Neulich twitterte Armin Nassehi, Soziologe und Einflussagent im Auftrag des „Zentrum Liberale Moderne“ etwas zum Selbstmord einer österreichischen Ärztin und Impfaktivistin namens Lisa-Maria Kellermayr. Er schrieb: „Sie haben es angekündigt: Zuerst räumen wir auf, jeder in seinem Land.“ Damit zitierte er Ulrike Guérot, nämlich einen Satz aus ihrem Buch „Wer schweigt, stimmt zu“. Auf diese Weise schob er der Politikwissenschaftlerin die Verantwortung für den Freitod der genannten Medizinerin in die Schuhe.
Schon vorher las man einiges über den Fall dieser Lisa-Maria Kellermayr. Selten Konkretes, bestenfalls Spekulatives. Aber immer Moralisches! Sie sei Opfer der wütenden Impfverweigerer geworden, die seit geraumer Zeit nur noch als Querdenker bezeichnet werden. Weil diese ihr sicher auch etliche Drohungen zukommen ließen, habe sich die Frau entschlossen, ihr Leben zu beenden. Keiner weiß, ob dem so ist. Aber der Vorwurf steht trotzdem im Raum.
Suizid ist die Entscheidung eines Einzelnen
„Die Querdenker“ galten recht schnell als die eigentlichen Mörder. Sie hätten die Frau so fertiggemacht, ihr dermaßen zugesetzt, dass sie keinen anderen Ausweg mehr wusste. Man las, dass sie Morddrohungen bekam. Wütende Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten, beschimpften sie außerdem in den Netzwerken. Die Wut rekrutierte sich aus der Tatsache, dass sich Kellermayr aktiv für eine allgemeine Impfpflicht einsetzte: also die körperliche Versehrtheit anderer Menschen in Kauf nahm. Dass das wütend machen kann, sollte man nicht einfach so verdrängen. Doch trotz all dem sind Morddrohungen selbstverständlich zu verurteilen.
Toten wirft man nichts nach. Aber eine Frage sei doch bitte gestattet. Auch posthum.
Woher kommt diese allgemeine Empörung, wenn sich Menschen, die sich ganz offen und aktiv ihre Ansichten zu Markte tragen, mit Kritik und dem Zorn von Leuten auseinanderzusetzen haben, die von der exponierten Meinung betroffen sind?
Man kann nicht an die Öffentlichkeit drängen, sie mit der eigenen Meinung beglücken und sich dann mit Sensibilität herausreden. Wer mitmischt am Meinungsmarkt, sollte sich beizeiten überlegen, ob er mit den Konsequenzen leben kann oder nicht.
Bevor mich hier all jene falsch verstehen, die aus reinem Lebenszweck heraus auf falsches Verstehen spezialisiert sind: Mit Konsequenzen meine ich sicher nicht, dass man jemandem den Tod androht. Aber die Wut, die harten Worte: Das sollte man aushalten können. Auch das ist demokratischer Usus.
Überhaupt ist es kurios, uns nun erklären zu wollen, dass die Frau sich selbst das Leben nahm, weil ihr andere nach dem Leben trachteten. Logisch klingt das nicht. Muss es aber auch nicht. Und grundsätzlich führt diese Debatte eh an einem zentralen Punkt vorbei.
Nämlich, dass im Wesentlichen gilt:
Es gibt nur eine Person, die für einen Suizid verantwortlich ist, ausschließlich diejenige, die ihn an sich selbst vollzieht.
In Ausnahmefällen kann man zwar davon sprechen, dass jemand dazu getrieben wurde: Sokrates etwa. Oder wenn man in einem Verließ vermodert. Als Galeerensklave etwa. Oder auch wenn man aus einem Arbeitslager keinen anderen Ausweg mehr weiß. Aber in einer freien Gesellschaft — und in der zu leben haben die Apologeten der Corona-Biederkeit immer zu betonen gewusst —, sieht die Situation anders aus. Hier sind Menschen als handelnde Individuen selbstverantwortliche Subjekte. Was sie lassen oder tun, dafür sind sie selbst zuständig.
Schwarzpädagogik in Reinkultur: Du bist schuld, wenn …
Welche Vorstellung von jemandem vorherrscht, der sich das Leben nimmt, erstaunt am Ende schon sehr. Um nicht zu sagen, die fingierte Schuld der Querdenker — oder von Ulrike Guérot — gründet auf einer derart naiven Haltung, dass ich geneigt bin, die Konstrukteure solch kampagnenhafter Rhetorik als Dilettanten abzutun. Niemand verübt Suizid, weil er oder sie eine Weile lang mit der Umwelt nicht klarkommt. Das ist doch eine geradezu groteske Verzerrung der Wirklichkeit, eine Reminiszenz an jenen leichtfertigen Werther, dessen Selbstmord vielleicht literarisch, aber nie und nimmer psychologisch nachvollziehbar war.
