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Die Ethik des Teilens

Die Ethik des Teilens

Von wegen „Es lebe der Profit!“.

von Jason Holland

Ist Teilen ethisch-moralisch vertretbar?

Lassen Sie mich ausreden. Mir ist schon klar, dass die Idee einer gerechten Verteilung für den hochentwickelten US-amerikanischen Geist vulgär erscheinen, ja sogar ein paar Gemüter zu erhitzen vermag.

Die bloße Vorstellung vom Teilen, ohne dafür etwas zurückzubekommen, könnte die guten Kapitalisten unserer Welt in Versuchung bringen, mich angewidert anzuspucken, mich Kommunistenabschaum zu nennen und vielleicht auch einen Krieg gegen mich zu führen. Und vielleicht hätte ich das ja verdient, aber trotzdem dachte ich mir, dass ich die extrem kontroverse Idee des Teilens mal ansprechen sollte – und wenn auch nur, um einfach den Advokaten des Kommunisten zu spielen.

Von notwendigen Übeln

Oberflächlich betrachtet und vielleicht auch in Wirklichkeit scheint Teilen etwas Schreckliches zu sein. Die USA haben eine Fülle an Gütern und Ressourcen, die sie durch Finanz-Betrügereien und die Nötigung von Drittweltländern erworben haben; da würde uns ganz schön viel durch die Lappen gehen, wenn wir nun auf einmal mit einem gefährlichen „-ismus“ herumspielen würden. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir unsere Profite von damals, als wir durch einen Völkermord so genial das Land von den Ureinwohnern klauten, noch nicht maximal ausgeschöpft haben. Und wenn die USA nicht so viel Profit wie nur irgend möglich aus diesem Landraub herausschlügen, wären diese ganzen Eingeborenen ja umsonst gestorben.

Völkermord ist natürlich eine bedauerliche Angelegenheit, aber heutzutage ist allen klar, dass manche Schreckenstaten das notwendige Übel dafür waren, dass ein so großartiges Land wie das unsere entstehen konnte. Diese Art der Stärke erwächst nicht daraus, in der Prärie mit einem Wolf zu tanzen oder mit Peyote zugedröhnt ein rührseliges Ritual zu vollziehen. Der rasiermesserscharfe US-amerikanische Exzeptionalismus entstand durch Arschtritte und dadurch, dass wir uns das nahmen, was von Rechts wegen unser war, also alles. Juhu. Was uns nicht umbrachte und/oder indigene Völker auslöschte, machte uns nur stärker.

Ein bisschen Völkermord hier, ein wenig Sklaverei dort, mit einem Tröpfchen Kriegstreiberei, dazu ein Hauch Regime Change in einem Dutzend Ländern oder mehr – all dies bestärkte uns nur in unserem Vorhaben, die außergewöhnlich großartige Nation zu werden, die wir heute sind.

Und wir wurden nicht so großartig, indem wir teilten, das kann ich Ihnen sagen. Lassen Sie uns trotzdem um der Diskussion willen fragen: Wenn ein paar wenige reiche Eliten die Macht über all die Ressourcen haben und das niedere Fußvolk gar nichts hat, wäre es dann wirklich so schlimm für die Eliten, zu teilen? Würde sie das nicht zu richtig edelmütigen, gütigen Göttern machen? Und wäre das nicht bewundernswert?

Mörderische Ideen

Es ist jedoch offenkundig, dass das Teilen mörderische Ideen in alle jene pflanzt, die in seine düsteren Fänge geraten. Anders kann man sich die unzähligen Toten nicht erklären, die mit den „-ismen“ zusammenhängen, welche teilen wollen anstatt Gewinn zu machen.

Ich glaube nicht, dass profitorientierte Gesellschaften je etwas anderes getan haben, als Leute zu befreien. Es ist also sonnenklar, dass es nicht das korrupte hierarchische Regierungssystem ist, das diese vielen Toten verursacht hat. Die ruchlose Neigung, Dinge mit anderen teilen zu wollen, scheint direkt zur Gewalt zu führen.

Wie wäre es nun aber, wenn wir etwas gerecht verteilen und das Verlangen, unmittelbar danach jemanden zu töten, unterdrücken würden?

Ich verstehe ja den Drang, jemanden abstechen zu wollen, wenn man merkt, wie viel weniger Profit man durch das Teilen gemacht hat. Doch angesichts der Überlegenheit unserer Eliten – läge es da nicht in ihrer großartigen Macht, etwas herzugeben und dann das Verlangen zu unterdrücken, die Menschen in den Hunger zu treiben oder sie in Öfen oder Gulags zu werfen?

