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Kampf der Narrative

Kampf der Narrative

Ein in dieser Form einzigartiges Streitgespräch über die (Un)Rechtmäßigkeit des russischen Vorgehens in der Ukraine geht in die dritte Runde.

In seiner Replik auf meinen zweiten Artikel zum Russland-Ukraine-Krieg weist Felix Feistel darauf hin, dass ich einen Bericht von Human Rights Without Frontiers fälschlicherweise Human Rights Watch zugeschrieben habe. Ich bedanke mich für den Hinweis und bemühe mich, in diesem Artikel genauer auf die Details zu achten.

Butscha

Zu den toten Zivilisten in Butscha gibt Feistel zu bedenken, „dass der Ort unter Beschuss beider Seiten stand, und bei solch kriegerischen Handlungen nun einmal Menschen sterben“. Das ist in der Tat selbstverständlich. Sicher starben Zivilisten in Butscha durch Artilleriebeschuss. Darüber hinaus, so Feistel, sei über die Toten von Butscha „bis heute nichts aufgeklärt, und daher sind Hergang und Täterschaft unklar“.

Feistel spricht wiederholt von einer möglichen Inszenierung sowie von einem „Aufbauschen der bislang jedoch ungeklärten Vorkommnisse in Butscha“, die „den Vorwand lieferten, das fast ausgehandelte Friedensabkommen zu verwerfen“.

Tatsächlich sagte Ukraines Präsident Selenskyj noch nach der Entdeckung hunderter toter Zivilisten in Butscha, die Ukraine habe „keine andere Wahl“, als den Krieg durch Verhandlungen mit Russland zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Ukraine bereits das Istanbuler Kommuniqué an Russland übermittelt, ein ukrainischer Friedensvorschlag, der die bis dahin bekannten russischen Forderungen im Wesentlichen erfüllte.

Der russische Chefunterhändler Wladimir Medinski sagte als Reaktion auf das Istanbuler Kommuniqué, dass die Vorschläge an Präsident Putin weitergeleitet würden und Russland dann antworten werde. Wie ich im ersten Artikel dieser Serie erwähnt habe, beinhaltete die russische Antwort die Forderung, dass Russland bei einem erneuten Angriff auf die Ukraine internationale Hilfe für die Ukraine per Veto verbieten kann. Diese für die Ukraine verständlicherweise inakzeptable Forderung machte ein Friedensabkommen unmöglich.

In seinem ersten Artikel verlinkte Feistel zu einem Artikel von Thomas Röper, wonach die Aussage des tschechischen Söldners Filip Siman bedeute, „dass es die ukrainischen Kräfte waren, die gemordet und vergewaltigt haben“. In meiner Replik wies ich jedoch nach, dass Siman in seiner Aussage vor einem tschechischen Gericht in Wirklichkeit russische Soldaten beschuldigte.

In seinem zweiten Artikel schreibt Feistel nun, Simans Aussagen „belegen, anders als Stolle behauptet, überhaupt nichts“. So schnell ist Siman bei Feistel vom vermeintlichen Kronzeugen für ukrainische Kriegsverbrechen zu jemandem geworden, dessen Aussagen „überhaupt nichts“ belegen.

Feistel schreibt, Siman könne „lediglich vom Hörensagen von dem ‚Massaker‘ erfahren haben“. Dies sei „kein Beweis für etwas, sondern maximal ein Anhaltspunkt für weitere Ermittlungen“. Ich frage mich, wovon Feistel spricht. Siman hat meines Wissens nie von einem „Massaker“ gesprochen, und ich habe ihm das auch nie in den Mund gelegt.

Siman musste sich wegen Plünderung und dem Dienst in einer fremden Armee vor einem tschechischen Gericht verantworten. Seine Aussagen konzentrierten sich auf seinen Fall. Siman gestand, von Leichen und aus verlassenen Häusern gestohlen zu haben. Außerdem berichtete er, auf dem Handy eines russischen Soldaten ein Video gefunden zu haben, auf dem sechs russische Soldaten eine Frau vor den Augen ihrer Kinder vergewaltigen. Siman deutete an, dass seine Einheit die Täter exekutierte, was ein Kriegsverbrechen und eine Bestätigung der von Feistel erwähnten Säuberungsaktion durch proukrainische Kräfte wäre.

