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Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Durch den Einfluss der Propaganda sagen viele Begriffe heute das Gegenteil dessen aus, was ursprünglich gemeint war.

Zeiten des galoppierenden totalitären Irrsinns erkennt man (auch) daran, dass die Propaganda der Herrschenden ungeheuer bemüht ist, alles, was es an gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Phänomenen gibt, in sein Gegenteil umzudefinieren und die von den Untertanen verlangte entsprechende Haltung rücksichts- und bedingungslos in jede noch so kleine Nische des Daseins hineinzudrücken. Das wirkt so ähnlich wie wenn beim Nachbarn im oberen Stockwerk im Klo ein Rohr platzt und das Stinkwasser aus der Deckenlampe strömt: Es verteilt sich unweigerlich überall hin; noch in die kleinste Ritze zwischen den Bodendielen sickert der Sud und bleibt nach der Trocknung dort bappen.

Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem flüssigen Dreckstunk und der Umerziehungsbrühe missionarischer Sekten, die infolge eines historischen Ausrutschers oder einer zwangsläufigen Entwicklung an das gelangt sind, was man „die Macht“ nennt, um zu verschleiern, dass die befehlshaberischen Funktionäre auch nichts anderes sind als Befehlsempfänger der wahrhaft Mächtigen, die traditionell in den Chefetagen des Großkapitals tagen und streng genommen ebenfalls austauschbare Rädchen eines anonymen Mechanismus sind, den man volkstümlich „BlackRock“ und ähnlich nennt.

Schweifen wir nicht ab: Der Unterschied besteht darin, dass das fehlgeleitete Abwasser des Nachbarn zwar in die Wohnung des Menschen tröpfelt, nicht aber in den Menschen selbst. Das tut hingegen das totalitäre Gedankengut oder vielmehr die Denkvorschrift, die dazu führt, dass wir alles, was wir kennen, als sein Gegenteil bezeichnen und dann notgedrungen auch wahrnehmen.

Ein typisches Beispiel dafür sind all die wirrköpfigen Pseudowissenschaftler von Pia Lamberty und Michael Butter bis hin zu parastaatlichen „Institutionen“ wie CEMAS und LibMod, die frei erfundene Pseudofachbereiche besetzen, irrste Theorien über Verschwörungen von „Verschwörungstheoretikern“ — oder neuerdings: „Verschwörern“ — zusammenhäkeln und diesen Stuss über sämtliche Kanäle der öffentlichen Beschallung und Belehrung verbreiten. Köchelt man den bis zur Unlesbarkeit verschwurbelten Bullshit, der einem aus den „Werken“ dieser Meisterschwurbler entgegenschwappt, zur Essenz zusammen, so kommt immer das Gleiche heraus: Anerkannte und hochanständige Wissenschaftler werden als „Schwurbler“ und „Pseudowissenschaftler“ entlarvt, die Begriffe also um hundertachtzig Grad gedreht, und am Ende ist immer der aktuelle Hauptfeind schuld, derzeit also Putin und die Klimaleugner.

Dabei wird die Kritik an einer verfassungsfeindlichen Regierungsmannschaft zur „Delegitimierung des Staates“, die Regierung also zum Staat, und umgekehrt. Aus dem Verfassungsschutz, dessen genuine Aufgabe es ist, die Verfassung und die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor böswilligen Umtrieben eben solcher Regierungsleute zu schützen — weil man im Nazireich gelernt hat, was dabei herauskommen und wo man dabei hineingeraten kann —, aus diesem Verfassungsschutz wird eine Art Geheime Staatspolizei, die ausschließlich dazu da ist, die Regierenden vor der Verfassung und deren Verfechtern zu schützen.

Die in der Verfassung garantierten Grundrechte werden in ihr Gegenteil verkehrt, zu Pflichten umdefiniert und notfalls ganz abgeschafft, aber weiterhin in flammenden Worten beschworen. Die Polizei, angeblich Freund und Helfer des mündigen Bürgers, entpuppt sich als Hilfsarmee im Krieg der Regierenden gegen die aufmüpfigen Untertanen. Gesundheit wird von der Empfindung allgemeinen Wohlbefindens zum prekären, lediglich nicht hinreichend getesteten Schwebezustand, der nur durch beständige Zufuhr experimenteller pharmazeutischer Präparate vor dem Kippen ins Grauen bewahrt werden kann.

