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Unter der Glaskuppel

Unter der Glaskuppel

Die Democracy-App zeigt, dass die Abstimmungsergebnisse im Bundestag nur selten den Wählerwillen widerspiegeln — diesmal bei den Themen Maskenpflicht, Chatkontrolle und Steuervorteile. Teil 1.

Der Bundestag dürfte wohl das letzte Parlament in Europa sein, welches dieses leidige Thema noch zum Abstimmungsgegenstand hat: die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske. Am 19. Januar 2023 wurde über den Antrag der AfD abgestimmt, die Tragepflicht im öffentlichen Personenfernverkehr endgültig aufzuheben. Der Vergleich der Abstimmungsergebnisse zwischen Bundestag und Community ergibt eine nahezu symmetrische Spiegelverkehrtheit. Im Bundestag stimmten 89 Prozent dagegen, in der App stimmten bei einer Wahlbeteiligung von 843 Personen wiederum 89 Prozent dafür. Lediglich zwei Prozent enthielten sich.

Das mutet insbesondere vor dem Hintergrund grotesk an, da selbst der höchste Amtsträger im Lande die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht ganz so genau nimmt. Und das zu einem Zeitpunkt, ab dem noch Wochen und Monate später Fahrgäste aus den Zügen verwiesen wurden, weil sie beim Nippen am Kaffeebecher die Maske — logischerweise — absetzten.

Chatkontrolle

Das Europäische Parlament und der Rat planen unter dem Vorwand der Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern EU-weit unter anderem eine Form der sogenannten Chatkontrolle zu etablieren. In einem Antrag insistiert die Partei DIE LINKE darauf, diesem Ziel mit geeigneten Mitteln — etwa durch eine vermehrte Löschung der entsprechenden Videomaterialien im Rahmen der geltenden Gesetze — zu begegnen, anstatt sämtliche EU-Bürger einem Pauschalverdacht auszusetzen. So schreiben die Antragssteller:

„Die vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere die sogenannte Chatkontrolle, sind sowohl ineffektiv als auch geradezu schädlich für das angestrebte Ziel. Denn Minderjährige würden durch den Verordnungsentwurf sogar einem höheren Risiko als bisher ausgesetzt. Sowohl bei der automatisierten Erkennung von bisher unbekannten Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern als auch bei der Erkennung sogenannter Anbahnungsversuche („Grooming“) rechnen Expert:innen mit hohen Fehlerraten (mehr als 10 Prozent), was nicht nur dazu führen würde, dass in zehntausenden Fällen Unschuldige einem unerträglichen Verdacht ausgesetzt würden, sondern vor allem dazu, dass legitime, aber sensible private Kommunikationsinhalte von Minderjährigen in Text- und Bildform (wie im Familienchat geteilte Fotos vom Strandurlaub) bei Polizeidienststellen landen und dass damit die Privatsphäre Minderjähriger unzulässig verletzt wird und Möglichkeiten, diese Inhalte zu missbrauchen, durch ihre Offenlegung gegenüber Dritten erst entstehen.

Außerdem würde die zu erwartende sehr hohe Anzahl falschpositiver Befunde dazu führen, dass Polizeikräfte weniger Zeit zur Verfügung hätten, tatsächlich Fälle zu verfolgen, was eine Verschlechterung der aktuellen Situation bedeuten würde. Der Verordnungsentwurf behinderte so das Ziel des verbesserten Kinderschutzes, anstatt es zu erreichen. Deshalb kritisierte sowohl der Deutsche Kinderverein als auch unter anderem Joachim Türk vom Deutschen Kinderschutzbund den Verordnungsentwurf als ‚unverhältnismäßig‘ und ‚nicht zielführend‘.“

Mit dem Antrag sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, sich gegen diese EU-Verordnung einzusetzen. DIE LINKE stimmte allein für diesen Antrag und kam damit auf 5 Prozent, während die restlichen Parteien mit insgesamt 95 Prozent dagegen stimmten. In der Democracy-Community stimmten insgesamt 1.432 Nutzer ab, von denen 69 Prozent dafür und 24 Prozent dagegen stimmten — 7 Prozent enthielten sich. Abermals ein deutlich spiegelverkehrtes Abstimmungsverhältnis.

Abschaffung von Steuervorteilen für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten

Das Akronym für „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ lautet ÖRR. Das „RR“ könnte dabei genauso gut für „rollender Rubel“ stehen, wie wir spätestens seit dem Skandal um die MDR-Intendantin Patricia Schlesinger wissen. Diese „gönnte“ sich auf Kosten der Beitragszahler unter anderem einen Audi A8 mit Vollausstattung inklusive Massagesitzen für schlappe 145.000 Euro. Das entspricht den jährlichen (!) GEZ-Zahlungen von 658 Haushalten.

Da ist es doch mehr als legitim, dieser Geldverschwendung in den Öffentlich-Rechtlichen zumindest auf Ebene der Steuervorteile Einhalt gebieten zu wollen. So beantragte die AfD, die ungerechtfertigten Steuervorteile für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten abzuschaffen. Die AfD stimmte geschlossen für ihren Antrag und kam so erneut auf 11 Prozent, während die restlichen Parteien mit 89 Prozent dagegen stimmten. Wieder sehr spiegelverkehrt fiel das Ergebnis der Community aus: 2.548 Nutzer stimmten ab, davon 87 Prozent für den Antrag und 11 Prozent dagegen. Hätten sich nicht 2 Prozent enthalten, wäre das Ergebnis womöglich exakt spiegelverkehrt ausgefallen.

Dass alle Parteien abseits der populistischen Blitzableiter-Partei gegen diesen Beschluss stimmten, ist naheliegend. Denn es befinden sich sowohl im ARD-Programmbeirat als auch im Fernsehrat des ZDFs sowie im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks amtierende Minister und Mitglieder des Bundestages von CDU/CSU, SPD, Die Grünen und FDP, wobei jedoch bei letztgenannter Rundfunkanstalt mit Uli Henkel auch ein AfD-Abgeordneter vertreten ist.

Fazit

Dass das Regierungsviertel kaum noch Berührungspunkte mit den Menschen im Land hat, ist hinlänglich bekannt. Wie enorm diese Diskrepanz grafisch ausfällt, kann kritische Beobachter des Zeitgeschehens dann doch erstaunen. Selbst wenn die Community von Democracy nur einen Indikator für den Wählerwillen in Deutschland darstellt — die Tendenz ist schließlich durch die ähnlichen Abstimmungsergebnisse in den unterschiedlichen Landkreisen erkennbar. Ein regelmäßiger, vergleichender Blick ist daher lohnenswert.


DEMOCRACY – Ein Erklärfilm


Quellen und Anmerkungen:

Dieser Beitrag wurde mithilfe von DEMOCRACY erstellt. DEMOCRACY ist eine vom gleichnamigen und gemeinnützigen Trägerverein DEMOCRACY Deutschland e. V. zur Verfügung gestellte, kostenlose und vollständig durch Spenden finanzierte Open-Source-App, mit der ihre Nutzer selbst über die Anträge und Gesetze des Deutschen Bundestages abstimmen sowie ihre Entscheidungen interaktiv mit der Community und den offiziellen Resultaten des Bundestages vergleichen können. Um den Service aufrechterhalten zu können, ist der Verein auf Spenden angewiesen.


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