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Der Landwirt-Lockdown

Der Landwirt-Lockdown

Angesichts der existenzgefährdenden Ampelpolitik sind Landwirte und weitere systemrelevante Branchen fest entschlossen, das Land lahmzulegen — ob das gelingt? Teil 1 eines Vor-Ort-Berichts.

Die klirrende Kälte können die Landwirte gut aushalten. In München herrschen an diesem mit Spannung erwarteten 8. Januar Minusgrade. Doch die Landwirte aus dem oberbayerischen Umland hält das nicht fern. Sie kochen vor Wut und nichts hindert sie daran, Dampf abzulassen im urbanen Raum, dem Ort, an dem sie in Vergessenheit geraten zu sein scheinen.

Eine ganze Traktorflotte hat sich in der Münchner Ludwigstraße formiert. Für einen Städter ist es doch ein imposantes Erlebnis, diese mächtigen Maschinen einmal ganz in Ruhe, im Stillstand und aus nächster Nähe zu betrachten. So stark ist der Kontrast zu den vergleichsweise zerbrechlich anmutenden Elektro-Flitzern in Gestalt von E-Scootern, E-Autos und E-Bussen, die zunehmend das urbane Stadtbild dominieren.

Der Traktor als solcher wirkt wie ein Relikt aus einer alten Zeit, als die Fortbewegungsmittel noch stanken und einen höllischen Lärm machten. Neben der Cupra-Filiale am Münchner Odeonsplatz wirkten sie irgendwie fehl am Platz. Und doch würde ohne diese Multi-PS-Maschinen im landwirtschaftlichen Sektor nichts mehr gehen.

Das ganze Aufgebot der Landwirte samt ihrer Maschinen gleicht einem an die Städter gerichteten Denkzettel, der da lautet: „Wir sind die, denen ihr euer Essen auf dem Teller verdankt.“ Gerade junge Städter dürften in Zeiten von Lieferapps in weiten Teilen den Bezug zu Nahrungsmitteln und ihrer Entstehung verloren haben. Die Entfremdung beider Welten sollte an diesem Tag noch öfters durchschimmern.

Ich selbst erinnere mich nicht daran, wann ich zuletzt Landwirte persönlich getroffen habe — schon gar nicht in dieser riesigen Anzahl. Den Bäuerinnen und Bauern ist anzusehen, dass sie in Zeiten von KI und Home Office noch zu denen gehören, die draußen bei Wind und Wetter mit den Händen arbeiten. Alle haben entweder eine stämmige oder kräftige Figur, die Haut ist von der Kälte gerötet und die Hände zeugen von Arbeiten abseits von Tastatur und Maus.

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Fotos: Nicolas Riedl

Aufstand mit angezogener Handbremse

Der Hauptanziehungspunkt der Proteste war die Bühne des bayerischen Bauernverbands vor der Feldherrenhalle auf dem Münchner Odeonsplatz. Hier wurde der Protest in altbekannter Form ausgetragen: Eine zentrale Bühne, wenige Menschen, die auf ihr sprechen, und eine breite Menschenmasse, die das Gesprochene entweder mit Applaus oder mit Buhrufen quittierte. Die Moderation übernahm der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes Günther Felßer.

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Fotos: Nicolas Riedl

Die Redebeiträge enthielten Unmengen an Schilderungen von absurdesten Gesetzes-Auflagen und Vorschriften, die fachfremde Bürokratie-Schreibtischhengste erfahrenen Landwirten auferlegen. Beispielsweise, dass selbst bei kleinsten Holzverkäufen der Holzeinschlag detailliert, das heißt mit lateinischer Bezeichnung der Bäume, Geodaten und Holzmenge, in einer Brüsseler Datenbank hinterlegt werden muss.

Ab Minute 1:59:03

Thematisch ging der Horizont jedoch selten über die Kfz-Steuerbefreiung und die Agrardiesel-Rückerstattung hinaus. Die für die Landwirte so schädliche Agrarpolitik der Ampel wurde schlicht auf Ahnungslosigkeit und Unfähigkeit der Ampelregierung zurückgeführt.

