) PDC: Permaculture Design Course ist weltweit ein geführter 72-Stunden-Kurs nach den Inhalten gemäss Bill Mollison und David Holmgren, die „Begründer“ der Permakultur.
Link zu mehr Bildern und Infos betreffend Permaria: www.permaria.ch