Kürzlich habe ich auf Instagram einen Beitrag gesehen, in dem Tipps gegeben wurden, wie man mit FOMO umgeht, wenn man nicht zu den Konzerten des puertoricanischen Sängers Bad Bunny auf seiner Heimatinsel gehen kann.
FOMO, oder Fear of missing out, ist ein Ausdruck, der verwendet wird, um die Angst oder Unruhe zu beschreiben, die manche Menschen empfinden, wenn sie Ereignisse oder Erfahrungen verpassen, die ihnen lohnenswert erscheinen.
Bad Bunny plante eine Reihe von 30 Konzerten in San Juan, Puerto Rico, und was als Welttournee mit 24 Auftritten geplant war, musste auf über 50 Konzerte ausgeweitet werden, weil die Eintrittskarten innerhalb weniger Stunden ausverkauft waren.
Millionen von Menschen konnten sich Tickets sichern, und Millionen andere, die sich den Eintritt leisten konnten, bekamen keine mehr. Diese Millionen verspüren nun das FOMO-Gefühl, nicht Teil dessen sein zu können, was mehr als nur ein Konzert zu sein verspricht: ein Meilenstein der Popkultur, der die lateinamerikanischen und karibischen Wurzeln durch die Stimme eines 30-Jährigen, der seine Insel nicht verlassen will, weltweit bekannt macht.
In der Nacht, in der ich diesen Beitrag sah, der beim Umgang mit FOMO wegen Bad Bunny half, war es sechs Jahre her, dass Habana Abierta, eine der provokantesten und beliebtesten Bands der kubanischen Musik, in einem kleinen Küstenort 30 Kilometer von meiner Stadt entfernt auftrat.
Es war 2019, ich war 17 Jahre alt und meine Mutter wollte nicht, dass ich hinging. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn die Musiker von Habana Abierta nicht seit einigen Jahren im Ausland, vor allem in den USA und Spanien, leben würden. Es war eine einmalige Gelegenheit, sie zu sehen, ihnen zuzuhören und mit meiner Generation die Songs zu singen, die für uns sprechen, auch wenn sie geschrieben wurden, als wir noch zu klein waren, um sie zu verstehen.
Etwas, das sich wahrscheinlich nie wiederholen wird.
Es wird nie wieder am selben Ort sein, nie wieder mit denselben Menschen, und ich werde nie wieder 17 sein und glauben, dass die Welt einfach und schön ist, wenn Musik und Freunde in der Nähe sind. Das Leben in Kuba ist eine ständige FOMO. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen. Denn in Kuba zu leben bedeutet, ständig etwas zu verpassen.
Wir Kubaner, vor allem diejenigen, die auf der Insel leben, können die meisten unserer Lieblingskünstler nicht sehen.
Kuba steht auf keiner Welttournee-Liste, und es ist unmöglich, in ein anderes Land zu reisen, um ein Konzert zu besuchen.
Der kubanische Pass ermöglicht die visumfreie Einreise in etwa 30 Länder. Für einige wenige weitere Länder reicht es aus, mehrere tausend Dollar auf einem Bankkonto zu haben. Der Durchschnittslohn eines Kubaners beträgt 10 Dollar im Monat. Und er sinkt immer weiter, da der kubanische Peso täglich an Wert verliert.
Wir können weder sparen, noch uns ein Flugticket leisten. Von Konzertkarten und Auslandsreisen ganz zu schweigen.
Im Juni 2022 gab Pablo Milanés, eine der stärksten und repräsentativsten Stimmen der traditionellen kubanischen Trova-Musik, sein letztes Konzert auf der Insel. In Havanna.
Ich war in meiner Stadt, etwa 750 Kilometer entfernt von dem Ort, an dem Pablo meine Freunde und Hunderte von Menschen aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten begeisterte.
Ich konnte nicht hingehen, weil ich mir keine Unterkunft in Havanna leisten konnte und weil es keine Fahrkarten gab, weder für den Zug noch für den Bus oder das Flugzeug, um in die Hauptstadt zu gelangen.
Wir verpassen nicht nur Dinge, die außerhalb stattfinden, sondern auch Dinge, die ganz in unserer Nähe geschehen. Nur 12 Stunden mit dem Bus oder 45 Minuten mit dem Flugzeug entfernt.
Wir können auch nicht an großen Festivals teilnehmen, Kinopremieren oder Serien im Streaming sehen. Wir haben keinen normalen Zugang zu Netflix oder Spotify.
Aber es ist nicht nur die Musik, die wir verpassen. Es gibt Freunde, die ich seit vier Jahren nicht gesehen habe. Ich konnte nicht miterleben, wie sie Autofahren gelernt haben, wie sie Eltern geworden sind oder wie sie in die kapitalistische Arbeitswelt eintreten, weil sie außerhalb Kubas leben.