Als Beweis für Kriegsverbrechen durch russische Soldaten habe ich nicht Filip Siman zitiert, sondern auf zwei Videos verwiesen, die Ermordungen von Zivilisten zeigen. Feistel schreibt, dass „zwei nur mit Altersverifikation einzusehen sind“. Tatsächlich führen beide Links zur selben Reportage der New York Times. An einer Stelle (ab 19:01) sieht man, wie eine Zivilistin erschossen wird. An anderer Stelle (ab 7:31) hört man angeblich einen russischen Kommandeur, der zu Gewalt gegen Zivilisten aufruft. Zum Inhalt dieser Reportage äußert sich Feistel nicht. Einzig die Altersbeschränkung ist ihm eine Erwähnung wert, was ich nur verstehen könnte, wenn Feistel noch nicht volljährig wäre.

Zum zweiten Video (ab 15:57) schreibt Feistel:

„Was man darauf erkennt, sind bewaffnete Männer, die auf zwei unbewaffnete Zivilisten schießen. Was man jedoch nicht sieht, sind etwaige Abzeichen der russischen Armee oder sonstige Erkennungsmerkmale.“

Tatsächlich ist bei allen Soldaten ein weißes Band am Arm oder Bein zu erkennen. Dies war vor allem in der Anfangsphase der russischen Großoffensive bei russischen Soldaten üblich, um Freund und Feind leichter unterscheiden zu können. Ukrainische Soldaten nutzten häufig ein blaues oder gelbes Band

Bildquelle: DER SPIEGEL, YouTube

Laut Feistel sei der „Ort des Geschehens (…) nur anhand des Videomaterials überhaupt nicht verifizierbar“. Nur anhand des Videomaterials ist es tatsächlich unmöglich. Man muss das Videomaterial einem Vergleich unterziehen. Dafür eignet sich Google Street View. Ein Vergleich des Videomaterials mit Google Street View zeigt, die Tat ereignete sich hier im Dorf Mrija im Rajon Butscha. Die Übereinstimmung mit dem Ort des Geschehens im Video (ab 15:40) ist eindeutig. Die Tankstelle sowie die angrenzende Lagerhalle sind klar zu erkennen.

Feistel schreibt:

„Der kurz vor dem Verbrechen einfahrende Transporter, auf dem groß ‚Spezialkräfte Russlands‘ steht, wirkt fast schon bewusst inszeniert. Immerhin kann jeder einen Transporter anmalen und dann damit herumfahren und Menschen töten.“

Tatsächlich setzten die russischen Streitkräfte zu jener Zeit in den besetzten Gebieten der Ukraine aufgrund von Nachschubproblemen und Verlusten an Militärfahrzeugen auch zivile Fahrzeuge mit ähnlichen Markierungen wie „V“ oder „Z“ ein. Offenbar wurden entsprechende Zivilfahrzeuge sowohl in die Ukraine verbracht als auch in der Ukraine gestohlen.

Zudem wurden beide Opfer sowie zwei Soldaten der für die Morde verantwortlichen Einheit identifiziert. Eines der Opfer ist Leonid Plyats. Das andere Opfer ist der Eigentümer des überfallenen Campingausstatters, dessen Angehörige ihren Familiennamen nicht in den Zeitungen wollen. Ein russischer Soldat wurde identifiziert als Nikolai Sokowikow, ein weiterer als Dmitri Lapschakow.

Sokowikow bestätigte anscheinend, dass er und Lapschakow am Überfall auf den Campingausstatter beteiligt waren, behauptete aber, dass die Mordszenen in die Aufnahmen der Überwachungskamera hineingeschnitten worden sind. Die Glaubwürdigkeit dieser Aussage kann jeder anhand der Videoaufnahmen selbst beurteilen.

Feistel schreibt:

„Auch die zeitlichen Abläufe der Verbrechen in Butscha werfen Fragen auf. Erst einige Tage nach dem Rückzug der russischen Soldaten, nachdem sich der Bürgermeister noch erfreut gefilmt und freudig die ‚Befreiung‘ verkündet hat, wurden ‚plötzlich‘ Leichen gefunden, die auf ein Massaker hindeuteten.“

Die russischen Truppen hatten Butscha am Ende des 30. März 2022 überwiegend oder ganz verlassen. Ukrainische Truppen erreichten Butscha am 31. März und verbrachten den Rest des Tages damit, die Stadt nach Minen, feindlichen Kämpfern und sonstigen Bedrohungen abzusuchen, während Zivilisten angewiesen wurden, in ihren Häusern zu bleiben. Am selben Tag berichtete der „freudig erfreute“ Bürgermeister von der Befreiung der Stadt.

