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Ukraine und Tiefer Staat

Ukraine und Tiefer Staat

Die NATO versucht, Russland militärisch und wirtschaftlich zu schwächen. Einer der Täter — Deutschland — könnte schon bald zum Opfer dieser destruktiven Politik werden.

Auf1: Sie haben umfangreiche Recherchen durchgeführt: Worum geht es beim Russland-Ukraine-Konflikt wirklich?

Patrik Baab: Am wenigsten geht es in diesem Krieg um die Ukraine. Wie der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador richtig gesagt hat, verfolgt der sogenannte Kollektive Westen die Strategie: „Wir liefern die Waffen, ihr liefert die Leichen.“ Das ist zynisch.

Es handelt sich um einen Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland. Moskau hat mit dem Einmarsch in die Ukraine einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen und den Bürgerkrieg im Donbass, der 2014 auf den Putsch in Kiew folgte, internationalisiert. Aber die NATO trägt eine Mitverantwortung. Dies belegen die Ausführungen von NATO-Generalsekretär Stoltenberg am 7. September 2023 vor dem Europäischen Parlament. Stoltenberg erklärte, dass ihm Putin im Herbst 2021, also wenige Monate vor Kriegsbeginn, einen Deal vorgeschlagen habe: Wenn die NATO auf eine Aufnahme der Ukraine verzichte, dann verzichte er, Putin, auf einen Einmarsch. Darauf habe man sich, so Stoltenberg, nicht eingelassen.

Dies zeigt: Der Krieg wäre leicht zu verhindern gewesen, durch einen Kompromiss zwischen NATO und Russland. Zweitens zeigt dies, dass es sich nicht um einen „unprovozierten“ Angriffskrieg handelt. Die NATO hat ihn herbeiprovoziert. Drittens zeigt dies, worum es wirklich geht: um die Osterweiterung der NATO unter Einschluss der Ukraine, die Moskau als Bedrohung erlebt. Das verweist auf das Ziel der NATO, der EU und der USA, Russland nachhaltig durch Krieg und Sanktionen zu schwächen.

Dass die Ukraine in diesem Krieg nicht selbstständig handelt, sondern an der Leine der USA geführt wird, zeigen auch die Friedensgespräche in Istanbul im März 2022. Ein bereits parafiertes Abkommen wurde vom Westen boykottiert. Es sah einen Abzug der russischen Truppen hinter die Linien vor Kriegsbeginn vor. Umgekehrt sagte die Ukraine Neutralität zu.

Boris Johnson hat unter anderem mit einem Besuch in Kiew Anfang April in Absprache mit Washington die Ukraine mit wirtschaftlicher und militärischer Erpressung gezwungen, diese Verhandlungen zu beenden.

Für diesen Vorgang gibt es zahlreiche voneinander unabhängige Quellen, von denen fünf am Verhandlungsprozess beteiligt waren, darunter der israelische Ministerpräsident Naftali Bennet, der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, Altbundeskanzler Gerhard Schröder, die Leiter der ukrainischen und russischen Verhandlungsdelegationen, außerdem die leitende Mitarbeiterin der Brookings Institution, langjährige Angehörige des National Security Council der USA und Beraterin dreier US-Präsidenten Fiona Hill.

Das Wall Street Journal hat inzwischen übrigens den Text des Verhandlungsergebnisses veröffentlicht.

Dieser Vorgang zeigt: Der Westen glaubte, Russland durch eine Fortsetzung des Krieges nachhaltig schwächen zu können. Denn darum geht es im Kern: Die NATO hat, geführt von den USA, das Ziel, Russland militärisch und wirtschaftlich zu schwächen und politisch zu destabilisieren.

Es geht darum, Russland militärisch einzukreisen und einen Regimewechsel in Moskau zu erzwingen, um sich die Bodenschätze Russlands zu günstigen Bedingungen anzueignen und sich dann dem Hauptkonkurrenten China zuzuwenden.

Diese Strategie ist misslungen. Die Ukraine hat den Krieg verloren. Der Westen hat keines seiner Kriegsziele erreicht. Die Sanktionen erweisen sich als Boomerang. Europa befindet sich im wirtschaftlichen Niedergang, die russische Wirtschaft wächst. Die Ukraine kann die Front kaum noch halten, die russischen Truppen erhöhen derzeit den Druck und gehen weiter vor.

