Es gibt eine tröstliche Argumentation — tröstlich vor allem für diejenigen Journalisten, die in dieser Zeit so skandalös versagt haben —, die dieses Versagen zu erklären und zu entschuldigen versucht. Israels Ausschluss westlicher Reporter, so heißt es, machte es unmöglich, festzustellen, was wirklich vor Ort in Gaza geschah.
Hierzu gibt es mehrere auf der Hand liegende Gegenargumente.
Erstens: Warum sollte ein Journalist Israel im Falle Gaza einen Vertrauensvorschuss geben — wie wir es getan haben —, wenn es doch Israel (selbst) ist, das die Reporter ausschließt? Die Arbeitshypothese der Medien müsste doch sein, dass Israel uns fern hält, weil es eine Menge zu verbergen hat. Den Nachweis, dass es aus militärischer Notwendigkeit und verhältnismäßig handelt, muss Israel erbringen. Das kann nicht weiterhin der Ausgangspunkt westlicher Medienberichterstattung sein.
Wenn eine der beteiligten Parteien, in diesem Falle Israel, Journalisten die Möglichkeit der Berichterstattung verwehrt, ist es unsere Pflicht, ihren Behauptungen mit äußerster Skepsis zu begegnen.
Wir sind verpflichtet, diese Behauptungen einer intensiven Prüfung zu unterziehen — umso mehr, wenn das höchste Gericht der Welt geurteilt hat, dass Israel in Gaza als Besatzer auftritt, der die palästinensischen Gebiete schon längst hätte verlassen müssen.
Zweitens, und ebenso offensichtlich, lässt diese Erklärung auf arrogante Art und Weise die Arbeit Hunderter palästinensischer Journalisten außer Acht, die ihr Leben riskiert haben, um uns genau zu zeigen, was gerade in Gaza geschieht. Es bedeutet, ihren Beitrag — während sie in beispielloser Zahl von Israel abgeschlachtet werden — als bestenfalls wertlos und schlimmstenfalls als Hamas-Propaganda anzusehen. Es bedeutet, Israels eigennützigen Rechtfertigungen für die Ermordung unserer Kollegen zu bestärken und damit einen Präzedenzfall zu schaffen, der die gezielte Verfolgung von Journalisten in Zukunft normalisiert.

Es bedeutet auch, diese palästinensischen Journalisten mit derselben kolonialen Verachtung zu behandeln, die britische Aristokraten bereits vor einem Jahrhundert gezeigt haben, als sie die Heimat der Palästinenser europäischen Juden versprachen, als sei Palästina das Eigentum Großbritanniens, das dieses nach Belieben veräußern könne.
Und drittens — womit ich zu dem Thema komme, mit dem ich mich heute Abend auseinandersetzen möchte — hätte die Anwesenheit westlicher Journalisten in Gaza keinen dramatischen Unterschied in der Berichterstattung über die Massaker, die an den Palästinensern verübt wurden, bewirkt. Die Öffentlichkeit hätte weiterhin eine zensierte Version des Völkermords präsentiert bekommen. In der Berichterstattung westlicher Medien über Israel und Palästina ist das Versagen vorprogrammiert. Das weiß ich aus eigener Erfahrung aus zwanzig Jahren Berichterstattung aus der Region.
Karriere-Selbstmord
Wenn es um die schwärende Wunde dessen geht, was einst das historische Palästina war, besteht die Aufgabe westlicher Journalisten darin, zu verschleiern, auszuweichen, zu verzerren und zu entschuldigen. Das war schon immer so. Zu den Gründen hierfür komme ich später.
Israel konnte mit dem Völkermord in Gaza gerade deswegen (ungeschoren) davonkommen, weil sich die westlichen Medien in den vergangenen Jahrzehnten geweigert haben, über die gut dokumentierten Aktionen ethnischer Säuberungen gegen Palästinenser und die brutale Apartheidherrschaft, der diese ausgesetzt waren, zu berichten und Israel dafür zur Rechenschaft zu ziehen.