Ist es nicht nachvollziehbar, am Tag der Befreiung über die Befreiung zu berichten? Über zivile Opfer durch willkürliche Morde russischer Soldaten wurde in den Wochen zuvor bereits wiederholt berichtet, warum dies also am Tag der Befreiung hervorheben? Zudem konnte der Bürgermeister zu diesem Zeitpunkt das wahre Ausmaß der zivilen Opfer in Butscha noch gar nicht kennen. Während der Besatzung war es ihm genau wie allen anderen Zivilisten kaum möglich, sich frei und vor allem sicher in der Stadt zu bewegen, geschweige denn Hunderte über die Stadt verteilte Leichen zu untersuchen und Zeugen zu befragen.

Am nächsten Tag, dem 1. April, erklärte die Armee die Stadt für gesichert. Erst jetzt konnten die Einwohner ihre Häuser verlassen und Journalisten beginnen, die Situation vor Ort zu untersuchen. Am Morgen des 2. April begannen die Medien mit der Berichterstattung über die Funde hunderter Leichen und die Aussagen der Einwohner. Was genau an den zeitlichen Abläufen wirft Fragen auf?

Feistels Behauptung, Leichen, die auf ein Massaker hindeuten, seien erst nach dem Abzug der russischen Soldaten „plötzlich“ gefunden worden, entspricht der Propaganda des russischen Verteidigungsministeriums und ist leicht zu widerlegen.

Bereits im Februar 2022 wurde gemeldet, dass russische Soldaten in Butscha auf ein Auto mit zwei Zivilisten geschossen und einen von ihnen getötet haben. Am 4. März wurden drei Zivilisten getötet, die ein Tierheim versorgten, was wenige Tage später in den Nachrichten war. Am 6. März wurde berichtet, dass Zivilisten auf offener Straße erschossen wurden, darunter ein Mann auf einem Fahrrad.

Am 9. März wurde berichtet, „die schwierigste Situation im ganzen Land ist im Bezirk Butscha“. Weiter hieß es, „die Besatzer der Russischen Föderation haben eine humanitäre Katastrophe ausgelöst (…) (und) plündern, vergewaltigen und töten die Zivilbevölkerung“. Am 10. März erschien die Meldung, dass russische Soldaten im nahe gelegenen Irpin willkürlich auf Familien mit Kindern schossen, die versuchten, die Stadt zu verlassen, wobei mehrere Menschen getötet wurden. Am 12. März berichtete eine Stadträtin von Butscha von willkürlichem Beschuss von Wohnhäusern durch russische Soldaten. Am 14. März erschien ein Bericht über ein Massengrab mit mehr als 60 zum Teil nicht identifizierten Leichen.

Am 17. März erschien die Nachricht vom Tod von Ruslan Netschipurenko. Ruslan und sein 14-jähriger Sohn Juri waren mit ihren Fahrrädern auf dem Weg ins Zentrum von Butscha, um Medikamente und Lebensmittel zu besorgen. Auf dem Weg wurden sie von einem russischen Soldaten angehalten und beschossen, obwohl beide ein weißes Armband trugen — die von den russischen Soldaten vorgeschriebene Kennzeichnung für filtrierte Zivilisten — und sich auch sonst eindeutig als unbewaffnete Zivilisten zu erkennen gaben. Die Einzelheiten dieser Geschichte sind bekannt, da Juri Netschipurenko verletzt überlebte.

In einem Artikel von Florian Rötzer im Overton-Magazin fand Feistel einen vermeintlichen „Hinweis, dass zumindest einige der Leichen gar nicht so tot gewesen sein könnten, wie behauptet, was auch die Möglichkeit einer vollständigen Inszenierung zumindest aufwirft“.

Rötzer verweist auf dieses Video. Er schreibt:

„Da sieht man in der 12. Sekunde, wie eine Leiche den Arm zum Schutz vor dem vorbeifahrenden Fahrzeug wegzuziehen scheint.“

Ich habe mir diese Stelle mehrmals in Zeitlupe angesehen. Die Leiche bewegt sich kein Stück und befindet sich zudem am anderen Straßenrand, als das Fahrzeug vorbeifährt.

Weiter schreibt Rötzer: „Und im Rückspiegel könnte man in der 30. Sekunde sehen, wie sich eine der Leichen aufrichtet.“ Der Konjunktiv ist angebracht, denn im Rückspiegel ist niemand zu sehen, weder tot noch lebendig. Aber man „könnte“ sehen, wie sich eine Leiche aufrichtet, wenn man sie sich vor dem geistigen Auge vorstellt.

