Hiroshima und Nagasaki
„Vor sechzehn Stunden hat ein amerikanisches Flugzeug eine Bombe auf Hiroshima abgeworfen, einen wichtigen japanischen Armeestützpunkt. Diese Bombe hatte mehr Sprengkraft als 20.000 Tonnen TNT. (…) Wir haben zwei Milliarden Dollar für das größte wissenschaftliche Wagnis der Geschichte ausgegeben — und gewonnen.“
Harry Truman
So lautete die offizielle, schriftlich veröffentlichte Erklärung vom 6. August 1945, dem Tag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima. Wie ein Kriegsverbrechen dieses Ausmaßes ein Gewinn für irgendjemanden sein kann, ist mir als Humanist ein Rätsel.
Die Nachricht von diesem „größten wissenschaftlichen Wagnis der Geschichte“ — besser: „größten Verbrechen der Geschichte“ — erreichte den amerikanischen Präsidenten Harry Truman am selben Tag an Bord des Kreuzers „Augusta“ auf der Rückreise von der Potsdamer Konferenz. Vor Begeisterung über dieses „phänomenale“ Ereignis völlig aus dem Häuschen lief Dirty Harry auf dem Schiff umher, um die „frohe“ Botschaft anderen Menschen an Bord zu verkünden.
„Jubilate Deo. Lobet Gott. Wir haben 318.000 Japaner getötet. (…) Wie kann die Welt eine solche Freude überleben? Solche Jubelrufe über solch eine Zerstörung? Ich schreibe dies im Monat der Atombombe, im zwanzigsten Jahr des atomaren Zeitalters.“
Dorothy Day, The Catholic Worker (August 1945)
Dorothy Day — eine tiefgläubige Katholikin — war eine der wenigen katholischen Stimmen, die sich sofort und kompromisslos gegen den Einsatz der Atombombe wandte. Day war nicht politisch motiviert — sie schrieb diese sarkastischen Zeilen aus tiefer religiöser und ethischer Überzeugung. Sie widmete ihr Leben und Wirken dem katholischen Glauben, insbesondere dem Evangelium und der Soziallehre der Kirche.
Einen Monat später schrieb Dorothy Day:
„Herr Truman war jubelnd. Präsident Truman. ‚Wahrer Mensch‘ — welch merkwürdiger Name, wenn man einmal darüber nachdenkt. Wir bezeichnen Jesus Christus als wahren Gott und wahren Menschen. Truman ist ein wahrer Mensch seiner Zeit, insofern war er jubelnd. Er war nicht ein Sohn Gottes, Bruder Christi, Bruder der Japaner, der jubelte, wie er es tat. Er ging von Tisch zu Tisch auf dem Kreuzer, der ihn von der Konferenz der Großen Drei nach Hause brachte, und verkündete die große Nachricht; ‚jubelnd‘, sagten die Zeitungen. Jubilate Deo. Wir haben 318.000 Japaner getötet.“
The Catholic Worker: Response to Hiroshima (September 1945)
Harry Truman begriff die Atombombe anscheinend als Gottesgeschenk an die Menschheit. Und weil er die Menschheit weiter beglücken wollte, ließ er drei Tage später, am 9. August 1945, gleich noch eine Plutoniumbombe mit dem Namen „Fat Man“ auf Nagasaki werfen.
Die erste, mit angereichertem Uran versehene Bombe auf Hiroshima hieß „Little Boy“. Diesen Namen — und auch den der zweiten Bombe — hat ihr der Physiker Robert Serber verpasst, weil das Design der Uranbombe lang und schlank war. Wie poetisch! Im Kontrast zu dem „kleinen Mann“ war die zweite Bombe auf Nagasaki „Fat Man“, runder und dicker. Lustig.
Nach der Kapitulation Japans, noch im gleichen Monat nach dem Bombenabwurf, sagte Truman in einer Radioansprache:
„Die Welt wird zur Kenntnis nehmen, dass die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen wurde, einen Militärstützpunkt. Das geschah, weil wir bei diesem ersten Angriff — so weit wie möglich — die Tötung von Zivilisten vermeiden wollten.“
Was heißt „so weit wie möglich“? Eine glatte Lüge, würde ich mal sagen.