Der Gedanke, dass sich Vorsatz dahinter verbergen könnte — etwa im Zusammenhang mit einer grünen Transformation im Sinne einer globalen Agenda — wurde ob seines ketzerischen Gehalts gar nicht erst verbalisiert. Im Gegenteil hatte sich der Bauernverband schon vor dem Protest vollumfänglich zu den Klimazielen bekannt, in deren Namen die Existenz der Bauern vernichtet wird.

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Foto: Nicolas Riedl

Zugleich enthielten einige Redebeiträge auch unerträgliche Selbsteinschränkungen, die den Effekt hatten, die potenzieller Veränderungsenergie im Sande verlaufen zu lassen. Fleißig distanzierten sich die Redner von allem möglichen, sei es von Gruppierungen, die als „rechtsextrem“ abgestempelt wurden, oder von der Fähren-Affäre mit Robert Habeck.

Es war ganz klar ersichtlich, dass Felßner alles versuchte, um um die Gunst der Leitmedien zu buhlen, damit diese den Protest ja nicht in einen unliebsamen Frame packten. Darüber hinaus enthielt — gefühlt jeder vierte Satz — die Betonung, wie demokratisch und dialogbereit man sei und es darum gehe, Signale zu senden. Die Antwort auf die Frage, was Signale bewirken sollen, wenn sie an taube Ohren in Berlin gesendet werden, blieb Felßner den Anwesenden schuldig.

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Foto: Nicolas Riedl

Wie es die Ampelregierung selbst mit Dialog- und Kompromissbereitschaft hielt, zeigte sie noch am selben Tag, als sie die Aussetzung der Agrardiesel-Subvention unbeirrt fortsetzte. Entsprechend ertranken die Redepassagen in Buhrufen, wenn diese sich zu sehr der Regierung oder den Leitmedien anbiederten. Generell entstand immer wieder eine Kluft zwischen Bühne und der versammelten Menge. Offenkundig wollte sich ein Großteil der Demonstranten nicht mit kosmetischen Korrekturen und bloßen Symptombehandlungen zufrieden geben.

Den Höhepunkt — oder sollte man lieber von einem Tiefpunkt sprechen? — stellte der Redeversuch des Grünen Abgeordneten Karl Bär dar. Obwohl Felßner an die Anwesenden appellierte, einen demokratischen Dialog durch Zuhören zu ermöglichen, musste der grüne Bär gegen einen Schwall an Buhrufen anbrüllen.

Anders als Cem Özdemir drückte er seine Rede gegen alle Widerstände durch die akustische Mauer aus Buhrufen. Dabei unternahm er den lachhaften Versuch, den Zorn der Bauern damit zu besänftigen, dass eine Reform des Düngerrechts auf dem Weg sei. Aus diesem Grund war jedoch keiner der Landwirte gekommen — zumindest nicht in erster Linie. Entsprechend scheiterte er damit, die Wogen auch nur im Ansatz zu glätten. Im Gegenteil stieg mit jeder weiteren Silbe der Pegel der „Hau ab!“-Rufe. Das lag unbestreitbar auch an den Selbstwidersprüchen, in die er sich binnen weniger Minuten verstrickte.

So legitimierte er seinen Auftritt auf der Bühne damit, dass es zur Demokratie gehören würde, dass jemand wie er hier sprechen dürfe. Wenige Minuten später brachte er seine Freude zum Ausdruck, dass sich der Bauernverband von den „Reichsbürgern, Querdenkern und Rechtsradikalen“ distanziert habe, woraufhin der Odeonsplatz zu brodeln begann.

Daraufhin verstand der grüne Bär gar nichts mehr. „Warum pfeift ihr mich aus, wenn ich euch lobe dafür, dass ihr euch von Rechtsradikalen distanziert?“, rief er beleidigt in die Menge. Er verstand wohl wirklich nicht, dass der Unmut der Menge daher rührte, dass Teile der Anwesenden sich nicht einverstanden gaben, sowohl mit der Distanzierung von gewissen Menschen(gruppen) als auch mit der teilweise ungerechtfertigten „Rechtsradikal“-Etikettierung selbiger. Die Bäuerinnen und Bauern wussten wohl nur allzu gut, wie schnell man die diskreditierenden Labels von Politik und Leitmedien aufgedrückt bekommen kann.

