Soziales und anderes Gedöns
Die LINKE hat einen formidablen Wahlkampf hingelegt — das muss man neidlos anerkennen. Und sie hat sich auf ein Thema fokussiert, mit dem man in einem Land, das wirtschaftlich im freien Fall ist, gut punkten kann: soziale Gerechtigkeit beziehungsweise Sicherheit, gefolgt von Klima und Umwelt.
Damit hat Die LINKE eine andere Strategie gewählt als beispielsweise das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das sich vor allem auf das Thema Frieden konzentriert hatte. Und die Partei bleibt sich treu, wie man etwa auf dem X-Profil von Jan van Aken sehen kann:
Das Thema ist so sicher wie eine Bank, denn die wirtschaftlichen Ängste der Menschen stehen deutlich im Vordergrund. Die hier eingefügte Grafik stammt übrigens vom 4. Juli 2025 — sie wurde also Monate nach der Bundestagswahl gepostet. Viel falsch machen können Van Aken und Die LINKE mit solch einer Forderung nicht, denn wer wird schon widersprechen, wenn jemand die Gehälter von Milliardären anprangert?
Das Problem dabei:
Die LINKE muss sich die Finger nicht schmutzig machen, denn die soziale Sicherheit mag in den Köpfen und Herzen der Menschen ziemlich weit oben stehen, in der politischen Wirklichkeit spielt sie faktisch keine Rolle (mehr).
Im Gegenteil — die soziale Unsicherheit wächst, der Druck auf Bürgergeldempfänger, Niedriglöhner, Arbeiter und Angestellte nimmt stetig zu. Und wer schon heute in Rente ist, weiß aus leidvoller Erfahrung, wo das Problem liegt.
Die LINKE weiß also ganz genau, dass soziale Ungleichheit bis auf Weiteres kein Thema für die politischen Entscheidungsträger ist — die kümmern sich lieber um die Aufrüstung der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie. Gegenwind von der LINKEN brauchen die Kriegstreiber nicht zu befürchten: Jan van Aken und seinesgleichen nehmen zwar gern auf den Stühlen deutscher Talkshows Platz, um mehr schlecht als recht den Frieden anzumahnen. Auf der anderen Seite hört man auch aus der Partei Die LINKE wiederholt — und den vermeintlich politischen Gegner brav abnickend — man müsse den „brutalen, völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine“ bekämpfen.
Frieden ist für Die LINKE zwar irgendwie erstrebenswert und eine gute Sache, aber Sanktionen gegen Russland seien doch die richtige Maßnahme, um gegen den imperialen Putin vorzugehen. Waffenlieferungen findet man nicht so gut — aber ehrlicherweise auch nicht so schlimm.
Und überhaupt: Krieg und Frieden, das mögen für die Menschen Themen sein, die sie beschäftigen, doch weil die gesellschaftspolitische Stimmung in Deutschland längst von den Kriegshetzern dominiert wird und von morgens bis abends alle Zeichen auf Kriegstüchtigkeit stehen, will man nur ungern Wasser in den Wein schütten.
Statt sich in Sachen Krieg und Frieden eindeutig zu positionieren und auf die Entstehungsgeschichte des Ukraine-Krieges aufmerksam zu machen, hält sich Die LINKE höflich zurück und erhebt hier mal krächzend ein wenig die Stimme oder hält dort einen eingeknickten Zeigefinger hoch — aber eben gerade so hoch, wie man es mit seinem Bundestagsgewissen noch vereinbaren kann.