Die Bomben wurden eben nicht — wie von Truman behauptet — hauptsächlich auf militärische Ziele, sondern auf Stadtzentren abgeworfen, wo sich Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser und Märkte befanden. Die Flächenwirkung der Explosion und die Feuerstürme zerstörten große Teile der Städte.
Es gab nur wenige militärische Einrichtungen im Zentrum Hiroshimas, wie beispielsweise das Hauptquartier der Zweiten Armee. Der überwiegende Teil der Todesopfer in Hiroshima und Nagasaki waren Zivilisten und nicht Soldaten. Die Gesamtzahl der Opfer, also inklusive aller mit der Bombe zusammenhängenden Todesursachen, lag in Hiroshima bei einer geschätzten Spanne von 90.000 bis zu 140.000 Toten, darunter etwa 70.000 bis 90.000 Zivilisten bis Ende 1945. In Nagasaki belief sich die Gesamtzahl der Todesopfer bis Ende 1945 auf circa 60.000 bis 80.000, darunter etwa 40.000 bis 60.000 Zivilisten.
Und das sind nur die Todeszahlen bis Ende 1945. Viele Überlebende starben später an Strahlenkrankheit, Leukämie, an diversen anderen Krebsarten und dergleichen.
Der in jungen Jahren regelmäßig zur Kirche gehende Baptist Harry Truman, war angeblich davon überzeugt, dass christliche Prinzipien wie Ehrlichkeit, Verantwortung, Pflichtbewusstsein und Demut die Grundlage eines guten Regierungshandelns seien. Fraglich ist jedoch, wie die Aussagen in Trumans Erklärung vom 6. August mit diesen Glaubenssätzen in Einklang zu bringen sind. In der Erklärung war weiterhin zu lesen:
„Wir sind jetzt bereit, alle überirdischen produktiven Einrichtungen der Japaner in jeder Stadt schneller und vollständiger zu zerstören. Wir werden ihre Werften, ihre Fabriken und ihre Kommunikationszentren vernichten. Es soll kein Zweifel bestehen: Wir werden Japans Fähigkeit, Krieg zu führen, vollständig zerstören.“
Nach Demut und Verantwortungsgefühl gegenüber der Menschheit klingt obiges Statement nicht gerade. Truman sah sich als Christ, wie folgende Zitate von ihm belegen sollen:
„Ich habe die Bibel mindestens zweimal ganz durchgelesen.“
„Die fundamentalen Werte in meinem Leben stammen aus der Sonntagsschule.“
„Die fundamentalen Werte“ von Christus waren sicherlich nicht hunderttausende Menschenleben mit einem Schlag auszulöschen. Wer weiß, was der Pastor in der Sonntagsschule Trumans gepredigt hatte?
Viele US-amerikanische Bürger sehen die USA als „auserwähltes Volk Gottes“. Den Terminus „auserwähltes Volk“ haben die Puritaner im 17. Jahrhundert aus der Bibel geklaut und für sich umgedeutet. Sie sahen die Neue Welt als das „neue Gelobte Land“. Viele arabische Länder beispielsweise sehen das mit dem „auserwählten Volk Gottes“ ganz anders als die USA oder Israel. Ein aus Saudi-Arabien stammender Freund sagte mir unlängst: „Israel ist der kleine Teufel, und die USA der große. Vielleicht ist es auch umgekehrt.“
Vielleicht wurden diese „Völker“ tatsächlich ausgewählt, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von Gott.
Nach dem von den USA in Japan begangenen Kriegsverbrechen in Hiroshima und Nagasaki rechtfertigten sich einige Scheinheilige teils mit Bezugnahme auf göttlichen Willen, göttliche Führung oder göttlicher Auserwähltheit.
Der Kriegsminister Trumans, Henry L. Stimson, heuchelte:
„Die Atombombe war mehr als eine Waffe der schrecklichen Zerstörung; sie war eine psychologische Waffe. (…) Wir mussten sie einsetzen, und damit zeigten wir der Welt die Macht eines freien Volkes, vereint unter Gott.