Angriffs- und Sanktionskriege gegen die halbe Welt nennt man „Verteidigung“, „Bildung“ bedeutet den paramilitärischen Drill auf Verwendbarkeit in der Profitindustrie unter strikter Vermeidung jeglicher echter Geistes- und Gefühlsbildung, der Raub gemeinschaftlicher Güter heißt „Privatisierung“, und selbstverständliche Bereiche der Daseinsfürsorge mutieren zum dysfunktionalen „Service“.

Man findet bei genauer Betrachtung so gut wie überhaupt keinen Begriff mehr, der nicht sein exaktes Gegenteil bedeuten soll, bis hin zum scheinbar harmlosen „Fußballspiel“, hinter dem sich menschenverachtende Schaukämpfe profitgeiler Milliardenmafias verstecken. Oder nehmen wir die „Demokratie“ selbst, die uns heute als eine Art von bewaffneter Trutzburg verkauft werden soll, als nachgeborener eineiiger Zwilling des nationalsozialistischen „Volkskörpers“, der mit allen Mitteln — auch „undemokratischen“, wie unlängst eine WDR-Mitarbeiterin in selbstentlarvend überschäumendem Fanatismus schrieb — gegen ungreifbare „Feinde“ verteidigt werden muss, mittels deren Bloßstellung, Beschimpfung, Diskriminierung, Austreibung und letztlich Vernichtung.

Krieg ist Frieden, Frieden ist Krieg, Angriff Verteidigung und Verteidigung („unprovozierter, brutaler“) Angriff. Die NATO etwa, die Phalanx der Vasallen, mit der die USA den Globus mit Kriegen überziehen, nennt sich ein „Verteidigungsbündnis“. Verteidigung braucht aber immer einen Feind, der gewillt ist, anzugreifen, und den gab es nie, nicht erst seit Auflösung des Warschauer Pakts.

Schon bei der Gründung der NATO gab es weltweit und möglicherweise auch in den Tiefen des Universums niemanden, der es gewagt hätte, die USA anzugreifen, weshalb die im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen zerbombte, entvölkerte, ruinierte und restlos erschöpfte UdSSR als „Ersatzfeind“ herhalten musste, obwohl die selbst unter dem bekanntermaßen mörderischen Kriminellen Stalin als Führer nichts wollte als ihre Ruhe und endlich in wenigstens äußerem Frieden leben.

So ist auch Wahrheit Lüge, und Lüge „offizielle Information“. Belesene kennen das alles aus George Orwells Roman „1984“, der unlängst in einer „neuen Übersetzung“ erschien, zu der absurderweise ausgerechnet der Obertotalitarist Robert Habeck ein Vorwort absondern durfte — das indes möglicherweise als historisches Dokument von Belang sein könnte —, als wollte man dem armen Verfasser ins Grab hinein die Zunge blecken, um ihm zu zeigen, dass man auch mit so was wie ihm fertigwird.

Ebenso ist rechtsextremer Fanatismus nun liberaldemokratische „Toleranz“; Gesundheit ist Krankheit, Unterwerfung ist Solidarität, Religion ist Wissenschaft und Wissenschaft ist Religion, Verblödung ist Bildung, Bildung ist „Desinformation“; die Erteilung von Befehlen heißt man „Diskussion“ oder „Debatte“, Hass- und Hetztiraden werden als „Kabarett“ verkauft, der Hochsommer als „Hitzepandemie“, gesamtgesellschaftliche Uniformität als „divers“; alternativlose, unanfechtbar heilige Dogmen nennt man „Konsens“, und die Skepsis gegenüber solchen Dogmen — einstmals Ursprung und Grundlage jeder Wissenschaft — wird als „Querdenkerei“ zum Glück noch nicht ganz so strikt verfolgt wie dazumal die Ketzerei, die sich an ebenso idiotischen Dogmen einer anderen herrschenden Sekte kritisch abarbeitete.

Derweil sollte jeder, der angesichts der vom Kneipenklo bis zum Regierungssitz allgegenwärtigen Regenbogenbeflaggung nicht das Fracksausen kriegt, mal wieder ein illustriertes Geschichtsbuch aufschlagen.

Aber kehren wir noch mal zur Demokratie zurück — zu ihrer Umkehrung oder besser: Pervertierung, weil im Lateinischen die absichtliche Wendung ins Gegenteil noch deutlicher drinsteckt und zugleich ein Nebensinn („zugrunderichten“ und „vernichten“). Hier strahlt der Vorgang besonders grell, selbst wenn man unter „Demokratie“ lediglich ihre sowieso schon pervertierte „repräsentative“ Abform versteht.