Gut vereinbaren mit dem Bundestagsgewissen lässt sich ein ganz offizieller Friedenstag. Den hätte Die LINKE gern am 1. September, dem Tag, an dem Deutschland 1939 Polen überfiel. Der „Focus“ schreibt dazu:
Wörtlich heißt es in dem Antrag:
„Wir wollen eine Welt ohne Krieg. (...) Immer mehr Entscheidungen, die den Krieg betreffen, werden hinter verschlossenen Türen getroffen. Das wollen wir ändern. Es brauche eine neue Qualität der Diskussion. Wir brauchen viele direkte Gespräche über Grenzen hinweg.“
Nun kann man geteilter Meinung darüber sein, ob Gespräche hinter offenen Türen besser sind als hinter verschlossenen, und wie genau eine „neue Qualität der Diskussion“ aussieht, steht ebenfalls in den Sternen. Aber wenn man sich ansieht, wie Die LINKE sich im Falle des Ukraine-Kriegs positioniert oder auch in Bezug auf die Menschheitsverbrechen, die Israel unter anderem im Gazastreifen verübt, mutet ein Friedenstag doch eher mickrig an. Was die Ukraine betrifft, gibt sich Die LINKE wortkarg und kratzt rhetorisch nur an der Oberfläche. Die Kritik an Israel dagegen kommt schwammig daher, und eine große Demonstration, die die Morde der israelischen Regierung klar kritisieren sollte, wurde wegen „organisatorischer Gründe“ verschoben — von Ende Juli auf irgendwann später mal. Die Menschen im Gazastreifen werden also auf die rettende Großdemo mit Beteiligung der LINKEN noch warten müssen. Nicht alle werden die Wartezeit überleben.
Die Alle-können-kommen-Party!
Wenn wir über Jan van Aken sprechen, darf Heidi Reichinnek nicht fehlen. Auch sie steht für den Erfolg der LINKEN, und sie macht das gern deutlich, indem sie in einer Mischung aus Emilia Fester und Annalena Baerbock ihren Namen tanzt, gänzlich losgelöst davon, ob das jemandem gefällt oder nicht.
Das hier eingefügte Bild hat durchaus Symbolkraft und ist auf der X-Seite von van Aken zu finden. Hier kommt Freude auf, und alle mögen sich mitfreuen, wenn Die LINKE auf ihrer Website schreibt:
„Einwanderung ist keine Bedrohung, sondern Alltag für Viele, Chance für unsere Gesellschaft und Recht jedes einzelnen Menschen. Unser Land ist Heimat für Menschen aus verschiedensten Orten, mit unterschiedlichen Geschichten und so vielfältig wie noch nie. Wir leben, lieben und arbeiten zusammen. Wir machen nicht mit, wenn Beschäftigte und Rentner*innen in Deutschland ausgespielt werden gegen Menschen, die vor Armut, Unterdrückung und Krieg fliehen. Würde der Reichtum gerechter verteilt, gäbe es genug für gutes Leben, Wohnen und Arbeiten – für alle.“
An dieser Stelle kommt das Wasserglas ins Spiel — das Wasserglas, von dem viele Städte, Gemeinden und Kreise ein Lied singen können. Das Prinzip ist ganz simpel: Man kann ein Glas nicht endlos mit Wasser füllen. Füllt man grenzenlos Wasser in ein Glas, läuft es irgendwann über. Man kann das Glas woanders hinstellen, das Wasser gegen O-Saft eintauschen oder versuchen, die Flüssigkeit nicht direkt, sondern seitlich oder kopfüber ins Glas laufen zu lassen — es nützt alles nichts, wenn das Glas voll ist, läuft es über.