Und um der ehrlichen Recherche und Objektivität willen: Was wäre, wenn wir einfach Grund und Boden mit allen Menschen teilen würden?

Die Menschen müssten noch immer arbeiten, um ihre eigenen Lebensmittel anzubauen und ein Dach über dem Kopf zu haben, wie sie es auch jetzt tun. Aber was wäre, wenn die Reichen einfach das Land mit der Öffentlichkeit teilen würden, damit die Menschen darauf leben können, ohne der Regierung oder der reichen Elite etwas zu schulden?

Wären die Eliten tolerant genug, nicht sofort danach zu beginnen, Menschen einzusperren und abzuschlachten? Sie mögen vielleicht, nachdem sie das Teilen durchlitten haben, dazu neigen, zu randalieren oder Amok zu laufen, und wahrscheinlich hätten sie damit auch recht. Aber was wäre, wenn sie den Drang unterdrückten und wie ein Märtyrer-Messias den Schmerz der ganzen Menschheit auf sich nähmen und ihr Land teilten, so dass Menschen eigenständig nachhaltig leben könnten, ohne Einmischung durch Wirtschafts- oder Regierungsinteressen? Könnte das funktionieren?

Nehmen ist seliger denn Geben

Um all diese schwierigen Fragen zu beantworten, müssen wir jedoch erst unsere eigenen moralischen Überzeugungen hinterfragen. Und das selbstgerechte, nach Gewinn trachtende Herz darf sich nicht täuschen lassen und zum Opfer emotionaler Schwäche werden, wenn es mit dem Pathos konfrontiert wird, das die zarter Besaiteten der Herde zum unverantwortlichen Teilen bringen könnte.

Wir wissen doch, dass die Starken nicht teilen, sondern nehmen. Außerdem stellt das Teilen eine große Bürde für unsere Meistgeliebten dar, weil sie ja Wichtigeres zu tun haben als zu teilen. Wenn unsere lieben Eliten nichts anderes tun würden, als zu teilen, gäbe es all das nicht, was wir zum Leben brauchen – weil dann die Reichen keine Zeit mehr für ihre göttlichen Finanzspritzen hätten, die unsere gesamte Wirtschaft in Gang halten.

In der Tat ist das Teilen kontraproduktiv für die Reichen, weil sie dann ihre göttliche Pflicht, für das Gemeinwohl von der Arbeit anderer zu profitieren, vernachlässigen würden.

Unsere Eliten können sich auf dem Wissen ausruhen, dass sie durch das bloße Geldverdienen der Welt einen großen Dienst erweisen. Und es besteht kein Zweifel an der Bedeutung ihres Beitrags. Es wird stillschweigend anerkannt, dass wir ohne unsere einzigartigen Superstars gar nichts wären. Und wollten wir mehr an ihren Gewinnen teilhaben, würde das ja bedeuten, dass wir unseren Meistgeschätzten etwas stehlen; und die Reichen würden der Welt keinen Gefallen tun, wenn sie einfach Dinge verteilen würden. Bevor man an Geld kommt und Zugang zu Gütern erhält, müssen erst reale Fähigkeiten erworben werden; dies ist der moralische Weg.

Die Kunst der reichen Geburt

In dieser Beziehung sind die Eliten ein edles Vorbild, weil sie nur die nützlichsten Fähigkeiten wirkungsvoll ausgebildet haben. So haben beispielsweise die Eliten handwerkliche Fähigkeiten wie die Juristerei entwickelt, weil in einer kapitalistischen sozialen Hierarchie die Kunst des Hereinlegens mit Worten unschätzbar ist. Auch lernten die Eliten schon in jungen Jahren die Kunst der reichen Geburt. Sie zu erlernen, verweigert das arbeitsscheue verarmte Pack, so dass es in den Niederungen verharrt.

Empathie? Nein danke!

Eine weitere Fähigkeit, die die Armen erlernen müssen, bevor sie zu einem Status aufsteigen, der eines materiellen Gewinnes würdig ist, ist das Ausschalten dieses irritierenden, nagenden Empathie-Impulses, der sie nur schwächt.

Sie müssen lernen, kaltschnäuzig das eine zu sagen und das andere zu tun. Sie müssen lernen, gewaltige Parasiten zu sein, die unglaublichen Reichtum anhäufen, ohne etwas dafür zu tun, und dann andere dafür runterzumachen, dass sie nicht hart genug für sie arbeiten.