Nach einer überaus kurzen Rede — länger wäre sie unter den beschriebenen Umständen wohl nicht möglich gewesen — verließ Bär kurz angebunden und beleidigt das Rednerpult.

Grüner Bundestagsabgeordneter Karl Bär auf Bauerndemo ausgebuht — Odeonsplatz München 08.01.2024

Nebenschauplatz

Bei all dem Distanzierungsgebahren des Bauernverbandes war es absehbar, dass sich eine „abtrünnige“ Splitterdemo formieren würde. So hielt die aus der Münchner Corona-Opposition bekannte Gruppierung „Kinder stehen auf (KSA)“ eine Veranstaltung am circa einen Kilometer entfernten Königsplatz ab.

Im Gegensatz zu den rund 8.000 Teilnehmern auf der Ludwigstraße, hatten sich hier gerade einmal 100 bis 200 Menschen versammelt. Traktoren blieben der Veranstaltung fern. Nach Aussagen des KSA-Aktivisten Marcel seien die Traktoren behördlicherseits vom Königsplatz weggeleitet worden, mit der Begründung, dort würde keine Demo stattfinden. Auf diese Mitteilung reagierte die Versammlung erwartungsgemäß mit großer Empörung.

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Foto: Nicolas Riedl

Auf der vergleichsweise kleinen Bühne sprachen unter anderem Alexandra Motschmann (die Basis), Uli Henkel (AfD) und einer der Köpfe von „München steht auf“. Im Tenor zielten die einzelnen Redebeiträge darauf ab, die immer vielschichtiger werdende Spaltung zu überwinden. Ob das fruchtet, werden die nächsten Tage zeigen.

Live #Bauernproteste, 08. Januar 2024, München + Weitere Berufsgruppen

Aufbruchstimmung

Zurück am Odeonsplatz herrschte schon Aufbruchstimmung. Ob der eisigen Temperaturen war es den Landwirten nicht zu verübeln, dass sie sich auf den Heimweg machten. Immerhin waren sie schon seit den frühen und bitterkalten Morgenstunden auf den Beinen. Bedauerlicherweise war es mir in dem Aufbruchstrubel nicht mehr möglich — wie ich es eigentlich nach Demoende vorgehabt hatte — mit einigen der Bäuerinnen und Bauern zu sprechen. Überall setzten sich Traktoren laut hupend und mit knurrenden Motoren in Bewegung.

Als sich der zuvor prallvolle Odeonsplatz wieder nahezu gelehrt hatte — und die Bauern diesen wie versprochen sehr sauber zurückließen — erregte ein junger Mann in den Mittzwanzigern die Aufmerksamkeit der verbliebenen Landwirte. Provokant trug er ein Pappschild vor sich her, mit der Aufschrift „Dieselbesteuerung ist gut für das Klima“, grafisch ergänzt mit der Zeichnung einer brennenden Erde, die mit Öl begossen wird.

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Foto: Nicolas Riedl

Das zeigt einmal wieder die oben schon beschriebene Entfremdung zwischen Städtern und Landwirten. Dieser junge Mann war mehr um die Klimaerwärmung besorgt als um die Nahrungsmittelversorgung hierzulande. Ob er sich schon vorher unter die Bauerntraube gemischt hatte — was durchaus mutig gewesen wäre — kann ich leider nicht beurteilen. Von den umstehenden Bauern erntete er teils missmutig Blicke, doch im weiteren Verlauf — so beobachtete ich es aus einer gewissen Ferne — kam er mit einigen Demonstranten ins Gespräch, das offensichtlich auf Augenhöhe geführt wurde. Vielleicht hat der pluralistische Geist des offenen Diskurse zumindest in Teilen vom Königsplatz auf den Odeonsplatz übergriffen.

Als die Rücklichter der letzten Traktoren am Horizont der Ludwigsstraße aufleuchteten, waren all meine Kamera-Akkus eingefroren. In Teil 2 werde ich von der Bauerndemo in Augsburg am 10. Januar berichten — sofern der Lokführer-Lockdown der GDL mir die Anreise überhaupt ermöglicht.


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