Ein paar wenige unserer prinzipientreuesten Journalisten versuchten, über diese Dinge in Echtzeit zu berichten. Sie bezahlten jedoch in der Öffentlichkeit einen hohen Preis dafür. Alle Kollegen, die vielleicht mit dem Gedanken gespielt hatten, es ihnen gleichzutun, lernten die unerlässliche Lektion: Das Nachahmen dieser Journalisten würde zu einem Karriere-Selbstmord führen.
Lassen Sie mich kurz ein paar ausgezeichnete Auslandskorrespondenten in Jerusalem vorstellen, an denen ein Exempel statuiert wurde, und anschließend einige aktuellere Beispiele meiner eigenen Auseinandersetzungen mit westlichen Redakteuren anführen.
In dem Buch Publish It Not von 1975 schildert Michael Adams, Ende der 1960er Jahre Korrespondent des Guardian in Jerusalem, seine Bemühungen, die Zeitung davon zu überzeugen, seinen Berichten über die systematische Brutalität Israels nach dessen militärischer Besetzung palästinensischer Gebiete im Jahr 1967 Glauben zu schenken. Wie auch die übrigen Medien glaubten seine Redakteure lieber Israels Behauptungen, seine Besetzung sei die „aufgeklärteste in der Geschichte“.
Als Adams in dem Versuch, diese Annahme infrage zu stellen, über die ethnische Säuberung dreier palästinensischer Dörfer durch Israel unter dem Deckmantel des Krieges von 1967 berichtete — die Dörfer wurden zerstört und später zu einer Grünfläche für Israelis namens „Canada Park“ umgestaltet — wurde er aus der Zeitung gedrängt. Er berichtet, sein Redakteur habe ihm gesagt, „er würde nie wieder etwas veröffentlichen, das ich über den Nahen Osten geschrieben habe“.
Dann war da noch Donald Neff, Büroleiter des Time Magazine in den 1970er Jahren. Er wurde hinauskomplimentiert, nachdem er 1978 berichtet hatte, dass israelische Soldaten palästinensische Kinder in Beit Jala, einer Gemeinde im Westjordanland nahe Bethlehem, brutal geschlagen hatten. Gemessen an heutigen Maßstäben war es eine sehr zahme Geschichte, stehen uns doch heute tatsächliche Filmaufnahmen israelischer Soldaten zur Verfügung, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen und diese oft sogar in den eigenen sozialen Medien veröffentlichen. Damals jedoch vermochte eine solcher Bericht noch zu schockieren.
Die Mitarbeiter von Neffs Abteilung — allesamt israelische Juden — reagierten mit offener Revolte auf seinen Artikel. Offizielle israelische Quellen weigerten sich, mit ihm zu sprechen. Die Israel-Lobby in den USA begann eine öffentliche Kampagne gegen Neff und die Time. Seine Redakteure ließen ihn im Stich und der Artikel wurde von anderen US-Medien ignoriert. Isoliert und erschöpft von den Angriffen, kündigte Neff seinen Posten.
Zum Ausgestoßenen werden
Erst nachdem ich selbst ähnliche Erfahrungen als freier Journalist in der Region gemacht hatte — eine Tätigkeit, die ich zwanzig Jahre lang ausübte —, erfuhr ich von den Schwierigkeiten dieser ausgezeichneten Reporter. In meinen Anfangsjahren stieß ich wiederholt auf denselben redaktionellen Druck und Widerstand, denen Adams und Neff mehr als ein Vierteljahrhundert zuvor ausgesetzt gewesen waren. Ich fühlte mich ähnlich isoliert, bedrängt, ausgestoßen — und gab schließlich jede Hoffnung darauf auf, weiterhin für große westliche Medien zu berichten.
Ich reichte sowohl beim Guardian, bei dem ich zuvor jahrelang als festangestellter Journalist gearbeitet hatte, als auch beim International Herald Tribune — heute in International New York Times umbenannt — Artikel ein.
Lassen Sie mich kurz je ein Beispiel für meine Auseinandersetzung mit diesen beiden Medien anführen.