Die gerechtere Verteilung von Reichtum — der ohnehin sehr ungleich verteilt ist — ändert nichts am grundlegenden Problem, und Einwanderung mit Fluchtbewegungen auf eine Stufe zu stellen, verschleiert die Schwierigkeit unkontrollierter Zuwanderung. Anders und zugespitzter formuliert:
Selbst, wenn man annimmt, dass der Reichtum auf maximale Weise gerecht verteilt wäre, die Stadt, die Kommune, der Kreis aber keine Unterkünfte für Flüchtlinge mehr zur Verfügung stellen kann, weil es schlicht an Platz fehlt, löst dies das Problem nicht. Noch überspitzter ausgedrückt: Ist die Turnhalle voll und platzt aus allen Nähten, können weitere Flüchtlinge nicht untergebracht werden. Erinnern wir uns an die abgesagte Demo der LINKEN gegen die Gräueltaten im Gazastreifen, könnte der Bürgermeister der überfüllten Turnhalle auf die Frage, ob noch ein paar Leute reinpassen, entgegnen:
„Nein, das ist aus organisatorischen Gründen leider nicht möglich.“
Fluchtursachen (nicht) bekämpfen
Für Die LINKE ist der Kampf gegen Fluchtursachen wichtig, zumindest schreibt sie das ihrer Website. Liest man sich den gesamten Text durch, fällt aber auch auf, dass de facto nichts über die Fluchtursachen zu finden ist. Der Forderungskatalog ist lang, doch dass Kriege, Regime-Changes, Land Grabbing, Rohstoffausbeutung und andere imperiale Gründe die Flucht erst notwendig werden lassen, verschweigt Die LINKE. Stattdessen Floskeln wie diese:
„Deutsche Konzerne exportieren Waffen in die ganze Welt, aber Menschen, die vor diesen Waffen und den mit ihnen geführten Kriegen fliehen, sollen ausgesperrt werden. Viele flüchten, weil westliche Konzerne ihre Länder zerstören. Doch ihre Einreise nach Europa wird mit unmenschlichen Mitteln erschwert. Mehr als 20.000 Menschen sind in den vergangenen sieben Jahren auf dem Weg nach Europa gestorben, ertrunken im Mittelmeer, verdurstet in der Wüste. In den Lagern an den Grenzen, auf dem Boden der EU, gibt es unerträgliches Elend. Deutschland macht sich politisch abhängig von Diktatoren, die den Job der Flüchtlingsabwehr an den europäischen Außengrenzen übernehmen; im Innern macht die extreme Rechte mobil.“
Die Analyse stimmt schon:
Weltweit müssen Menschen flüchten, weil deutsche Konzerne Waffen in Länder exportieren, was zu Krieg, Tod, Hunger und Flucht führt. Der Ansatz der LINKEN ist aber nicht das Ende von Waffenlieferungen, sondern die Erleichterung der Einreise für Flüchtlinge, die aufgrund der verheerenden Verhältnisse aus ihren Heimatländern fliehen müssen.
Der linke Denkfehler wird am Ende des Textes deutlich:
„Wer Fluchtursachen wirklich bekämpfen will, muss endlich die Verhältnisse verändern, die immer wieder zur Flucht zwingen und Hilfe notwendig machen. Statt weiter systematisch Fluchtursachen wie Waffen, Umwelt- und Klimazerstörung sowie Armut zu exportieren, wollen wir daher globale Ungerechtigkeiten überwinden, Demokratie und soziale Bewegungen von Unten unterstützen und Menschen in Not effektiv helfen (vgl. Kapitel Soziale Gerechtigkeit global).“
Bei genauem Lesen wird deutlich, dass Die LINKE mit Regime-Changes auch kein Problem hat. Denn ihre Vorstellungen gehen offenbar über einen Stopp von Waffenlieferungen hinaus. Vielmehr will sie „globale Ungerechtigkeiten überwinden, Demokratie und soziale Bewegungen von Unten unterstützen und Menschen in Not effektiv helfen“ — was zwar schön klingt, letztlich aber gezielte Einflussnahme von außen bedeutet.
Vermutlich ist dieser Ansatz der LINKEN zumindest teilweise die Erklärung für den Erfolg bei der letzten Bundestagswahl. Viele junge Menschen und Migranten werden der LINKEN ihre Stimme gegeben haben, weil Themen wie soziale Gerechtigkeit, Klima- und Umweltschutz und die Einladung von Migranten, nach Deutschland zu kommen, wichtige Wahlbotschaften waren. Damit hat die LINKE nichts erreicht, was programmatisch wesentlich wäre, denn mit der LINKEN wird es weder mehr soziale Gerechtigkeit geben noch mehr Klima- und Umweltschutz. Auch werden die Kriege auf der Welt kein Ende finden, wenn die LINKE sich auf die Fahne schreibt, alle Flüchtlinge aufzunehmen.
Im Gegenteil, bei so viel Willkommenskultur werden die Kriegstreiber noch mehr Kriege anzetteln, die Rüstungsindustrie weiter Waffen in alle Welt verkaufen und damit auch den Klimawandel weiter befeuert.
Andererseits: Wenn Emilia Fester von den Grünen ihren Namen als Mitglied einer Regierungspartei tanzen konnte, können Die LINKEN das als Opposition schon lange.

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