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Wellen der Hoffnung

Wellen der Hoffnung

Eva Schmidt, Mitbegründerin von Radio München, spricht im Manova-Interview über Lokaljournalismus, Repressionen und echte Begegnung.

Eva Schmidt macht Radio. Sie ist Journalistin, Sprachtherapeutin, Mutter von drei Kindern und betreibt den freien Radiosender „Radio München“, der im vergangenen Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feierte (1). Sie macht es mutig, professionell und geleitet von dem Wunsch, Brücken zu bauen und die Friedenstüchtigkeit zu stärken. Das Verdorbene, Unerhörte, Skandalöse wird nicht außer Acht gelassen. Doch als Therapeutin weiß sie, dass es vor allem hilft, das Gesunde, Zusammenbringende, Schöne zu stärken — und nicht, gegen das Kranke anzukämpfen.

Eva Schmidt engagiert sich für Gemeinschaft, für Verbindung und für echte Toleranz. Sie tut es nicht allein. Mit ihr wirken eine Gruppe von Gleichgesinnten und ein Freundeskreis, die sich aufrichtig dafür einsetzen, noch viel mehr — um es mit Platon und Sokrates zu sagen — das Wahre, Schöne und Gute in die Welt zu bringen.

Wir brauchen es so sehr! Wir brauchen Menschen, die sich den Rücken nicht beugen lassen und die ihre Seele nicht verkaufen.

Kerstin Chavent: Liebe Eva, du hast einmal gesagt: „An einem perfekten Tag war ich mit einem Menschen in echtem Kontakt. Mit uneingeschränkter Aufmerksamkeit berühre ich den anderen und er mich. Das ist für mich Glück.“ Magst du darauf eingehen, warum Verbindung so wichtig für dich ist?

Eva Schmidt: Es ist körperlich. Manche haben beim Orgasmus eine Gänsehaut. Ich bekomme sie, wenn ich einen anderen seelisch, inhaltlich, geistig berühre. Irgendeine Kombination aus alledem. Ich weiß nicht, wie diese physische Reaktion entsteht. Ich kann sie auch nicht künstlich herstellen. Aber dieses Verbinden ist so stark, dass es mich durchströmt und mir ein Strahlen aufs Gesicht zaubert. Das kann ich spüren und man kann es von außen sehen. Es ist wahrscheinlich nichts, was ich zum puren Überleben brauche, aber ja, es macht mich glücklich und gibt mir das Gefühl von Wirksamkeit.

Dein Beitrag, die Verbindungen zu stärken, ist unter anderem das Radiomachen. Wie kamst du dazu? Was unterscheidet für dich das gesprochene vom geschriebenen Wort?

Die Antwort darauf ist zum Teil auch die Antwort auf das oben genannte Phänomen. Das Wort, der Inhalt setzt sich auf die Schwingungen der Stimme und kommt so — hoffentlich — beim anderen genau so an, wie es gemeint ist, und dringt tief ein. Das ist vermutlich beim gesprochenen Wort einfacher als beim geschriebenen.

Mit dem Schallereignis habe ich einfach ein zusätzliches Werkzeug, den anderen zu erreichen. Allerdings auch die Gefahr, ihn auf dieser Ebene zu verlieren. Es gibt immer wieder Hörer, die eine bestimmte Stimme nicht so gerne hören.

Ich meine, es ist einfach eine umfangreichere Klaviatur für die Kommunikation.

Seit über zehn Jahren gibt es Radio München. Wie ist seine Geschichte? Worum geht es dir heute? Woran arbeitest du mit deinem Team?

Radio München ist tatsächlich als regionales Medium konzipiert, weil ich seit der Globalisierungsbewegung die für mich so wichtigen kleinen, überschaubaren Strukturen schwinden sah. Wir wollten zeigen, welche Verbindungen die Menschen in dieser Stadt schaffen, welche Kultur, welches Innovationspotential, welche Kunst entsteht. Eigentlich ein Konzept für jeden Ort, weil es stärkt, das unmittelbare Umfeld zu kennen und sich dadurch eingebettet zu fühlen.