Wiederholt scheute sich The Guardian davor, eine von mir durchgeführte Untersuchung zu veröffentlichen, die enthüllte, wie ein israelischer Scharfschütze 2022 in Dschenin, einer Stadt im Westjordanland, wissentlich einen britischen UN-Beamten, Iain Hook, erschossen hatte. Ich war der einzige Journalist, der nach Dschenin gereist war, um sich ein Bild von den Geschehnissen zu machen. Chris McGreal, der kurz davor eingesetzte Jerusalem-Korrespondent der Zeitung, setzte sich in meinem Namen für den Artikel ein. Nachdem ich wochenlang hingehalten wurde, erklärte sich die Zeitung schließlich widerwillig bereit, den Artikel ganzseitig zu veröffentlichen.
Als dieser dann jedoch erschien, war er ohne Vorwarnung auf die Hälfte gekürzt worden. Das Kernstück der Untersuchung, das zeigte, wie der Scharfschütze Hook ermordet hatte, war entfernt worden. Die Redakteure behaupteten, sie seien in letzter Minute dazu gezwungen worden, eine Anzeige zu schalten — da ich jedoch früher in der Produktion der Zeitung gearbeitet hatte, wusste ich, dass dies unmöglich war. Sie hatten nie vorgehabt, die Untersuchung zu veröffentlichen. Sie hatten nicht nur mich, sondern auch ihren eigenen Büroleiter in Jerusalem getäuscht.
Bei der Tribune verbrachte ich einen Großteil des ersten Halbjahres von 2003 damit, den Kommentar-Redakteur davon zu überzeugen, einen von mir verfassten Meinungskommentar zu veröffentlichen, in dem ich erörterte, dass die eintausend Kilometer lange Stahl- und Betonmauer, die Israel (damals) gerade quer durch das Westjordanland baute, einen Landraub darstellte und palästinensischen Gemeinden lebenswichtiges Ackerland wegnahm. Heute erscheint es fast lächerlich, dass dies eine umstrittene Meinung war. Aber damals war es selbst umstritten, die Trennmauer als „Mauer“ zu bezeichnen und nicht als „Zaun“, was freundlicher klang.
Schließlich gab der Kommentar-Redakteur nach, allerdings nur, weil Präsident George W. Bush gerade eine Rede gehalten hatte, in der er davor warnte, die Mauer dürfe nicht zu einem Landraub führen. Bald wurde auch offensichtlich, warum die Zeitung die Veröffentlichung des Artikels so sehr fürchtete: Sie erhielt, wie mir ein Jungredakteur erzählte, „den größten Postsack in ihrer Geschichte“ der Beschwerden. Die Anti-Diffamierungs-Liga („Anti Defamation League“), eine mächtige Israel-Lobbygruppe in den USA, hatte eine (Leser-)Briefkampagne organisiert.
Camera, eine pro-israelische Medienlobbygruppe, verfasste eine seitenlange Beschwerde, in der sie zehn angebliche „Fehler“ in meinem Meinungskommentar auflistete. Ich musste überstürzt eine lange Richtigstellung für die Redakteure schreiben — eher eine kleine Dissertation mit Fußnoten —, bevor sie sich bereit erklärten, keine Gegendarstellung zu veröffentlichen. Die Zeitung gab jedoch insofern nach, als sie ihre gesamte Leserbriefseite der Kritik an dem Artikel widmete.
Camera und eine andere Medienlobbygruppe, Honest Reporting, protestierten jedes Mal, wenn man Name in der IHT (International Herald Tribune) auftauchte. Bald darauf war ich draußen. Ich könnte noch viele weitere solcher Geschichten erzählen.
Medienregression
Chris McGreals Zeit in Jerusalem in dieser Phase war ebenso aufschlussreich. Während der Apartheid-Ära war er ein sehr renommierter Südafrika-Korrespondent für die Zeitungen The Independent und The Guardian gewesen und hatte viele Auszeichnungen gewonnen.