Die NATO-Länder müssen nun entscheiden, ob sie mit eigenen Truppen intervenieren und damit die Menschen in ihren Ländern in Geiselhaft nehmen für eine nukleare Auseinandersetzung, die mit der völligen Zerstörung von Mitteleuropa enden kann.

Weiter wollen wir uns heute über den sogenannten Tiefen Staat unterhalten. Was ist unter dem Begriff zu verstehen und welche Personengruppen gehören zum Tiefen Staat?

Der Tiefe Staat, das ist jedenfalls nicht, wenn sich ein paar Vermummte nachts um drei in der Tiefgarage treffen. Der Tiefe Staat ist keine Verschwörung, und seine Analyse ist keine Verschwörungstheorie. Es handelt sich dabei um jene Bereiche des Staates, des Militärs, der Geheimdienste und der Finanzoligarchie, die demokratisch nicht kontrolliert werden und deshalb ein Eigenleben abseits öffentlicher Kontrolle entwickeln.

Dabei stütze ich mich auf neuere US-amerikanische Forschungsergebnisse wie das Buch von Mike Lofgren „The Deep State“, welches nun bald in deutscher Übersetzung im Klarsicht-Verlag vorliegen wird.

Danach ist der Tiefe Staat ein Prozess. Er erwächst aus dem Zerfall, der Sklerose und der Involution demokratischer Institutionen. Nach außen hin bleiben diese Institutionen weiter funktionstüchtig, aber einer Machtelite gelingt es, sich demokratischer Kontrolle zu entziehen, die Institutionen zu usurpieren und nach ihren eigenen Interessen wirken zu lassen.

In der Bankenkrise wurden die Banken gerettet, nicht die Bürger. Dies zeigt: Es ist in den westlichen Industriestaaten niemals gelungen, die Wirtschaft zu demokratisieren. Die private Aneignung von Mehrwert führt in eine Ungleichverteilung von Geld und politischer Macht.

Deshalb ist der Tiefe Staat Teil dieser staatlichen Institutionen und der unternehmerischen Wirtschaft, und seine Akteure handeln nicht nachts in der Tiefgarage, sondern eingebettet in den Alltag. Zum Tiefen Staat zähle ich das nichtöffentliche Zusammenwirken von Geheimdiensten, Militär, Sicherheitsapparat, Justiz, Wirtschaftselite und organisiertem Verbrechen, zum Beispiel Waffenschmuggel.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Angehörigen des Tiefen Staats und den Repräsentanten der Demokratie?

Da haben wir ja nun durch das abgehörte Telefonat hoher deutscher Luftwaffenoffiziere ein Beispiel gesehen. Diese Offiziere besprachen in einer Online-Schaltkonferenz den möglichen Einsatz deutscher Taurus-Marschflugkörper gegen die Brücke von Kertsch. Damit machen sie sich ein ukrainisches Kriegsziel zu eigen und werden so zur Kriegspartei. Dies ist das typische Handeln des Tiefen Staates: Die Beteiligten denken in der Funktionslogik ihrer Subsysteme, wollen eigentlich nur eine optimale Entscheidungsvorlage für den Minister erarbeiten. Dabei verlassen sie den Boden des Grundgesetzes. Denn sie machen sich in meinen Augen der verfassungswidrigen Vorbereitung eines Angriffskrieges schuldig. Ich bin überzeugt, dass deshalb diese Offiziere, aber auch die politisch Verantwortlichen, strafrechtlich belangt werden müssen. Denn das Gesetz sagt:

„Wer einen Angriffskrieg vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.“

Dies wird natürlich nicht geschehen. Genau dies zeigt wiederum die Einbindung der Justiz in den Tiefen Staat. Sie handelt voraussichtlich nicht nach Recht und Gesetz, sondern ist selbst bereits kompromittiert.

Diese Aktivitäten, die die deutsche Bevölkerung der Gefahr eines nuklearen Gegenschlages der Russischen Föderation aussetzen, wurden im Verborgenen angestrengt. Dummerweise flogen sie auf.

