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Wir sind Frieden

Wir sind Frieden

Wir stellen unbekannte Friedensaktivisten vor, die im Kleinen einen wichtigen Beitrag leisten. Teil 3.

Freiheitsaktivistin — was heißt das?

Freiheit ist für mich eine Lebenseinstellung. Ich achte sehr darauf, dass meine Freiheit nicht angetastet wird. Es geht um die Freiheit meiner Gedanken, meiner Äußerungen, meines Handelns. Ich lasse mich ungern gängeln — frei zu sein ist für mich ein Grundbedürfnis wie Atmen.

Darum bist du Aktivistin geworden?

Ja! Ich sah meine Freiheit durch konkrete Bedrohungen zunehmend eingeschränkt — ACTA, ESM, INDECT (1) sind für mich Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht. Außerdem will ich meine Söhne nicht im Krieg verlieren. Ich musste einfach aktiv werden.

Aktiv werden heißt was?

Zum Thema ESM habe ich 2012 alle Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und halb NRW direkt angeschrieben und erläutert, warum der ESM nicht befürwortet werden darf. Am Tag der Abstimmung zum ESM gab es Proteste, gleichzeitig fand der Hungermarsch gegen Nahrungsmittelspekulation von Frankfurt nach Berlin statt. So fing meine Demo-„Karriere“ an. Mein Mann und ich schlossen uns dem Hungermarsch ab Erfurt für 3 Tage an und haben auch die letzten zwei Etappen nach Berlin mitgemacht. Bei den Protesten gegen INDECT und Monsanto und für ein Recht auf sauberes Trinkwasser bin ich zuerst mitgelaufen, wurde aber zunehmend als Sprecherin aktiv. Am 12. April 2014 haben wir in Bremerhaven die erste Mahnwache organisiert; anschließend war ich jeden Montag auf der Straße.

In der Mahnwachen-Szene bist du sehr bekannt. Wie kommt das?

Das kam durch meine Rede bei der ersten bundesweiten Mahnwache im Juli 2014 in Berlin. Bei der Mütterrede ging es nicht um die klassischen Themen der Politik, sondern ich machte — mit Bezug auf das alte Griechenland — deutlich, was Krieg aus der Sicht der Mütter heißt. Es ging um Lysistrata und die Möglichkeit der Frauen, durch Liebesentzug den Kriegen der Männer ein Ende zu setzen. Darauf folgten Anfragen, ob ich auch woanders reden könnte. Im Herbst bin ich von einer MW zur nächsten gefahren, immer mit anderen Themen. Bei der ersten globalen Mahnwache am 6. Dezember gab es in Wien dann die „Arschloch“-Rede.

Bitte was?

Die Mahnwachen waren 9 Monate alt, es war an der Zeit, das Kind auf die Welt zu bringen. Unser Kind hatte viele Eltern. Aber damals begann bereits die leidige Distanziritis. Das wollte ich mit der A-Rede verdeutlichen. Kurz erzählt: Die Organe des Körpers streiten sich, wer der Boss ist. Das Hirn, weil es voraus denkt, die Augen, weil Sehen so wichtig ist, die Ohren, die Beine … Zum Schluss sagt das A-loch: „Ich bin der Boss“, worauf es alle auslachen. Da meinte das A-loch: „Dann seht zu, wie ihr ohne mich auskommt“ - und stellte die Arbeit ein … Die Folgen waren so unangenehm, dass alle nachgaben. Das zeigt: Selbst Arschlöcher sind wichtig — und wenn nur, um zu demonstrieren, wie es nicht sein sollte.

Wie lange warst du auf den MW dabei?

Meine letzte war 2016 die 100. in Hamburg, seitdem fahre ich lieber Protestkonvois. Das Absperren durch Polizei und die Auseinandersetzung mit den Antifanten ging mir auf die Nerven.

Wie kam es zu den Protestkonvois?