Er kam 2002 für den Guardian nach Jerusalem und erkannte sofort, dass Israel ein ähnliches Apartheidsystem betrieb. Dennoch erklärte sich die Zeitung erst Anfang 2006, als er seinen Posten verließ, bereit, einen langen, zweiteiligen Dokumentarbericht über die Ähnlichkeiten zwischen der Apartheid in Südafrika und der in Israel zu veröffentlichen.
Diese beiden Artikel werden manchmal als Beispiel dafür herangezogen, wie höchstkritisch westliche Medien Israel gegenüber sein können. Dies ist jedoch nicht die richtige Schlussfolgerung. Die beiden Artikel McGreals waren in jeder Hinsicht außergewöhnlich.
Keine andere Zeitung außer dem Guardian — und insbesondere dem damaligen Guardian — hätte McGreals Apartheid-Berichte veröffentlicht. Kein Journalist außer McGreal hätte sie schreiben dürfen. Und dennoch wagte die Zeitung erst, sie zu veröffentlichen, nachdem er Jerusalem verlassen hatte, weil sie wusste, dass er persona non grata werden und jeglichen Zugang zu israelischen Amtsträgern verlieren würde.
Und unmittelbar nach Veröffentlichung der Artikel sahen sich McGreal und die Zeitung einer Flut von Antisemitismus-Beschuldigungen ausgesetzt. Monatelang setzten sie sich in einem aussichtslosen Kampf mit den Folgen auseinander.
Beachten wir auch Folgendes:
Das Ende der zweiten Intifada um das Jahr 2006 war für liberale westliche Medien wie den Guardian wahrscheinlich ein Höhepunkt in ihrer kritischen Haltung gegenüber Israel. Warum? Weil die traditionellen Medien angesichts des Auftauchens von Medienrivalen wie Al-Jazeera, die durch die neue digitale Technologie bekannt wurden, um die Aufrechterhaltung ihrer narrativen Dominanz kämpften.
Der Guardian musste nun auf diesem neuen, unbekannten digitalen Terrain konkurrieren.
Der Guardian reagierte kurzzeitig mit einer Demokratisierung seines Online-Auftritts und ließ über seinen Blog „Comment Is Free“ ein viel breiteres Spektrum journalistischer Stimmen zu. Außerdem wurde den Lesern ermöglicht, Artikel zu kommentieren. Diese Fortschritte wurden jedoch schon bald wieder rückgängig gemacht. Der Guardian beendete den Blog und schaffte die Kommentarfunktion für alle, außer den harmlosesten Artikeln, wieder ab. Und mit zunehmender Schläue fanden die digitalen Torhüter eine ganze Palette verdeckter Techniken, um die neue Flut von Meinungsverschiedenheiten einzudämmen — von Shadow-Banning bis hin zu algorithmischen Manipulationen.
Paradoxerweise sind Human Rights Watch, Amnesty International und Israels B´Tselem seitdem alle zu dem Schluss gekommen, dass Israel ein Apartheidstaat ist. Ihr Urteil wird durch eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs vom letzten Jahr gestützt.
In vielerlei Hinsicht haben sich jedoch die westlichen Medien seit Mitte der 2000er Jahre tatsächlich zurückentwickelt — selbst, als Israels Verstöße gegen das Völkerrecht deutlicher in den Fokus gerückt sind. Heute sind die Medien genauso wenig bereit, Israel als Apartheidstaat zu bezeichnen wie vor 20 Jahren.
Warum so feige?
Die große Frage ist: Warum? Hier ist ein Überblick über die verschiedenen Zwänge — manche praktischer, manche struktureller Natur —, die dazu führen, dass sich die westlichen Medien so zaghaft gegenüber Israel verhalten.
Parteiische Reporter: In der Vergangenheit haben die meisten Medienhäuser, insbesondere US-amerikanische Medien, jüdische Reporter mit der Leitung ihrer Büros in Jerusalem betraut. Dabei sind sie von der wahrscheinlich richtigen Annahme ausgegangen, dass jüdische Reporter angesichts der stammesbezogenen politischen Ideologie des Zionismus einen besseren Zugang zu israelischen Amtsträgern haben. Dies wiederum zeigt uns, dass diese Zeitungen hauptsächlich daran interessiert sind, was israelische Quellen zu sagen haben, und nicht, was Palästinenser sagen. Westliche Medien sind in Wirklichkeit keine Kontrollinstanz. Sie stellen das herrschende Machtungleichgewicht nicht infrage, sondern reproduzieren es.