Deren Theorie zufolge entsendet die Bevölkerung — oder meinetwegen: das Volk — Repräsentanten in ein Parlament, wo diese dann in fruchtbarem Streit die Interessen ihrer jeweiligen Entsender sinnvoll debattieren und sich am Ende auf vernünftige Kompromisse einigen sollen, mit denen alle irgendwie leben können. Wenn ausreichend viele das nicht mehr können, wird neu gewählt und entsandt, wobei sich die Mehrheitsverhältnisse selbstverständlich ändern können, manchmal auch fundamental, aber nie auf eine Dauer, die die Religion „ewig“ nennt.

Im „westlichen“ Modell dieser repräsentativen Pseudodemokratie werden der Theorie zufolge auf dem Weg der Willensbildung zur Interessenvertretung sogenannte „Parteien“ zwischengeschaltet, die die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der Bürger sozusagen bündeln sollen. Wozu das gut ist, weiß man nicht so genau, aber so ist es nun mal.

Oder nein: So ist es eben nicht. Sondern genau umgekehrt.

In letzter Zeit zum Beispiel verkündet die Propaganda der zum Staat umdefinierten Regierung bei jeder sich bietenden Gelegenheit Botschaften und Parolen wie diese: Wer gegen den Krieg gegen Russland ist, wer gegen Waffenlieferungen an das ukrainische Regime ist, wer eine Aufarbeitung und juristische Verfolgung der „Corona“-Verbrechen fordert, wer das Kohlensäure-Dogma anzweifelt, wer Grundrechte wieder einführen möchte, wer behauptet, dass man Klimata weder „schützen“ noch „retten“ kann und es ein „Weltklima“ gar nicht gibt … wer irgendwas davon sich zu eigen macht, der „unterstütze“ die AfD. Die aber darf man nicht „unterstützen“, sondern der anständige Demokrat „unterstützt“ gefälligst die nationale Einheitsfront aus allen anderen im Parlament sitzenden Parteien.

Da hat sich die gesamte repräsentative Pseudodemokratie also umgestülpt: Nicht die Parteien sind demnach dafür da, die Interessen ihrer Wähler zu vertreten und im günstigsten Fall durchzusetzen, sondern die Wähler sollen die Interessen der Parteien vertreten und diesen dabei helfen, diese Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen.

Dass dabei die Bedürfnisse, Nöte und Wünsche der Wähler selbst (und auch der Nichtwähler) vollkommen aus dem Blick geraten und keinerlei Rolle mehr spielen, ist die zwangsläufige und erwünschte Folge — schließlich geht es ja eben darum, den Menschen zu erziehen, auf Linie zu drillen, zu einem besseren, neuen Modell zu machen, auf dass das göttliche Reich verwirklicht werde.

So dienen heute sämtliche gesellschaftliche Institutionen nur noch einem Zweck: Von Kindergärten und Schulen, wo man früher kritisches Denken lernen und ein bisserl Gemeinsinn üben sollte, über Parteien, Verbände und Gewerkschaften, die einst unsere Interessen vertreten sollten, bis hin zur Bundeswehr, in der ehemals zumindest angeblich — bitte nicht lachen — „Staatsbürger in Uniform“ in demokratischer Manier ihr Land verteidigen sollten; allesamt sind sie nur noch dazu da, die Menschen zu entmündigen, zu demütigen, zu unterwerfen und zu drillen, auf dass sie dem einen großen Gott, dem einen heiligen Ziel dienen. Welchem Ziel?

Ach, sucht euch eines aus. Und fragt mich bitte nicht, was man dagegen tun und unternehmen kann oder sollte. Den ganzen Schmarrn bekämpfen, unter dem Motto „Friede den Hütten, Krieg den Parteien“? Wird nicht sowieso schon viel zu viel gekämpft auf dieser Welt, und hat das jemals was gebracht?

Vielleicht tut man am besten das, was man früher mit dem Schulhaus tat, wenn man in den Sommerferien zufällig daran vorbeikam: nicht einmal ignorieren, in der (sicherlich eitlen) Hoffnung, dass es dann irgendwann ganz von selber verschwindet oder sich in einem wundersamen Akt der Umkehrung oder vielmehr Rückbesinnung in sein exaktes Gegenteil verwandelt.

Und derweil: Denken wir am besten an etwas vollkommen anderes. Schöne Ferien!


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Artikel erschien zuerst unter dem Titel „Friede den Hütten, Krieg den Parteien“ auf dem Blog des Autors.


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