Tja, und dann kam Corona. Und selbstverständlich hätte ich gerne auch dieses Ereignis im Mikrokosmos beleuchten wollen, aber da breitete sich ja Diskurs-Unvermögen aus. Es äußerten sich außerhalb des Mainstreams leider nur wenige mutige Wissenschaftler, Künstler und Politiker, die hier in München eher rar gesät waren … Heute, fünf Jahre später, komme ich auf unsere Ursprungsidee zurück. Es sind und werden die kleinen Strukturen sein, die uns aus all diesen Krisen heraus retten. Darum sind wir dabei, die Gründe der Spaltung zu eruieren, um auch auf regionaler Ebene wieder das gemeinsame Leben zu finden und zeigen zu können.

Wie wohl jedes freie und regierungskritische Medium hast du Gegenwind erfahren. Mit welchen Repressionen hast du zu tun gehabt? Wie hast du sie überwunden?

Das erste interessante Phänomen waren Hörerbeschwerden bei unserer sogenannten Aufsichtsbehörde, der Bayerischen Landesmedienanstalt. Die hat dann auch direkt mit einer Rüge geantwortet. Ich darf das hier nochmal zitieren, weil es doch einschneidend war:

„Die Landeszentrale kommt zu dem Ergebnis, dass das Interview zwar keine Verletzung der Programmgrundsätze nach § 5 BayMG und 41 RStV darstellt; es aber den notwendigen Umgang mit der journalistischen Sorgfaltspflicht stark vermissen lässt.“

Darauf folgte:

„Begründet wird diese Einschätzung zum einen mit der Auswahl der Talkgäste der ‚CoronaReihe‘, die als kritisch gegenüber den aktuellen Entscheidungen der Bunderegierung aufgefasst werden kann. Zwar ist die Auswahl der Interviewgeber eine eigenverantwortliche redaktionelle Entscheidung, allerdings ist gerade bei medizinischen Themen die journalistische Sorgfaltspflicht besonders zu beachten. Insbesondere in der Corona-Krisensituation ist davon auszugehen, dass Hörerinnen und Hörer die Präsentation von wissenschaftlichen Meinungen und Forschungsergebnissen mit hoher Aufmerksamkeit verfolgen. Deshalb müssen Informationen aus dem medizinischen Bereich mit besonderer journalistischer Sensibilität behandelt werden. So sollten wissenschaftliche Aussagen weder unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen bei den Hörerinnen und Hörern wecken noch Forschungsergebnisse ohne sorgfältige Prüfung besonders herausgestellt werden. Deshalb ist zum anderen auch die Interviewführung zu bemängeln, die weder kritische Nachfragen enthält noch die Aussagen des Gastes deutlich in den aktuellen wissenschaftlichen Kontext einordnet.“

Das Fazit war:

„Die Landeszentrale sieht von einer förmlichen Beanstandung ab, aber weist abschließend jedoch ausdrücklich auf eine nachhaltige Beachtung der Programmgrundsätze hin, insbesondere der Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht, damit derartige problematische Sendungen zukünftig ausbleiben.“

Und weil ich ein selbstkritischer, vielleicht auch unsicherer Mensch bin, hab ich mir natürlich nochmal alles akribisch durchgehört, nach den Momenten gesucht, an denen ich nach Gusto der BLM hätte einhaken sollen, und dann bei einem Medienwissenschaftler nach seiner Einschätzung gefragt. Der gab Entwarnung. Also hab ich freundlich, aber sehr detailliert zurückgefragt, wie und an welchen Stellen denn ihre Kritik ansetzen würde. Die Gespräche habe ich auch transkribiert auf der Homepage veröffentlicht, damit es ihre Arbeit erleichtern würde und sich auch jeder andere ein Bild machen konnte. Diese Rückfrage blieb unbeantwortet. Und seither haben wir diesbezüglich nichts mehr von der BLM gehört.