Viele dieser jüdischen Reporter verheimlichen ihre tiefe Verbundenheit mit und Parteinahme gegenüber Israel bis heute nicht.
Nachdem ich diesen Punkt zum ersten Mal öffentlich angesprochen hatte, schrieb mir vor vielen Jahren ein jüdischer Journalist und Freund aus Jerusalem: „Mir fallen ein Dutzend Leiter von Auslandsbüros ein, die für die Berichterstattung über Israel und Palästina verantwortlich sind und selbst in der israelischen Armee gedient haben, und ein weiteres Dutzend, die wie (der damalige Büroleiter der NewYork Times, Ethan ) Bronner, Kinder in der israelischen Armee haben.“
Stellen Sie sich vor — sollte Ihnen das möglich sein —, dass die New York Times einen Palästinenser als ihren Korrespondenten in Jerusalem einstellt. Ich weiß, es ist unvorstellbar. Aber nicht nur das: ihn zu beschäftigen, während eines seiner Kinder für die Palästinensische Autorität arbeitet — oder, noch passender, in einer Militärbrigade der Fatah kämpft.
Währenddessen unterstützt die BBC offen Raffi Berg, ihren Online-Redakteur für den Nahen Osten, obwohl Whisteblower unter den eigenen Mitarbeitern ihn beschuldigen, die Berichterstattung des Senders über Israel und Palästina zu verzerren. Berg hat seine eigene Verbundenheit zu Israel sehr offen zugegeben. In einem Interview zu seinem „Insider“-Buch zum israelischen Geheimdienst Mossad erklärt Berg, dass er „als jüdischer Mensch und Bewunderer des Staates Israel vor Stolz eine Gänsehaut“ bekommt, wenn er von Operationen des Mossads höre.
Berg hat einen gerahmten Brief von Netanjahu und ein Foto von sich selbst mit dem früheren israelischen Botschafter im Vereinten Königreich bei sich zu Hause an der Wand hängen. Einen ehemaligen hochrangigen Mossad-Beamten bezeichnet er als engen Freund. Und als der Journalist Owen Jones einen Artikel schrieb, indem er die Beinahe-Revolte von Mitarbeitern der BBC angesichts von Bergs Rolle enthüllte, war Bergs erster Gedanke, sich rechtlich von Mark Lewis unterstützen zu lassen, dem ehemaligen Leiter von UK Lawyers for Israel und bekannt dafür, mithilfe von Lawfare Israel-Kritiker zu schikanieren und zum Schweigen zu bringen.
Können wir uns vorstellen, dass die BBC einen Palästinenser oder Araber für denselben hochsensiblen Posten ernennen und dann unterstützen würde, wenn sich herausstellen würde, dass dieser einen gerahmten Brief des ermordeten Hamas-Politikers Ismail Haniyeh und ein Foto mit Yasser Arafat zu Hause an der Wand hängen hat?
Parteiische Mitarbeiter: In den westliche Medien gilt es als völlig normal, parteiische israelische Juden als Hilfspersonal einzustellen. Wie Neff feststellte, üben sie subtilen und manchmal auch weniger subtilen Druck auf Korrespondenten aus, damit diese den israelischen Narrativen gegenüber wohlwollender sind.
Bei einer Untersuchung, die Alison Weir von If Americans Knew durchgeführt hatte, stellte sich beispielsweise heraus, dass israelische Mitarbeiter der Jerusalemer Niederlassung der Nachrichtenagentur AP sich 2004 geweigert hatten, Videoaufnahmen eines palästinensischen Kameramanns zu verwenden oder zurückzugeben, die zeigten, wie israelische Soldaten einen unbewaffneten Jugendlichen in den Bauch schossen. Stattdessen zerstörten sie das Video.