Der Pilot der „Enola Gay“, der Name der amerikanischen Boeing B-29 Superfortress, die am 6. August 1945 „Little Boy“ über der japanischen Stadt Hiroshima abwarf, war sich ebenfalls keiner Schuld bewusst, ganz im Gegenteil. Er äußerte:
„Ich schlafe jede Nacht ruhig. Ich habe meine Pflicht getan. Ich bin stolz, dass ich für diese Aufgabe ausgewählt wurde. Wir haben Leben gerettet. Ich denke, Gott war mit uns.“
Eine seltsame Auffassung von Leben retten, finden Sie nicht? Ich würde sagen, euch Verherrlicher der Atombombe hat der Teufel geritten.
Menschenverachtung, Selbstgerechtigkeit und Narzissmus sind von Haus aus schreckliche menschliche Eigenschaften. Diese Besonderheiten unterentwickelter Persönlichkeiten jedoch unter dem Deckmantel „Gott“ zu zelebrieren, ist einfach widerlich.
Na klar, Gott segnet Amerika mit tödlicher Atommacht, um die Welt zu belehren oder zu retten. Und das geht nach amerikanischer Logik anscheinend nur mit Gewalt und Vernichtung, wie die 30 bis 40 Millionen Todesopfer aufgrund illegaler Kriege der USA nach 1945 erschütternd belegen.
Dieser ungeheuerlichen Macht, die den USA durch die Atombombe gegeben wurde, war sich der Sonntagsschul-Gänger Truman natürlich bewusst.
Ein paar Monate nach diesem höllischen Kriegsverbrechen ließ Truman den sowjetischen Botschafter Andrei Gromyko ins Weiße Haus kommen und erklärte ihm, dass die Russen noch immer die Ölfelder im Norden des Irans besetzten. Truman forderte, die Russen sollten innerhalb von 48 Stunden den Iran verlassen, sonst ließe die USA Atomwaffen sprechen. Die Sowjets räumten innerhalb von 24 Stunden das Feld im Iran.
Selbstverständlich schrieben die neuen, unumstrittenen Weltherrscher die amerikanische Militär- und Atomvorherrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg durch Gesetze fest, konkret durch den „National Security Act“ von 1947, der von Harry Truman unterzeichnet wurde.
Dieser „Act“ markierte den Beginn des modernen US-Sicherheitsstaates und stärkte dauerhaft den Einfluss des Militärs und der Geheimdienste in Politik und Gesellschaft. Die CIA bekam 1948 durch die geheime Direktive NSC 10/2 Macht in ungeheurem Ausmaß eingeräumt, die sie in Form von präventiven Aktionen, Propaganda, Sabotage (zum Beispiel Nordstream-Pipelines), Wirtschaftskrieg, Unterwanderung feindlicher Staaten, Unterstützung von Farbrevolutionen, Guerillakrieg, gelegentlich Mord und so weiter bis heute nutzt.
Der militärisch-industrielle Komplex (military-industrial complex, MIC), vor dem Präsident Dwight D. Eisenhower in seiner Abschiedsrede am 17. Januar 1961 noch gewarnt hatte, bestimmt seit dieser Zeit in weiten Teilen die Großwetterlage in der Welt. Eisenhower sagte:
„In den Gremien der Regierung müssen wir uns davor hüten, dass der militärisch-industrielle Komplex sich unberechtigten Einfluss verschafft — ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt.
Das Potenzial für einen katastrophalen Aufstieg fehlgeleiteter Macht ist vorhanden — und wird bestehen bleiben. Wir dürfen niemals zulassen, dass das Gewicht dieser Verbindung unsere Freiheiten oder demokratischen Prozesse gefährdet.“
Wie recht Eisenhower doch in Anbetracht des Vietnamkriegs, der beiden Irakkriege, des Ukrainekrieges, des Nahostkonflikts und so weiter behalten sollte.
