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Eine unerwartete Wendung

Eine unerwartete Wendung

Mehrere Länder in Europa gewähren dem Bargeld Schutz – Deutschland bleibt untätig.

Bargeld ist nicht in Gefahr, wissen Faktenchecker. Schließlich kann man Banknoten auch als Füllmaterial für Kopfkissen verwenden. Selbst dann, wenn immer mehr Läden Bargeld ablehnen und der letzte Geldautomat im Umkreis verschwindet. Doch wenn man genauer überlegt, hängen alle positiven Eigenschaften des Bargelds mit seiner Rolle als Zahlungsmittel zusammen: die bessere Ausgabenkontrolle, die Unabhängigkeit von technischen Systemen, von Banken und Staat – ebenso die Privatsphäre beim Bezahlen und der Nutzen als Lernmittel für Kinder, den guten Umgang mit Geld zu verstehen.

Da wird man hellhörig, wenn der Handelsverband Deutschland vor einem Zusammenbruch des Bargeldkreislaufs warnt.

Viele Ladenbetreiber haben inzwischen Schwierigkeiten, ihre Einnahmen zur Bank zu bringen, um Lieferanten zu bezahlen. Auch das Wechselgeld muss irgendwo herkommen.

Wo liegt das Problem? Zwischen 2017 und 2023 schlossen die Banken jede dritte Zweigstelle – und das Filialsterben geht weiter. Von den Geldautomaten ganz zu schweigen. Die Finanzwirtschaft nötigt die Bevölkerung zur Abkehr vom Bargeld.

Regierung in Berlin redete das Problem klein

Wann schützt der Staat die Bargeld-Infrastruktur? Die neue Bundesregierung hat bislang keinen Vorstoß unternommen. Aber eine Annahmepflicht für digitale Zahlungsmittel im Einzelhandel steht bereits auf dem Plan – denn, so schreibt die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Frauke Heiligenstadt, auf Anfrage: „Nicht überall ist der nächste Geldautomat um die Ecke, und nicht jeder hat immer genug Bargeld dabei.“

Die Deutsche Bundesbank kommunizierte das Problem vor Amtsantritt der neuen Regierung nochmals über ihren Monatsbericht: „So gaben im Jahr 2023 nur noch 85 Prozent der Befragten an, es sei einfach, zu einem Geldautomaten oder Bankschalter zu gelangen. Bei der Erhebung des Jahres 2021 lag dieser Anteil noch bei 94 Prozent. Die zunehmenden Schwierigkeiten zeigen sich in städtischen und ländlichen Gebieten gleichermaßen.“

Die alte Bundesregierung legte die Daten der Bundesbank umgekehrt aus: Die Unionsfraktion im Bundestag hatte sich im Herbst 2024 erkundigt, wie man den negativen Folgen begegne, „die die spürbare Verschlechterung des Zugangs zu Bargeld und die sinkende Akzeptanz von Bargeld für die Teilhabe von gesellschaftlichen Gruppen“ habe, „für deren finanzielle Teilhabe das Bargeld von besonderer Bedeutung“ sei. Das Finanzministerium ließ ausrichten: „Der Zugang zu Bargeld ist aus Sicht der Bundesregierung weiterhin gewährleistet. Im Jahr 2023 empfanden 85 Prozent der Bürgerinnen und Bürger den Zugang zu Bargeld über Geldautomaten und Bankschalter als einfach.“

Vorreiter der Bargeldabschaffung machen kehrt

Die Bundesregierung bleibt untätig – aus dem Ausland aber kommen gute Nachrichten für das Bargeld: In Irland steht auf der Agenda, dass Behörden wieder selbstverständlich Münzen und Scheine annehmen. Unabhängig davon trat im Mai 2025 ein Gesetz zum Schutz des Bargelds in Kraft: Der Finanzminister soll jetzt festlegen, wie viel Prozent der Bevölkerung innerhalb von fünf bis zehn Kilometern eine Möglichkeit haben müssen, Bargeld abzuheben oder auf ein Bankkonto einzuzahlen.