Bei der Demo in Ramstein waren wir so eingekesselt, dass niemand Zugang zur Demo hatte. So entstand die Idee der mobilen Mahnwache. Schließlich wollen wir ja von Menschen gesehen und gehört werden, die nicht bei der Demo aktiv sind. Den ersten Konvoi gab es zur 3. bundesweiten Mahnwache. Wir sind mit unseren bemalten Fahrzeugen in Hannover gestartet und bis Berlin gefahren. Mein Wohnmobil „Das Friedens-Mutterschiff von Deutschland“ fuhr voraus. Seitdem fahren wir regelmäßig. Das Schöne am Konvoi ist, dass man ihn nicht aufhalten kann. Werden wir von der Polizei gestoppt, stehen unsere Fahrzeuge gut sichtbar am Straßenrand. So gibt es jede Menge Aufmerksamkeit von Passanten und Autofahrern, die Zeit haben, die Texte auf unseren Fahrzeugen zu lesen. Es wäre mein Traum, wenn sich in den Städten kleine Gruppen zu Konvois aufraffen könnten, als deutschlandweite Dauerdemo. Leider haben die meisten Hemmungen, ihre PKWs zu beschriften. Aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten, für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Welche denn?

Guerilla-Dekorateure beispielsweise. Jeder kann seine Fenster mit Friedensparolen beschriften, Post-its mit Web-Adressen an Supermarktregale hängen, Kreidebotschaften auf der Straße hinterlassen oder free21 in Wartezimmern von Ärzten oder Friseuren verteilen. Das Dekorieren der eigenen Stadt ist jedem mit ganz geringen Mitteln möglich. Man braucht keine Orga, muss sich mit niemandem abstimmen, um eigene Themen an die Öffentlichkeit zu bringen. Solange man nichts verwendet, was nicht einfach, rückstandslos und unzerstört entfernt werden kann, ist das ganz problemlos. Jeder hat andere Trigger. Irgendwann sieht der Richtige das richtige Thema — das wäre eine Methode, um Menschen Impulse zu geben. Der Mainstream berichtet über vieles nicht. So können wir Aktivisten informieren. Die Mahnwachen waren eine Informationsbewegung. Wir haben über Dinge informiert, die nicht bekannt werden sollten. Das war meines Erachtens einer der Gründe, warum wir so sehr angegriffen wurden.

Was hast du 2018 vor?

Wir werden wieder Konvois fahren. Dann gibt es die 4. bundesweite Mahnwache zu Pfingsten und auch bei Pax Terra Musica möchte ich dabei sein, wenn es der Garten erlaubt. Ansonsten mache ich Videos und poste im Netz zu den verschiedenen Themen — solange sie mich noch lassen. Das setze ich fort. Mir ist wichtig zu vermitteln, dass der Frieden vom Einzelnen im direkten Kontakt mit dem eigenen Umfeld ausgehen muss. Wer sich ständig streitet, trägt dazu bei, dass Krieg nicht aufhört. Es ist Wandel im Bewusstsein der Menschen nötig. Die Gier nach Geld, nach Aufmerksamkeit, nach Macht muss ein Ende finden, bevor wir eine friedliche Welt haben können. Das ist ein Generationenprojekt, das mit der Erziehung der Kinder beginnt.

Wir müssen aufhören, Recht haben zu wollen. Andere müssen nicht so denken wie ich. Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden. Schluss damit, das Haar in der Demo-Suppe zu suchen. Nicht meckern und um „nichts“ streiten, sondern selbst tun und für Veränderung sorgen. Diese Entwicklung muss in Gang gesetzt werden, den Erfolg werden wir nicht mehr sehen, aber jemand muss damit anfangen.

Dann wünsch ich dir und uns weiter viel Geduld


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Jenny Friedheim, Jahrgang 1958, geboren und wohnhaft in Bremerhaven, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Die gelernte Bibliothekarin war früher Unternehmerin und ist heute Hausfrau und überzeugte Freiheitsaktivistin. Zu ihren Hobbys zählen Neugier, Naturwissenschaft, Psychologie, Geschichte, ihre Tiere, Garten und Selbstversorgung sowie Reisen mit dem Wohnmobil.


Quellen und Anmerkungen:

(1) ACTA: Anti-Counterfeiting Trade Agreement; ESM : Europäischer Stabilitätsmechanismus; INDECT: (englisch Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment) war ein EU-Forschungsprojekt im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms im Bereich der „intelligenten Sicherheitssysteme“


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