Deutschland hatte „Glück“
Das sogenannte Manhattan-Projekt — die Entwicklung der Atombombe — wurde ursprünglich 1939/40 unter Präsident Franklin D. Roosevelt ins Leben gerufen, um eine verheerende Vernichtungswaffe gegen Nazideutschland zu entwickeln. Die USA befürchteten, dass Deutschland mit führenden Physikern wie Werner Karl Heisenberg, der am deutschen „Uranprojekt“ beteiligt war, möglicherweise eine eigene Atombombe entwickeln könnte. Sie wollten Deutschland zuvorkommen, was der USA unter der Leitung von Robert Oppenheimer — dem wissenschaftlichen Direktor des Manhattan-Projekts und „Vater der Atombombe“ — auch gelang. Später war Oppenheimer ein Gegner der nuklearen Aufrüstung. Manche Menschen lernen eben aus ihren Fehlern, was man von den Kriegstrommlern in Deutschland und Europa derzeit beim besten Willen nicht behaupten kann. Durch Ihre ausgesprochene Dummheit provozieren sie einen Dritten Weltkrieg, der auch auf atomarer Ebene ausgeführt werden könnte.
Als mögliche Ziele in Deutschland wurden insbesondere Berlin und Ludwigshafen in Erwägung gezogen. Auch Hamburg, Leipzig, Dresden und Kiel standen zur Diskussion.
Der amerikanische Physiker und Experte für Militärgeschichte, Stanley Goldberg, fand Hinweise auf mögliche Zielgebiete für den Einsatz der Atombombe in Deutschland. Er schrieb:
„Berlin und Ludwigshafen wurden tatsächlich in internen Zielüberlegungen vor Mai 1945 diskutiert. Aber der Zeitplan des Projekts zeigte eindeutig, dass Japan mit hoher Wahrscheinlichkeit das Einsatzgebiet sein würde.“
Auch der militärische Leiter des Manhattan-Projekts, General Leslie Groves, sagte später sinngemäß:
„Wir hofften stets, die Bombe rechtzeitig fertigzustellen, um sie gegen Deutschland einzusetzen. Das war die ursprüngliche Absicht.“
Nun gut, Hamburg, Dresden, Berlin, München und viele andere deutsche Städte wurden von den Alliierten — insbesondere der britischen Royal Air Force (RAF) und der US-amerikanischen Army Air Forces (USAAF) — flächendeckend bombardiert. Ziel war es, sowohl militärische als auch industrielle Infrastruktur zu zerstören und die Psyche der deutschen Bevölkerung zu brechen. Diese Angriffe mit circa 400.000 bis 500.000 Luftkriegsopfern trafen meist Zivilisten. Dieses Kriegsverbrechen wurde bis heute ebenso wenig wie das in Japan aufgearbeitet.
Harry Truman trat erst im April 1945, nach dem Tod von Roosevelt, und dem weitgehenden militärischen Zusammenbruch Deutschlands das Präsidentenamt an. Zu diesem Zeitpunkt lag Deutschland praktisch schon am Boden. Der Einsatz der Atombombe war damit keine realistische Option mehr gegen Deutschland. Nazideutschland kapitulierte am 8. Mai 1945, bevor die erste Bombe einsatzbereit war. Der erste erfolgreiche Atomtest — der Trinity-Test — fand am 16. Juli 1945 statt.
Einer der Initiatoren des Manhattan-Projekts, Leo Szilard, sagte:
„Wenn Deutschland nicht kapituliert hätte, wäre die Bombe mit hoher Wahrscheinlichkeit dort eingesetzt worden.“
Szilard war später ein Kritiker des Einsatzes der Atombombe gegen Japan und versuchte, Truman — ohne Erfolg — umzustimmen.
Japan kämpfte nach der Kapitulation Deutschlands noch hartnäckig und entschlossen weiter. Die konkrete Auswahl der Bombenziele wurde erst im Mai 1945 beschlossen. Japan war zu diesem Zeitpunkt das einzige noch kämpfende Hauptziel. Also traf es die Japaner.