Später — oder war es gleichzeitig? — kamen die Shadow-Bans in den sozialen Medien, YouTube sperrte mehrfach Beiträge, die wir gerichtlich wieder freiklagen mussten. Das waren aber alles Fingerübungen im Gegensatz zu den menschlichen Phänomenen dieser Zeit. Aus unserer Redaktion „verabschiedeten“ sich etwa die Hälfte der Mitarbeiter unter schlimmen Beschimpfungen und Diffamierungen.

Ich will das alles gar nicht ausbreiten, ich hatte schlaflose und durchweinte Nächte. Menschen, die mir engstens verbunden waren, die ich schätzte, auch für ihre Gesellschafts- und Systemkritik … Sie haben mir bis heute keine Chance mehr gegeben.

Überwinden kann man das nicht, davon bin ich heute überzeugt. Das sind hässliche Narben, die wir wohl mit ins Grab nehmen. Das klingt verbittert. Ist es auch. Aber nur an dieser Stelle des Lebens. Gleichzeitig, das wissen wir Gedemütigten ja mittlerweile gut, tun sich diese vielen neuen, lebensbejahenden und starken Verbindungen auf.

Die Corona-Zeit liegt hinter uns. Ist die Welt seitdem gefährlicher geworden?

Die Welt ist nicht gefährlicher geworden, unsere Politiker müssen uns Sorgen machen! Man hat das Gefühl, sie haben keinen Anstand, kein Ehrgefühl, keine Überzeugungen. Sie interessieren sich nicht die Bohne für das Volk, sie scheinen bis ins Mark korrumpiert zu sein, hängen ihr Fähnchen in jedes Lüftchen, das ihnen dienen könnte. Unsere Staatenlenker haben nachgewiesenermaßen Verbrechen begangen. Sie wurden dafür nicht zur Rechenschaft gezogen. Das ist gefährlich. Ihnen muss Einhalt geboten werden, wie das in einem funktionierenden Rechtsstaat möglich sein sollte. All das scheint aber die Menschen nicht sonderlich zu interessieren. Ich habe in den letzten fünf Jahren unglaublich viel gelernt — für die Zukunft, aber auch rückblickend. Heute stellen sich für mich die Geschehnisse von vor 2020 in einem ganz anderen Licht dar. Meine Skepsis der Politik gegenüber hat sich um ein Vielfaches erhöht.

Auch wenn er immer mehr eingeschränkt wird: Wir haben noch Handlungsspielraum. Wie können wir ihn nutzen?

Das ist eine sehr komplexe Frage! Da kann ich eigentlich am besten mit dem Spruch von dem US-amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr antworten:

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“*

Ursprünglich hatte Niebuhr ja nicht um Gelassenheit gebeten, sondern nur um Mut. Und das ist letztlich der Schlüssel, wenn die Handlungsräume enger werden. Wir brauchen Mut und Kreativität, um immer wieder an die Grenzen zu gehen, um sie auszudehnen und den Raum innerhalb der Grenzen maximal auszuschöpfen: gemeinsam, liebevoll, unterstützend in jedem Bereich des Daseins.

Mir liegt eine Frage besonders am Herzen: Wie können heute Frauen und Männer zusammenwirken, um die aus dem Gleichgewicht gefallene Welt in ein neues Gleichgewicht zu führen? Meiner Wahrnehmung nach gibt es da noch eine Menge zu tun. Frauen und Männer begegnen sich immer noch nicht auf Augenhöhe und arbeiten in vielem nicht wirklich zusammen. Frauen stellen sich nach wie vor in den Hintergrund, und Männer schwanken zwischen Selbstüberhöhung und Verunsicherung. Beide sind nicht in ihrer Kraft. Wie ist deine Wahrnehmung?