Niemand entleibt sich so einfach. Nicht ohne Vorgeschichte. Oft ist diese Vorgeschichte recht umfangreich. Wird bestimmt von einer psychischen Erkrankung. Wissen wir davon etwas im Falle von Frau Kellermayr? Im Grunde geht uns ihre Krankengeschichte auch gar nichts an — auch jetzt, auch nach ihrem Ableben nicht.
Im Regelfall funktioniert der Suizid nicht nach dieser allgemeinen Vorstellung, dass jemand zur finalen Lösung übergeht, weil er in seinem Leben unglücklich ist. Mancher mag zwar in so einer Lebensphase an ein Ausscheiden aus dem Leben denken, zum Beispiel wenn eine Liebe zu Ende geht. Aber das bedeutet nicht, dass man diesen Gedanken sofort Taten folgen lässt. Die psychische Konstitution eines Menschen, der bei einer ersten Lebenskrise sofort zum Freitod übergeht, wäre wirklich zu hinterfragen — und nicht selten werden Suizidäre psychologisch betreut.
Die österreichische Ärztin wird also nicht einfach nur wegen der Stimmung gegen sie aus dem Leben ausgeschieden sein. Vermutlich plagten sie auch ganz andere Geister. Solche, die man eher nicht öffentlich thematisiert.
Wahr ist aber schon, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung schlechter mit Druck umgehen können. Daraus aber abzuleiten, man sollte jetzt in der Debattenkultur lieber schweigen, weil das Gegenüber unter Umständen überreagiert und sich was antun könnte, kann auch keiner verlangen. In einer solchen Haltung spiegelt sich schwarze Pädagogik in Reinkultur wider — ganz nach dem Motto: Du bist schuld, wenn sie sich das so zu Herzen nimmt …
Medien und Bürger: Eine toxische Beziehung
Solche Sprüche wirft man zu Recht Eltern vor, wenn sie ihrem Nachwuchs so begegnen. So machen sie ihrem Kind ein schlechtes Gewissen, erziehen es zu Duckmäusertum. Wer mit Druck arbeitet, jedes nicht adäquate Verhalten des Kindes damit kontert, dass „jetzt die Mama aber sehr sehr traurig ist“, wandelt auf den dunkelsten Wegen der Pädagogik.
Wer das jetzt Menschen vorhält, die mit der übergriffigen Forderung einer Medizinerin nicht einverstanden waren, die sie kritisierten, sich wütend ihr gegenüber äußerten, der übt sich im schwarzen Fach tumber Erziehungsarbeit.
Mit einem aufgeklärten, einem selbstverantwortlichen Weltbild ist so eine Unterstellung jedenfalls nicht vereinbar. Aber um Aufklärung — oder um deren explizite Werte — geht es bei dem, was der Medienbetrieb aufmüpfigen Bürgerinnen und Bürgern unterstellen will, schon lange nicht mehr.
Die Medien haben die Rolle eines oben skizzierten Elternteils übernommen. Sie unterstellen, versuchen sich in der Schaffung eines schlechten Gewissens, verängstigen, weisen Verantwortungen und Zusammenhänge zu, die bei näherer Betrachtung keiner Logik standhalten. Zudem versuchen sie dauernd, ihre Anschauung als die einzig wahre Wirklichkeit zu deklarieren, an der man nicht vorbeigehen darf, will man beachtet werden. Kurz und gut: Medien und Bürger harren in einer toxischen Beziehung aus.
Der tragische Fall der Lisa-Maria Kellermayr belegt das wieder mal eindrucksvoll. Kein Mittel ist zu dumm, um die Widerspenstigen im Lande zu diskreditieren und für gemeingefährlich zu erklären. Hierzu instrumentalisiert man gar eine menschliche Tragödie, den Suizid einer Frau, von deren Privatleben man wenig weiß, die aber zur Märtyrerin stilisiert wird.
Zum Opfer von Menschen, die nicht brav und bieder abnickten, was die Regierung mit ihnen plante. Der Freitod dieser Frau ist aber nicht die Verantwortung derer, die sie hart kritisiert haben. Wer das konstruiert, wendet die Methoden einer radikalautoritären Erziehungspraktik an, die nur eines im Sinn hat: Menschen zu brechen und mundtot zu machen.
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.