Gründe für den Abwurf
Harry Truman und seine engsten Mitarbeiter, wie Kriegsminister Henry Stimson und General Leslie Groves sahen in der Bombe eine Möglichkeit, den Krieg schnell zu beenden, eine Invasion Japans zu vermeiden und amerikanische sowie japanische Leben zu retten. So die offizielle Version. Vor allem japanische Leben, nicht wahr?
Was steckte noch hinter dieser unentschuldbaren Gräueltat?
Der reale Einsatz der Atombombe sollte ein Signal an die als geopolitische Rivalin angesehene Sowjetunion sein: die USA haben die Hosen an und fackeln nicht lange. Damit begann letztendlich der Kalte Krieg. Trumans Außenminister James F. Byrnes sagte sinngemäß:
„Je eher wir die Bombe einsetzen, desto mehr Einfluss haben wir in der Nachkriegsordnung.“
Harry Truman trat auf der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 gegenüber Josef Stalin — vom erfolgreichen Trinity-Test beflügelt — deutlich selbstbewusster auf. Er hatte die besseren Karten in der Hand, wie Donald Trump vermutlich sagen würde.
Ein weiterer Grund für den verhängnisvollen Abwurf der Bomben dürfte gewesen sein, dass ein paar hirnkranke Wissenschaftler und Militärs wissen wollten, wie sich die Bombe „in der Praxis“ auswirkt, in einer echten Stadt, mit echter Infrastruktur und menschlichen Zielen. Hiroshima und Nagasaki wurden demnach als „Live-Versuchsfeld“ betrachtet.
Solange es Menschen mit solchen kranken Denkweisen auf der Welt gibt, wird sich vermutlich nicht viel ändern. Das „auserwählte Volk“ darf das selbstverständlich — der Rest der Menschheit ist ja nur Verfügungsmasse, Zuchtvieh.
General Leslie Groves schrieb in einem Memorandum, dass es zur Beeinflussung anderer Nationen wichtig sei, eine „sichtbare Demonstration“ der Zerstörungskraft zu liefern.
Ein weiterer Grund war, dass die USA die bedingungslose Kapitulation Japans wollten. Den USA passte eine Kapitulation unter japanischen Bedingungen absolut nicht in den Kram. Einige Personengruppen innerhalb der japanischen Regierung, versuchten nach der deutschen Kapitulation einen Weg aus dem Krieg zu suchen. Japan hoffte, die Sowjetunion, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Krieg mit Japan stand — sie trat erst am 9. August 1945 in den Krieg ein —, könne zwischen Japan und den USA vermitteln, um einen Friedensvertrag mit Bedingungen zu erreichen.
Japan wollte Kaiser Hirohito als Staatsoberhaupt beibehalten — was den Japanern letztlich auch gelang. Zudem strebte es an, eine alliierte Besetzung zu vermeiden und sich zumindest teilweise die politische Selbstbestimmung zu bewahren. Franklin Roosevelt und Winston Churchill hingegen forderten eine vollständige militärische Niederlage und Besetzung Japans — keinerlei Bedingungen, auch nicht zum Schutz des Kaisers oder des politischen Systems. Sie verlangten eine Demokratisierung und Entmilitarisierung Japans unter alliierter Kontrolle.
Weil Japan dem Ultimatum der Potsdamer Erklärung vom 26. Juli 1945 — sofortige Kapitulation, andernfalls drohe „vollständige Zerstörung“ — nicht sofort nachkam, fiel elf Tage später die erste Bombe auf Hiroshima. Die Kapitulation folgte kurze Zeit später. Die Bombe war eine Art „Diplomatie durch Terror“, wie manche Historiker diese Gräueltat euphemistisch bezeichneten.
Natürlich mussten die gewaltigen Investitionen von zwei Milliarden Dollar für die Entwicklung dieser Wunderwaffe auch gerechtfertigt werden. Die Polit- und Militärkasperl jener Zeit konnten durch die auf unzähligen Todesopfern basierenden Ergebnisse ihre enorme Investition rechtfertigen. Damals waren zwei Milliarden noch richtig viel Geld. Heute würden die Großkotze dieser Welt diese Summe wohl eher als „Peanuts“ bezeichnen. Denn inzwischen geht es bei diesen Hirntoten um Billionen Dollar für „notwendige“ Aufrüstung, um den bösen Russen in seine Schranken zu weisen. Kollektives Gedächtnis bezüglich der Gräuel vom 6. und 9. August 1945
Schon mal vorweg: offenbar nur peripher vorhanden.