Familien verpassen, miteinander Geburtstage, Weihnachten, Feiertage zu feiern, weil sie getrennt sind.
Diejenigen, die außerhalb Kubas leben, verpassen die Stromausfälle, das Aufwachsen ihrer Cousins, die Mangos und Avocados im Sommer und die Grüße ihrer Nachbarn. Wir, die drinnen sind, sehen die draußen wie in einem Film, denn alles geschieht hinter einem Bildschirm, und wieder einmal können wir nicht dabei sein.
Das Leben in Kuba ist ein ständiges Trauern. Wir verlieren ständig etwas. Freunde, Gewohnheiten, Lebensmittel, Zeit, Bräuche, Orte. Das Schlimmste ist, dass wir, obwohl wir äußerst nostalgisch sind, auch alles vergessen.
In Memorias del subdesarrollo (Erinnerungen an die Unterentwicklung), einem der besten Filme des kubanischen Kinos unter der Regie von Tomás Gutiérrez Alea, wird prägnant festgestellt: In unterentwickelten Ländern hat nichts Bestand, alles wird vergessen. Die Menschen sind nicht konsequent.
Memorias del subdesarollo begleitet Sergio, einen kubanischen Bourgeois, der nach dem Sieg der Revolution beschließt, in Kuba zu bleiben. Seine Familie und seine Frau wandern aus. Er nicht. Er will sehen, was passiert, ohne selbst ein Teil des Geschehens zu sein. Der Film, der heute genauso aktuell ist wie bei seiner Premiere 1968, ist sein Beichtstuhl.
Sergio hinterfragt alles, ebenso wie ich. Und er erinnert sich zu gut. Deshalb verstehe ich nicht, wie die Kubaner so schnell vergessen können, wie sie sich daran gewöhnen können, dass ihnen alles genommen wird, und sie nicht einmal in der Lage sind, sich zu wehren.
Seit vier Jahren wird jeden Tag der Strom abgeschaltet.
Vor anderthalb Monaten wurde uns der uneingeschränkte Zugang zum Internet entzogen.
Vor drei Jahren begann man, uns unsere Familien und Freunde wegzunehmen, indem sie zur Massenauswanderung gezwungen wurden. Migration gab es in Kuba schon immer, aber in den letzten Jahren hat sie ein beispielloses Ausmaß angenommen.
Vor fast 70 Jahren wurde uns der Zugang zur Welt, zu Informationen und zu freien Wahlen genommen.
Und es ist uns egal.
Anscheinend haben die meisten keine Angst davor, ihre Freiheit, ihre Stabilität und sogar den Traum von einer ganzen Nacht ohne Stromausfall zu verlieren.
Niemand fragt sich, warum es unmöglich ist, ein Konzert von Bad Bunny zu besuchen, warum kein internationaler Sänger auf die Insel kommt und warum wir diejenigen, die hier leben, kaum zu sehen bekommen.
Warum können wir nicht sparen und in den Urlaub fahren, sei es auch nur in den nächsten Ort, wie es unsere Freunde und Verwandten tun, die im Ausland leben?
Warum können wir nicht andere Kontinente kennenlernen und dann zurückkehren, um unser Leben in unserem Land zu leben, kubanische Kinder zur Welt zu bringen und sie in ihrer Heimat aufwachsen und glücklich zu sehen?
Warum wollen die meisten jungen Menschen, auch wenn es nicht alle zugeben, von hier weg?
Warum haben wir kein anständiges Essen auf dem Tisch, kein Fleisch, kein Gemüse, keine Milchprodukte, keinen Nachtisch?
Wenn man einen durchschnittlichen Kubaner fragt, wird er mit einem unserer typischsten Sätze antworten: „Imagínate, ¿qué vamos a hacer?“ Das ist schwer zu übersetzen, aber im Wesentlichen bedeutet es: „Was können wir schon machen?“ Es ist es die Annahme, dass wir all unser Unglück verdienen.
Auch ich frage mich, was wir tun sollen. Wie viele Konzerte werde ich noch verpassen? Wie viele Jahre werde ich meine Freunde nicht sehen? Was wird als Nächstes in meiner Stadt verschwinden? Werde ich jemals ein freies Kuba erleben? Werde ich jemals aus Kuba weggehen können?
Es gibt keine Antworten.
Die größte FOMO, die ich in meinem Leben habe, ist genau das: mein Leben zu verpassen, es niemals wirklich zu führen.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text wurde von der Autorin exklusiv für Manova verfasst. Er wurde von Elisa Gratias aus dem Spanischen übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratsteam lektoriert.

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