Ungarn hat im April das Grundgesetz ergänzt. Zu den bürgerlichen Freiheiten zählt nun explizit das Recht, bar zu bezahlen.

Im Juni wurden Unternehmen verpflichtet, an der Ladenkasse Banknoten und Münzen anzunehmen. Sieben Abgeordnete stimmten dagegen, 143 dafür. Unterdessen wies die Regierung den Bankensektor an, bis Jahresende alle Gemeinden ab 1000 Einwohnern mit einem Geldautomaten auszustatten. Bis Ende 2026 muss auch jede Kommune ab 500 Einwohnern einen Automaten besitzen.

Überraschend kommt die Kehrtwende bei den Vorreitern der Bargeldabschaffung: In den Niederlanden lehnen bereits 21 Prozent der Apotheken Bargeld ab. Nun ist ein Gesetz auf dem Weg, das Unternehmen zur Annahme von Bargeld verpflichtet. Das Unterhaus hat bereits seinen Segen gegeben. Zustimmung kam von allen Seiten des Parlaments. Mit einem Gesetzesentwurf aus dem Finanzministerium soll zudem die Verfügbarkeit von Bargeld verbessert werden. Die Großbanken müssten zukünftig sicherstellen, dass im Fünf-Kilometer-Umkreis ein Automat verfügbar ist. Die Nutzung wäre auch für Privatkunden vieler kleinerer Banken kostenfrei.

Norwegen führte bereits zum 1. Oktober 2024 eine Annahmepflicht für Bargeld ein. Bargeldlose Ladenketten mussten umdenken.

Selbst in Schweden tut sich etwas: 99 Prozent der Bevölkerung sollen im Umkreis von 25 Kilometern Bargeld abheben oder auf die Bank bringen können.

So sieht das ein fortgeschrittener Gesetzesentwurf der Regierung vor.

Medien schweigen über seltene Chance

Das EU-Parlament ist kein echter Gesetzgeber. Die Abgeordneten können sich keine Verordnungen ausdenken – dafür ist die EU-Kommission zuständig. Den Parlamentariern bleibt nur, deren Vorschläge zu verbessern und zu beschließen.

Im Juni 2023 kam aus Brüssel ein Gesetzesvorschlag mit dem Versprechen, die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld zu erhalten. Leider wäre es den Banken weiterhin möglich, viele Geldautomaten abzubauen. Auch ein klares Recht, mit Bargeld zu bezahlen, sucht man vergeblich. Mein Kollege Hansjörg Stützle und ich haben dem EU-Parlament eine ganze Liste solcher Kritikpunkte übersendet. Nun können die Parlamentarier die Arbeit der Kommission korrigieren und endlich zum Schutz des Bargelds beitragen. Das werden sie spätestens dann tun, wenn die großen Medien die politische Vernachlässigung des einzigen staatlichen Zahlungsmittels Bargeld thematisieren und ins öffentliche Bewusstsein bringen.

Bislang geschah das genau ein Mal: Die ARD-Sendung Plusminus vom 23. April 2025 warf ein kurzes kritisches Licht auf die Ungleichbehandlung des Bargelds gegenüber dem digitalen Euro. In dem Beitrag trat Hansjörg Stützle auf. Gemeinsam mit ihm initiierte ich 2024 eine Petition, die sich der Ungleichbehandlung entgegenstellt. Bislang haben fast 200.000 Menschen unterschrieben. Ein wesentliches Ziel ist, die Gesellschaft wachzurütteln, damit die Politik in Zugzwang gerät.

Ein weiteres Mittel in der Aufklärung ist mein Buch „Krieg gegen das Bargeld“. Darin bekommt auch der Nutzen des Bargelds für die Gesellschaft viel Raum. Denn wenn Banknoten und Münzen der Welt von morgen erhalten bleiben sollen, müssen viele – und vor allem junge Menschen – Bargeld wertschätzen, ihre Freiheit nutzen und mit Bargeld bezahlen. Und wenn wir das Buch auf die Bestsellerlisten bringen, werden vielleicht auch endlich die Medien aufmerksam. „Krieg gegen das Bargeld“ ist am 30. Juni erschienen und kann überall vorbestellt werden.



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