Seit Hiroshima hat sich einiges geändert. Derzeit liefern sich Russland und die USA ein Kopf an Kopf-Rennen um die stärkste Atommacht. Wenn ich pulverisiert bin, ist es mir ehrlich gesagt egal, ob Russland oder die USA 20- oder 21-mal die Erde atomar umpflügen könnten.
Momentan (Stand 2024) sieht es so aus: Russland verfügt über circa 5.580 Atomwaffen, davon 1.710 einsatzbereit, und die USA über circa 5.244 Atomwaffen, und davon 1.770 sofort verwendbar.
Sind sie nicht süß? Wie zwei kleine Jungs, die sich im Sandkasten gegenseitig mit Plastikschaufeln auf den Kopf hauen. Den Kindern genügt aber jeweils eine Schaufel, um sich gegenseitig Respekt zu verschaffen.
Natürlich wäre die Abschreckung größer, wenn der eine sagt:
„Nur, dass du es weißt, ich hab 20 Schaufeln, die ich dir auf den Kopf hauen könnte“.
Und der andere antwortet: „Ällabätsch, und ich hab 21.“
Sie finden mein Geschreibsel lächerlich? Ja, finde ich auch.
Ebenso lächerlich sind Forderungen nach Atomwaffen von einigen fragwürdigen Menschen, darunter ehemalige Atomwaffengegner wie Joschka Fischer, der — selbstverständlich wegen dem Berserker Wladimir Putin — meinte:
„Sollte die Bundesrepublik Atomwaffen besitzen? Nein. Europa? Ja.“
Der damalige CDU-Vorsitzende und Fast-Kanzler Friedrich Merz sagte am 9. März im Deutschlandfunk:
„Deutschland wird nicht selbst über Atomwaffen verfügen können und dürfen.“ Deutschland habe im Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Einigung ausdrücklich auf Atomwaffen verzichtet. „Und dabei wird es auch bleiben.“
Merz möchte aber mit Frankreich und Großbritannien darüber reden, wie deren Atomwaffen verstärkt in den Schutz Europas eingebunden werden können. „Nukleare Teilhabe ist ein Thema, über das wir reden müssen.“ Es solle dabei aber um eine „Ergänzung“ zu dem bestehenden atomaren US-Schutzschirm gehen.
An diesem sollte man nach Möglichkeit festhalten.
Krasser dagegen die AfD:
Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD:
„Deutschland braucht eigene Atomwaffen … Dafür muss so schnell wie möglich das Grundgesetz geändert werden.“
Hannes Gnauck, ehemaliger Vorsitzender der Jungen Alternative:
„Deutschland braucht einen eigenen nuklearen Schutzschirm.“
Na, wenn es sonst nichts ist. Bei mir ist jeder, der so etwas fordert, unten durch. Aber gut, was weiß ich schon — wie sehen Sie das?
Fazit
Bis heute hat sich kein US-Präsident offiziell bei Japan für die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki entschuldigt, auch wenn es in den letzten Jahrzehnten vermehrt Gesten der Versöhnung gab. US-Präsident Jimmy Carter besuchte nach seiner Amtszeit Hiroshima und zeigte persönliche Betroffenheit. Der Außenminister in der Obama-Regierung, John Kerry, besuchte 2016 Hiroshima und sprach von „Ehrfurcht“ und der „Tragödie menschlichen Maßes“. Barack Obama besuchte am 27. Mai 2016 als erster amtierender US-Präsident Hiroshima offiziell und sagte:
„71 Jahre zuvor fiel der Tod vom Himmel. Eine Welt veränderte sich.“
„Wir kommen, um die Toten zu betrauern, nicht um die Geschichte neu zu schreiben.“
Das Ausbleiben einer notwendigen offiziellen Entschuldigung wird bis heute insbesondere vom US-Militär, aber auch von weiten Teilen der Öffentlichkeit mit Argumenten wie
• Die Bomben haben den Krieg rasch beendet
• Eine Invasion Japans hätte Hunderttausende weitere Tote auf beiden Seiten gefordert
• Japan sei selbst ein aggressiver Kriegsverursacher gewesen, wie beispielsweise der Angriff auf Pearl Harbor oder Kriegsverbrechen in Asien belegen
gerechtfertigt. Die USA sehen bei sich keine Schuld im völkerrechtlichen Sinn.