Dazu hatte ich erst gestern eine interessante Diskussion mit dem Sohn von Freunden. Wo wir uns offenbar alle einig sind, ist, dass die Geschlechter nicht in ihrer Kraft sind.

Die Medaille der Emanzipation hat zwei Seiten: „Frei sein von“ heißt gleichzeitig „nicht mehr angebunden“ zu sein, auch im Sinne von Einsamkeit, Verunsicherung, Rückhaltlosigkeit. Wenn heute zusätzlich innerhalb der Geschlechter Befreiungen beziehungsweise Segregationen stattfinden, in Richtung neuer Geschlechtlichkeiten, werden die Gruppen immer kleiner, immer noch verletzlicher.

Was du dir wünschst, ist Augenhöhe. Für mich bedeutet das eigentlich eine Gegenbewegung zur heutigen Emanzipation.

Das respektvolle Miteinander entsteht meines Erachtens nicht, wenn wir immer weiter ins Detail der Unterschiede gehen, sondern Unterschiede nivellieren, schlicht nach unserem wunderbaren Grundgesetz: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, im Sinne von: Jeder hat das Recht, verschieden zu sein. Und für dieses Bewusstsein gilt es zu kämpfen, für die gleichen Rechte mit allen Konsequenzen, gleiche Gehälter, gleiche Chancen und so weiter.

Und da waren wir meines Erachtens eigentlich schon weit gekommen. Dann hat sich die Idee durchgesetzt, dass sich die Obrigkeit nicht für die Rechte, sondern für die Individualität des Einzelnen einzusetzen hat. Das schafft Dreiecksverhältnisse: Frau — Staat — Mann, oder Transfrau — Staat — Frau, und so weiter. So können sich Frau und Mann nicht mehr ungehindert begegnen und büßen von ihrer gemeinsamen Kraft ein.

Meine Vision ist es, dass Eva und Lilith, das Häusliche und das Wilde, das Mütterliche und das Sinnliche, das Verbindliche und das Freie wieder ineinandergreifen und zusammenwirken. Gemeinsam gehen so verwirklichte Frauen zu Adam, zum Mann, und ihn in der Bewegung der Vereinigung des vermeintlich sich Ausschließenden mitzunehmen. Hiervon sind wir noch weit entfernt. Wie können die Zickenkriege überwunden werden?

Ach, ich erlebe diesen Zickenkrieg gar nicht mehr so deutlich. Das mag an meinem Alter liegen. Es gibt ja zum Beispiel die Tradwives, die ein Bild der Frau leben wollen, das es nur sehr kurze Zeit in der Geschichte — nur in den 1950er/60er Jahren wahrscheinlich — gegeben hat. Das sind Vorstellungen, die sie dann versuchen umzusetzen. Wenn ich mich emanzipieren will, strebe ich auch danach, eine bestimmte Vorstellung von Unabhängigkeit zu leben. Mir ist das alles ein bisschen zu ideologisch. Wenn eine Frau sich in sich wohl fühlt, wenn sie in der Lage ist — nach Norbert Gopal Klein —, autonom und verschmolzen zu sein, kann sie sich den Gegebenheiten, den Partnern oder Mitmenschen in aller Individualität und Freiheit hingeben.

Was möchtest du denen sagen, die die Hoffnung auf eine bessere Welt verloren haben?

„Zieh lieber mit uns fort“, sagte der Esel der Bremer Stadtmusikanten zum Hahn, „wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall.“ Und erklärte ihm dann, welche seiner wunderbaren Fähigkeiten er doch in die Gemeinschaft einbringen könnte. Ich glaube, das schafft den Kontakt und die Beziehungen, die uns vereinen. Und das macht jeden wieder froh.

Liebe Eva, vielen Dank für dieses Gespräch.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.radiomuenchen.net/de/

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