Medien-Lobygruppen: Camera und Honest Reporting agieren wie zwei Medien-Hirtenhunde, die Journalisten aggressiv auf Linie bringen. Wie ich feststellte, können sie einem das Leben richtig schwer machen: Sie können eine große Anzahl fanatischer Israelunterstützer mobilisieren, um Medienhäuser mit Beschwerden zu überfluten, sie können deine Glaubwürdigkeit bei deinen eigenen Redakteuren beschädigen und sie können israelische Beamte dazu anstiften, dich auf eine Schwarze Liste der Medien zu setzen. Die meisten Reporter betrachten sie als sehr gefährliche Organisationen, mit denen man sich nicht anlegen sollte.
Zugang: Eine allgemeine Schwachstelle in der Behauptung der Journalisten, sie seien eine Kontrollinstanz der Macht — wir bezeichnen uns ja selbst als die vierte Gewalt — besteht darin, dass Reporter grundsätzlich Zugang zu hochrangigen Funktionsträgern benötigen, sei es für Berichte, Hinweise oder Kommentare. Ein Journalist, der über eine solche Quelle verfügt, wird von Redakteuren als weitaus nützlicher und zuverlässiger angesehen als ohne diese. Dies trifft unabhängig davon zu, ob man über Kriminalität, Politik, Sport oder Unterhaltung berichtet.
(Dieser) Zugang hat jedoch seinen Preis — die Unabhängigkeit. Niemand, der über hochrangige Quellen verfügt, möchte diese Quelle gegen sich aufbringen und sie verlieren, indem er sich zu kritisch über die Organisation äußert, über die die Quelle Insiderwissen hat.
Korrespondenten in Jerusalem sind möglicherweise noch stärker auf Zugang — in ihrem Fall zu israelischen Beamten — angewiesen als andere Reporter, da kritische Berichte über Israel mit höherer Wahrscheinlichkeit zu offiziellen Beschwerden, Androhungen rechtlicher Schritte und dem Verlust des Zugangs führen.
Bedenken wir, dass kein Redakteur darauf erpicht ist, einen israelkritischen Artikel zu veröffentlichen, bevor er israelischen Beamten die Möglichkeit einer Gegendarstellung gegeben hat. Zu diesem Zeitpunkt können Israel oder seine Lobbyisten einen Artikel oft wirksam unterbinden. Wenn Israel andeutet, es werde sich deutlich wehren und dem Medienhaus Schwierigkeiten machen — oder wenn das Medienhaus davon ausgeht, dass dies der Fall sein wird — werden Redakteure dazu tendieren, den Artikel zurückzuziehen, anstatt eine große Konfrontation zu riskieren.
Druck vonseiten der Hauptverwaltung: Beachten wir auch, dass Medienzentralen in den USA und Europa einer weiteren Ebene von Lobbydruck ausgesetzt sind — in diesem Fall durch die von der Lobby hergestellte Verbindung von Kritik an Israel mit Antisemitismus. Gruppen wie die Anti-Defamation League oder das *Board of British Deputies * behaupten, jüdische Gruppen vor Ort zu vertreten, die ihren Berichten zufolge jedes Mal, wenn Israel kritisiert wird, „aufgebracht“, „verängstigt“, „eingeschüchtert“ oder „besorgt“ sind.
Paradoxerweise sind es (gerade) die hartgesottenen Redakteure, die am ängstlichsten und besorgtesten zu sein scheinen. 2011 zitierte der verstorbene Akademiker Greg Philo einen leitenden Redakteur der BBC, der davon sprach, „ängstlich auf den Telefonanruf der Israelis zu warten“. Die Prioritäten westlicher Redakteure in den letzten zwei Jahren waren allzu offenkundig: äußerst sensibel gegenüber denjenigen, die Israel dabei unterstützen, die Menschen in Gaza zu massakrieren und auszuhungern, während sie sich gleichzeitig denjenigen gegenüber, die sich solidarisch mit den Palästinensern zeigen, die massakriert und ausgehungert werden, völlig unsensibel zeigen.