Dies zeigt: Das Zusammenwirken zwischen Tiefem Staat und den Repräsentanten der Demokratie funktioniert hervorragend. Denn die zuständigen Repräsentanten der parlamentarischen Demokratie, der Parlamente, befinden sich in einer Doppelrolle: Als gewählte Abgeordnete ist es ihre Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren. Aber durch den Fraktionszwang sind sie eingebunden in die Fraktionsdisziplin und werden so zum Transmissionsriemen der Regierung. Darüber hinaus sind sie beispielsweise als Angehörige der Parlamentarischen Kontrollkommission, welche die Geheimdienste kontrollieren soll, selbst Geheimnisträger, sie sind zum Stillschweigen verpflichtet.

Ähnlich läuft das Zusammenwirken im wirtschaftlichen Bereich. Als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 die in Schieflage geratenen Banken über Nacht gerettet werden mussten, da hat die Anwaltskanzlei Freshfields das Gesetzeskonzept geschrieben. Dieses wurde dann in kürzester Zeit vom Bundestag verabschiedet. Eine parlamentarische Kontrolle konnte so nicht stattfinden, für die Banken nützliche Bestimmungen wurden durchgewunken. Man hätte auch, wie in Island, die Banken in den Konkurs schicken können und ihre Manager ins Kittchen.

Man muss einfach sehen, wie da Entscheidungen herbeigeführt werden. Die Akteure des Tiefen Staates wohnen in denselben Vierteln, essen in denselben Restaurants, gehören denselben Golfclubs oder Segelclubs oder Wohltätigkeitsgesellschaften an. Dort werden die Vorabsprachen getroffen. Abseits der Öffentlichkeit, bei einem Glas Wein.

Dann gibt man das am nächsten Morgen auf den Dienstweg.

Die große Politik wird eben tatsächlich so gemacht, wie Klein Otto sich das vorstellt.

Wie gelingt es dem Tiefen Staat, von den Bürgern nicht wahrgenommen zu werden, obwohl sie von seinen Handlungen ja direkt betroffen sind?

Durch die vollständige Kompromittierung der demokratischen Kontrolle. Dazu gehört die Gleichschaltung der Parlamente, wie wir sie in der Großen Koalition der Kriegstreiber im Deutschen Bundestag gerade erleben. Dazu gehört auch die Unterwerfung der Medien unter die Propaganda der NATO und der Staaten; die gefährlichsten Kriegstreiber verstecken sich doch hinter Redaktionstischen.

Außerdem kann man heute davon sprechen, dass die meisten führenden Politiker in Europa transatlantischen Organisationen verbunden sind. Frau Baerbock zum Beispiel den Young Global Leaders. So ist es gelungen, die Politik buchstäblich US-Interessen zu unterwerfen. Gewählte Repräsentanten des Volkes vertreten gar nicht mehr die Interessen ihrer Wähler, sondern stehen wie eine Besatzungsmacht im eigenen Land und zwingen den Menschen einen Krieg auf, den sie gar nicht haben wollen. Baerbock: „Wir werden die Ukraine unterstützen, egal, was die zu Hause sagen.“ Medien und Politik spielen hier Pingpong gegen die Interessen der Menschen.

Dabei wirken die ideologischen Apparate des Staates, also jene Apparate, die der geistigen Reproduktion des Kapitals in der Marktwirtschaft dienen, zusammen wie kommunizierende Röhren. Wenn Schulen, Universitäten, Kirchen, Medien, Nichtregierungsorganisationen nicht in einem gemeinsamen Richtungssinn arbeiten würden — gegen Russland, pro NATO und für Waffenlieferungen —, dann wäre es nicht möglich, die Menschen in einen Krieg zu treiben, an dem sie allein schon wegen der davon ausgehenden Gefahren kein Interesse haben können.

Damit sie dennoch bei der Stange bleiben, werden Ressentiments mobilisiert. Das funktioniert durch die Digitalisierung besonders gut, weil durch die Reizüberflutung die Aufmerksamkeitsspannen absinken. Wer auf dem Smartphone in der U-Bahn die Nachrichten liest, hat bei dem Geschaukel gar keine Zeit und keinen Nerv für Hintergrund, Erklärung und Zusammenhang.

In allen vom Neoliberalismus umgepflügten Gesellschaften herrscht eine ungeheure Wut — eine Wut auf die Leistungsverdichtung, die Privatisierungen, die Sozialkürzungen, die Sparmaßnahmen, die schlechten Arbeitsverträge. Das wissen die Machteliten auch. Deshalb versuchen sie, diese Wut auf Ersatzziele umzulenken, eine Aggressionsverschiebung zu erreichen.