Lassen Sie sich von diesen Gewissensbissen nicht stören, nur weil Sie keine schwerere Arbeit verrichten, als einen Stift zu heben, um Verträge zu unterschreiben, während andere die Arbeit verrichten, von der Sie so enorm profitieren. Werden Sie diese nagenden Schuldgefühle los, weil es edel ist, das meiste für sich selbst zu nehmen – was natürlich auch dem Wohl der gesamten Gesellschaft dient.

Die Armen haben sich noch nicht zu moralischen Höhen aufgeschwungen, und so kann man sie natürlich mittels Teilen schwerlich für ihr Verhalten belohnen.

Wir können ganz deutlich sehen, wie das Teilen für beide Beteiligten schädlich ist; wir wissen ja auch, dass die Leute von einem abhängig werden, wenn man zu viel mit ihnen teilt. Und dann muss man sie in Käfige sperren oder abschlachten, um ihre deformierte Abhängigkeit zu heilen. Es ist wirklich traurig.

Deswegen braucht die Ortspolizei heutzutage auch Panzer und eine militärische Ausrüstung. Sie muss in der Lage sein, die Meute zu bändigen, die bereits abhängig vom Teilen ist und mehr davon verlangt.

Die Super-Predatoren der Welt wollen nur von unseren Herrschern stehlen und somit die Hand beißen, die sie füttert. Leider müssen in solchen Situationen die aufsässigen, korrupten Menschen gefügig gemacht werden, damit Ordnung und Geschäftemacherei wiederhergestellt werden können.

Wehret den Anfängen!

Heutzutage finden alle Kinder das Teilen toll, als ob Gesundheitsversorgung, Wohnraum und Lebensmittel frei verteilt werden sollten, anstatt für maximale Profite gehortet zu werden. Eine Einstellung zu Gunsten des Teilens untergräbt unseren gesamten moralischen Kern – bringen doch naive Eltern auch heute noch ihren Kindern bei, mit anderen Kindern zu teilen, obwohl sie doch selbst aufrichtige Kapitalisten sind. Diese Heuchelei entsteht, wenn uns die Roten mit Propaganda für gerechtes Teilen überfluten, um die Menschen mit der banalen Idee zu verwirren, dass das Teilen ein Akt der Freundlichkeit ist und Gleichheit schafft. Das ist natürlich eine fatale Kurzsichtigkeit, die die Kinder in der brutal wettbewerbsorientierten Gesellschaft, die unser Land so großartig macht, zum Scheitern verurteilt.

Es ist also abscheulich, unseren Kindern Fantastereien zu erzählen, die nicht zu ihrem Erfolg führen — beispielsweise, dass sie alle gleich sind, einfach nur weil sie leben, oder dass sie Dinge haben sollten, die sie sich nicht verdient haben. Diese daraus resultierende Gleichheit ist in unserer Welt inakzeptabel. Wie wüssten wir denn, wenn jeder eine Unterkunft hätte, wem gegenüber wir überlegen sind? Ich kann heute leicht einen Obdachlosen erkennen, und so fühle ich jedes Mal, dass ich etwas erreicht habe in der Welt, wenn ich meinen Kopf nachts auf ein Kissen bette. Wenn aber jetzt jeder ein Zuhause hätte – über wen könnte ich mich als Mittelklassemensch dann erhaben fühlen? Erkennen Sie das Problem? Und warum sollte einem jeden ein Stück Land zugebilligt werden, um darauf zu leben, als ob es ihm frei zur Verfügung stünde, nur weil er hier auf diesem Planeten geboren wurde? Und warum sollten die Menschen einfach Nahrung haben, als ob sie auf den Bäumen wüchse?

Ehrlich gesagt sollten Kinder und linke kommunistische Typen für ihren Wunsch nach Ergebnisgleichheit — sogar auf dem Spielplatz! — einmal beiseite genommen und in eine kleine Kiste gesperrt werden. Sie müssen die Folgen des Teilens schon in jungen Jahren verstehen … wir wollen ja nicht, dass sich diese Seuche ausbreitet.

Wenn wir sehen, wie Kinder durch das Teilen zu Verlierern werden, kann das ja wohl kein ethisches Vorgehen sein. Wie können wir sagen, dass wir jemandem etwas geben sollten, nur weil er es vielleicht dringend braucht oder weil es sogar lebenswichtig für ihn wäre? Wenn das Teilen auf dem Spielplatz verkehrt ist, ist es nur folgerichtig, dass es auch für Erwachsene falsch ist, und wir sollten nicht weiter versuchen, dieses Verhalten zu rationalisieren, wie es diese neue Woge demokratischer Sozialisten zu tun versucht.