Dies führt dazu, dass die Messlatte für israelkritische Berichte viel höher liegt als für andere Regionen. Man denke nur daran, wie schnell Journalisten Russland Gräueltaten in der Ukraine zuschreiben, während sie — manchmal sind es dieselben Journalisten — Kriegsverbrechen in Gaza sehr zögerlich als Gräueltaten bezeichnen und Israel ebenso zögerlich als dafür verantwortlich benennen.

Zensur durch die israelische Regierung: Oft wird nicht verstanden, dass Israel ein militärisches Zensursystem betreibt, das das von Journalisten Sagbare einschränkt. Dies ist besonders wichtig, da sich ein Großteil der Berichterstattung durch Korrespondenten in Jerusalem auf Israels illegale militärische Besatzung bezieht.
Im schlimmsten Fall bedeutet dies, dass Israel Journalisten einfach den Zugang zu bestimmten Gegenden verweigert — wie in den letzten zwei Jahren geschehen. Oder es kann fordern, dass diese sich dem israelischen Militär anschließen, wie es die BBC mehrfach während des Völkermords in Gaza getan hat. Oder es kann verlangen, dass Journalisten wichtige Tatsachen über die Geschehnisse nicht berichten.
Während des Krieges von Israel gegen den Libanon in 2006 war ich beispielsweise der einzige Journalist, der versuchte, so gut es mir möglich war, darauf hinzuweisen, dass Israel die Panzer, die in den Südlibanon feuerten, inmitten oder nahe von palästinensischen Dörfern stationiert hatte und damit die dortige Bevölkerung praktisch zu menschlichen Schutzschilden machte. Journalisten betreiben meistens Selbstzensur, um sich nicht mit der militärischen Zensur Israels anlegen zu müssen.
Ein seltenes Beispiel für einen Journalisten, der das Zensursystem erwähnte, war Lucy Williamson von der BBC, als sie sich diesen Monat dem israelischen Militär anschließen durfte, um die Zerstörung Gazas zu filmen. Sie stellte fest: „Die militärischen Zensurgesetze bedeuten, dass unser Material vor der Öffentlichkeit dem militärischen Personal gezeigt wurde. Die BBC behielt jederzeit die Kontrolle über diesen Bericht.“
Wer´s glaubt, wird selig.
Kontrolle durch die israelische Regierung: Israel erteilt ausländischen Korrespondenten eine Lizenz, indem es ihnen einen Ausweis des Regierungspressebüros ausstellt. In den letzten 20 Jahren hat Israel diese Ausweise nur Journalisten ausgestellt, die offiziell für eine Nachrichtenagentur arbeiten, die es selbst als „akkreditiert“ betrachtet.
Nachdem neue digitale Medienplattformen freiberuflichen Journalisten die Möglichkeit eröffneten, ein Publikum außerhalb von Milliardärs- und staatlichen Medien zu erreichen, wurde dieses Lizenzsystem verschärft. Um sicherzustellen, dass die Berichterstattung durch große Nachrichtenagenturen — auf deren Einschränkungen ich weiter oben hingewiesen habe — gefiltert wird, hat Israel unabhängige, freiberufliche Journalisten praktisch gesperrt.
Neuaufbau unserer Weltanschauung
Diese praktischen Zwänge sind insbesondere deswegen so mächtig, weil Journalisten und Redakteure von jeher fürchten, von Israel des Antisemitismus bezichtigt zu werden. Man ist versucht, diesen Druck zu überschätzen. Man sollte ihn besser als Vorwand betrachten, der das Versagen der Journalisten, ihre Arbeit ordnungsgemäß zu erledigen, nachträglich zu begründen versucht — wie ihr Widerstreben zeigt, den Völkermord in Gaza als Völkermord zu bezeichnen.