Bullshit!
Laut diverser Erhebungen sieht das Pro und Contra des Atombombenabwurfs in der amerikanischen Bevölkerung wie folgt aus:
1945: 85 Prozent der Amerikaner befürworteten den Einsatz, 10 Prozent lehnten ihn ab, 5 Prozent hatten keine Meinung
1995: 53—59 Prozent Zustimmung, 35—41 Prozent Ablehnung
2015: 56 Prozent der US-Amerikaner sagten: Der Einsatz war gerechtfertigt, 34 Prozent waren dagegen
2025: 35 Prozent halten den Abwurf für gerechtfertigt, 31 Prozent lehnen ihn ab, 33 Prozent sind unsicher oder haben keine Meinung
Die Werte schwankten bei den letzten Befragungen stark nach den Kriterien Geschlecht, Alter, Parteizugehörigkeit und Ethnien. So befürworteten bei einer Befragung beispielsweise doppelt so viele Männer wie Frauen diese Gräueltat.
Benjamin Kradolfer, der am 6. August seinen Geburtstag feiert, ließ mir folgende beherzte Zeilen zukommen:
„Hiroshima: Abgesang und Auftakt
Vor genau 80 Jahren begann mit dem Atombomben-Abwurf über Hiroshima der Dritte Weltkrieg. Den Völkern der Welt wurde das Grauen als das Ende aller Kriege angepriesen. Das atomare Wettrüsten, das darauf zwingend folgen musste, bescherte uns den sogenannten Kalten Krieg mit seinen heißen Stellvertreter-Kriegen, aber auch ernsthafte Entspannungsbemühungen zwischen den Blöcken (Beispiel OSZE) und allseitige Abrüstung, welche letztlich zum Fall der Berliner Mauer und zur friedlichen Vereinigung der beiden deutschen Staaten führten. Wieder voll und ganz der Logik des Krieges folgend folgte hierauf prompt die Aufsplitterung und massenhafte Dezimierung von friedlichen, multi-ethnisch verfassten Bevölkerungen in nationalistische oder gescheiterte Staaten wie im Balkan oder in Arabien, freilich immer in (Euphemismus!) „konventionellen“ Grenzen des Tötens ... Und heute?
Entspannungspolitik, vormals betrieben von Politikern wie Brandt, Palme, Kreisky oder Gorbatschow und von überragenden, friedlichen Erfolgen gekrönt, wird von den Mächtigen a priori verteufelt und verhöhnt: 80 Jahre nach Hiroshima reden uns Politik, Militär und Medien wieder ein, der Krieg sei nur das Mittel zur Überwindung des Bösen und nicht selbst das Böse an sich.
Dabei war Hiroshima von allem, was man uns heute als einzig möglichen Weg zum Frieden anpreist, nur ein bescheidener Anfang: Little Boy, wie die Bombe damals liebevoll getauft worden war, wäre in den heutigen Atomwaffenarsenalen nur eine der schwächsten Varianten.“
Alles Gute zum Geburtstag, Herr Kradolfer, und möge Ihre kritische und beherzte Stimme noch lange nicht verstummen.

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Quellen und Anmerkungen:
Ende März und Anfang April 2025 wurden meine beiden Bücher
„Die Friedensuntüchtigen“ und „Im Taumel des Niedergangs“ veröffentlicht.
Rezension zu diesem Buch: Manova
Rezension zu diesem Buch: Wassersaege