Wie soll das überhaupt gehen - Teilen?

Ihrer politischen Plattform nach zu urteilen, mag die demokratische Sozialistin Alexandria Ocasio-Cortez das Teilen. Sie will, dass Dinge an Menschen verteilt werden, die diese nicht verdient haben – wie Unterkunft, Gesundheitsversorgung und Bildung. Lassen Sie uns erst einmal fragen, wo das Geld dafür herkommen soll. Es ist ja nicht so, dass Regierungen oder Banken über ein drolliges Mindestreserve-Bankwesen Geld aus dem Hut zaubern könnten; wenn es das gäbe, würde es allerdings ziemlich genau wie ein Schneeballsystem funktionieren.

Prioritäten setzen!

Nein – das Geld, das auf den Computern erscheint, ist sehr real und kann nicht einfach durch einen Tastendruck geschaffen oder zerstört werden. Frau Ocasio-Cortez, wir leben in einer echten Welt, und das Geld für Essen und Unterkunft muss von irgendwoher kommen – wir können nicht jedem armen Menschen, der keinen Platz zum Schlafen hat, aus der Patsche helfen. Und spielen Sie nicht auch nur einen Augenblick mit dem Gedanken, den Militärhaushalt zu kürzen, nur um dann solche Trivialitäten zu finanzieren, wenn sich doch der militärisch-industrielle Komplex eine goldene Nase am Bombenwerfen und am Verkauf unserer Bomben an andere Länder verdienen kann. In den USA bestrafen wir keine Schaffer von Arbeitsplätzen, nur weil wir den Menschen solche Dinge wie Unterkunft und Gesundheitsvorsorge zur Verfügung stellen wollen.

Und ich frage Sie – wie sollen Kinder bei diesem ganzen sozialistischen extremen Teilen Leidenserfahrungen machen? Und wer bietet schon Bildung für Kinder umsonst an? Es ist widerlich. Und lassen Sie mich gar nicht erst anfangen, über die Mühen einer kostenlosen medizinischen Versorgung für jeden zu sinnieren, der sich dafür entscheidet, sich aus Publicity-Gründen von einem Gebäude zu stürzen. Wenn es eine kostenlose medizinische Versorgung gäbe, würden das ja alle tun, und wir hätten bald einen Mangel an medizinischem Fachpersonal.

Die Wahrheit sieht so aus: Solange die Menschen nicht lernen, dass sie zuerst in aufreibender Arbeit ausgebeutet werden müssen, um jedes negative Verlangen nach einer gerechten Verteilung auszulöschen, wird Zwietracht herrschen. Mit solchen schwachsinnigen Vorstellungen von Kooperation und Teilen werden sie weder überleben noch die Stärksten sein – und, wie weiter oben schon gesagt, sind die US-Amerikaner nicht durch gerechtes Verteilen so großartig geworden.

Never change a running system!

Am Ende kann man die Frage, ob Teilen ethisch ist, auf den simplen Grundsatz herunterbrechen: Warum etwas reparieren, das nicht kaputt ist? Unsere fetten Profiteure haben uns mit sauberem Wasser und sauberer Luft versorgt sowie mit einem nachhaltigen System der Kriegsführung, das Arbeitsplatzbeschaffer im militärisch-industriellen Komplex Geld scheffeln lässt; sie haben die Gefahr, von Eisbären getötet zu werden, minimiert. Des Weiteren entsprechen das Bruttoinlandsprodukt und die Finanzmärkte der Ungleichheit der Vermögensverteilung, was bedeutet, dass es den Eliten gut geht und das Geld genau dort ankommt, wo es hin soll.

Wir haben eine Welt nahe am Weltfrieden in einer egalitären Gesellschaft – all dies hervorgebracht durch Eliten, die sich behauptet und standhaft geweigert haben zu teilen, trotz der naiven und lautstarken Forderungen der kindlichen Massengemüter nach einer menschlichen Behandlung. Die Eliten wussten einfach: Richtig war, was das meiste Geld brachte. Wir können alle erleichtert aufatmen in dem Wissen, dass unsere Anführer stets auf der richtigen Seite der Geschichte landen, wenn sie sich für den Profit anstelle des gerechten Verteilens entscheiden. Wozu würde also eine gerechte Verteilung führen, außer Gewalt und Chaos in ein reibungslos funktionierendes System zu bringen? Die Antwort ist klar.


Jason Holland schreibt regelmäßig für Counterpunch.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Is Sharing Ethical?". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.


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