So mobilisieren sie gegen Flüchtlinge, Ausländer, Obdachlose, vor allem aber gegen die bösen Russen. Durch die Mobilisierung von Ressentiments hetzen sie die Menschen auf und machen sie ihren Zielen gefügig. Denn der Hass vernebelt den Verstand. So gelingt es dem Tiefen Staat, die Bürger von dem zentralen Krieg abzulenken. Es ist der „oben gegen unten“, der Krieg zwischen Arm und Reich.

Gibt es auch internationale Vernetzungen des sogenannten Tiefen Staates?

Ja. Da muss man nicht weit schauen. Zu den Aktivitäten des Tiefen Staates gehören zum Beispiel jene Versuche von Frau von der Leyen als nicht gewählter Kommissionspräsidentin, die EU in ein Kriegsbündnis, in eine Unterabteilung der NATO umzubauen.

Dazu gehören ihre E-Mails an Pharmahersteller, um mit der Produktion von Corona-Impfstoffen vorbei an demokratischen Entscheidungen Milliarden an Steuergeldern an Konzerne durchzuleiten.

Dazu zähle ich die Maßnahmenpläne der Weltgesundheitsorganisation (WHO), im Pandemiefall die Demokratie auf dem Verordnungswege abzuschalten.

Dazu gehört die Beeinflussung der Politik durch US-amerikanische Stiftungen wie die Renaissance Foundation von George Soros oder das Omidyar Network von eBay-Gründer Pierre Omydiar, die Bill and Melinda Gates Foundation, aber auch sogenannte Nichtregierungsorganisationen, die von Regierungen gesponsort werden, wie USAID oder German Marshall Fund.

Wir könnten hier auch sprechen über die Sarah-Scaife-Foundation in Pittsburgh und viele andere Organisationen, die eigens dafür gegründet worden sind, politische Entscheidungen im Sinne des Finanzkapitals zu beeinflussen und dafür geeignete Nachwuchskräfte zu fördern.

Dazu gehören auch Organisationen wie Fake Observers in der EU, die staatlich gesponsort werden und deren Funktion es ist, eine Pranger-Funktion auszuüben, um Abweichler vom Regierungskurs zu diskreditieren. Hier spielen, auch was das Zusammenwirken mit Geheimdiensten betrifft, die Grünen als Besserwisser-, Rechthaber- und transatlantische Satrapenpartei eine besonders hässliche Rolle.

Kann der Tiefe Staat überhaupt überwunden werden und wenn ja, wie wäre das möglich?

Ein alter Spruch sagt: Wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur wach. Auf der Fahrt mit dem Schlafwagen in eine neue Diktatur sind wir in Deutschland zumindest schon weit vorangekommen. Der Tiefe Staat kann jedenfalls dann nicht überwunden werden, wenn die Bevölkerung politisch sediert ist, nur noch privatisiert, sich um die öffentlichen Angelegenheiten nicht kümmert.

Alle Überlegungen zur Herausbildung von Demokratien richten sich auf die Einhegung von politischer und wirtschaftlicher Macht. Dies ist den jahrhundertelangen Erfahrungen der Menschheit mit exzessivem Missbrauch unbeschränkter Macht geschuldet. Millionen Menschen haben ihr Leben gegeben, um diesem Missbrauch von Macht Einhalt zu gebieten.

Heute stehen wir wieder an der Schwelle zu einer postdemokratischen Herrschaftsform, einem neuen Extremismus der bürgerlichen Mitte, getragen vor allem von grünen Besserwissern, die sich doch nur an die Fleischtöpfe klammern.

Wir sollten das nicht ohne Not preisgeben, wofür unsere Vorfahren ihr Leben eingesetzt haben. Dies erfordert heute zunächst, den Protest gegen die Kriegstreiber auf die Straße zu tragen, um ihnen Einhalt zu gebieten. Denn wie Willy Brandt einmal gesagt hat: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.

Wer sich heute zu schade ist, sich gegen die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine einzusetzen, schaut nicht nur zu beim Abschlachten. Er könnte auch morgen selbst an der Front verbluten oder in einem atomaren Feuerball verglühen, während die Kriegstreiber im Flugzeug nach Washington sitzen.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst als Interview bei Auf1. Wir danken für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.


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