Jenseits dieser praktischen Zwänge gibt es jedoch noch einen tieferen Grund dafür, warum westliche Medien ernsthafte Kritik an Israel vermeiden. Israel ist ein wesentlicher Bestandteil eines anhaltenden westlichen Kolonialsystems zur Machtprojektion in den ölreichen Nahen Osten. Israel ist der wichtigste Satellitenstaat des Westens. Westliche Institutionen brauchen ein geschütztes Israel.
Nichts von alledem wäre natürlich so bedeutend, wenn unsere gefeierte „freie Presse“ tatsächlich so frei wäre, wie sie behauptet. Wenn sie wirklich als Kontrollinstanz der Macht wirken würde. Wenn sie die politische Klasse wirklich unter Druck setzen würde. Wenn sie wirklich als vierte Gewalt fungieren würde. Dann könnten sich die Politiker nirgends verstecken.
All das tun die korporatistischen Medien jedoch nicht. Stattdessen dienen sie als Echo und Verstärker der Prioritäten des politischen Establishments. Sie sind tatsächlich die Medienabteilung des Establishments.
Als ich für den Guardian arbeitete, sagte mir der Auslandsredakteur — heute ein bedeutender Kolumnist — einmal, er wolle nicht, dass seine Korrespondenten länger als ein paar Jahre auf schwierigen Posten wie der Niederlassung in Jerusalem verbrachten, da sie mit der Zeit Gefahr liefen, „sich zu sehr anzupassen“. Damals verstand ich nicht, was er meinte. Aber ich erfuhr es schnell genug.
2001 zog ich als freiberuflicher Journalist nach Israel, um über den Israel-Palästina-Konflikt zu berichten. Ich ließ mich in Nazareth nieder, einer palästinensischen Gemeinde innerhalb Israels, weil ich dachte, ein anderer Ansatz — meine Kollege befanden sich in den jüdischen Vierteln von Jerusalem oder in Tel Aviv — mache meinen Journalismus einzigartig und für die Redakteure in meiner Heimat interessant. Meine andere Perspektive machte mich jedoch weitaus weniger interessant für sie. Tatsächlich stellte sich bald heraus, dass sie dadurch mir gegenüber extrem nervös wurden.
Der Punkt ist jedoch folgender: Trotz meiner einzigartigen Umstände benötigte ich Jahre, um mich vollständig zu entprogrammieren und relativ unbeschadet auf der anderen Seite wieder aufzutauchen. **
Zuerst musste ich die ideologische und berufliche Konditionierung und Ausbildung auflösen, die mich zu der Annahme gebracht hatten, die Israelis seien die Guten und die Palästinenser … nun, sie mussten irgendetwas weniger Gutes als die Guten sein. Und dann musste ich meine ideologische und berufliche Weltanschauung von Grund auf neu aufbauen — wie ein Kind, das versucht, all die neuen Informationen zu verstehen. Wenngleich ich es damals nicht zugab, war es ein langsames, beängstigendes und schmerzhaftes Aufwachen. Alles, woran ich geglaubt und worauf ich vertraut hatte, war zu Staub zerfallen.
Ist es verwunderlich, dass die Mehrheit der Journalisten einen solchen Wandel niemals vollzieht? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie die Möglichkeit haben, in das Leben dieser „Eingeborenen“ einzutauchen. Selten wird ihnen die Zeit zugestanden, die sie bräuchten, um aus dem Hamsterrad des Journalismus auszusteigen, um eine größere Perspektive zu entwickeln. Sie sind von der Familie, von Freunden, von Kollegen und Vorgesetzten umgeben, die stetig überliefertes Wissen bekräftigen oder „professionelle“ Standards durchsetzen, die den bestehenden Konsens unterstützen. Wenn sie ein Gehalt verdienen, eine Karriere aufbauen, eine Familie zu ernähren haben, verliert das Abweichen vom Pfad seinen Reiz.
Und letztendlich ist da natürlich die Schrecken erregende Aussicht auf eine beängstigende Reise durch einen dunklen Tunnel, zu einem unbekannten Ziel.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Breaking free of media group-think is a scary, lonely journey. I know. I was forced to do it“ auf dem Substack von Jonathan Cook. Er wurde von Gabriele Herb ehrenamtlich übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.
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