Bildquelle: Daily War Z, Telegram

Am 11. September führte ich bei Bittel TV ein Gespräch mit Sophia Vasilevskaya. Sie will in der 8. Sekunde desselben Videos eine rauchende Leiche gesehen haben, was auf eine Inszenierung hindeuten würde. Tatsächlich handelt es sich bei der vermeintlichen Rauchwolke jedoch um einen Wassertropfen auf der Windschutzscheibe des Fahrzeugs, aus dem heraus gefilmt wird.

Feistel schreibt, die russischen Soldaten hätten „die Leichen als Beweis ihrer Gräueltaten auch beseitigen können“. Aber wie? Hunderte Leichen aus der Ukraine fortzuschaffen ist logistisch schwierig, vor allem wenn man schon voll bepackt ist mit Diebesgut. Bei der Verbrennung von Leichen verbleiben Knochen und Zähne, wenn man kein Krematorium nutzt. Massengräber können gefunden werden und wurden gefunden, sowohl in Butscha als auch in den umliegenden Wäldern.

Odesa

Feistel schreibt mit Verweis auf einen Artikel der Kharkiv Human Rights Protection Group (KHPG):

„Was die Ereignisse in Odesa angeht, so stützt Stolle sich hier auf ukrainische Quellen, die zumindest undurchsichtig sind, da sie kein Impressum enthalten und nicht ersichtlich ist, wer dahintersteht.“

Wie auf der Website der KHPG zu lesen ist, handelt es sich um den ukrainischen Ableger der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial International, die 1989 von dem sowjetischen Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow gegründet wurde. Direktor der KHPG ist Jewgeni Sacharow, weder verwandt noch verschwägert mit Andrei. Die Autoren werden in den jeweiligen Artikeln genannt. Angaben zur Finanzierung sind in den jährlichen Berichten. Büroadressen und Telefonnummern findet man hier.

Feistel schreibt, dass die KHPG „bei genauerer Betrachtung stark antirussische Berichterstattung betreibt“. Würde er eine Berichterstattung, die sich kritisch mit dem deutschen Staatsapparat auseinandersetzt, auch „antideutsch“ nennen? Wohl kaum. Ist der russische Staatsapparat der Inbegriff von Russland oder warum sollte Kritik an ihm „antirussisch“ sein? Zudem veröffentlichte die KHPG auch zahlreiche Artikel über ukrainische Menschenrechtsverletzungen.

Laut Feistel sei es „für Außenstehende unmöglich, den Verlauf der Ereignisse in Odesa nachzuzeichnen“. Warum soll es unmöglich sein, forensische Beweise auszuwerten, darunter unzählige Videoaufnahmen? Zudem versucht er sich selbst an einer Nachzeichnung. Nach seiner Darstellung waren es am 2. Mai 2014 „die Pro-Maidan-Aktivisten, die zuerst das Camp der Anti-Maidan-Aktivisten angriffen“.

Tatsächlich hatten die Anti-Maidan-Aktivisten am Nachmittag des 2. Mai ihr Camp verlassen, um die Pro-Maidan-Aktivisten anzugreifen, wie man hier (ab 22:30) sehen kann. Erst Stunden später begaben sich die Pro-Maidan-Aktivisten zum Camp der Anti-Maidan-Aktivisten. Das bestätigt auch die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS.

Die wahrscheinlich detaillierteste evidenzbasierte Chronologie der Ereignisse vom 2. Mai 2014 stammt von der „Group 2 of May“. Diese besteht aus dreizehn namentlich bekannten Personen von beiden Seiten des Konflikts. Vorsitzender ist Wladislaw Balinskyj. Die Gruppe hat die Chronologie auch in einer filmischen Reportage aufbereitet.

Weder wurden die Anti-Maidan-Aktivisten bei der Ankunft der Pro-Maidan-Aktivisten am Protestcamp „von der Polizei geschützt“, wie Feistel schreibt, noch wurden sie „in ihrem Zeltlager von proukrainischen Banden angegriffen“. Das Zeltlager war zu diesem Zeitpunkt bereits überwiegend zu diesem Militärdenkmal im Süden der Stadt umgezogen. Die wenigen verbliebenen Zelte vor dem Gewerkschaftshaus waren bei der Ankunft der Pro-Maidan-Aktivisten verlassen, wie man in diesem Video und weiteren Videos der Playlist sehen kann. Die Polizei war bei der Ankunft der Pro-Maidan-Aktivisten weit und breit nicht zu sehen.

Nur in einem Zelt befand sich ein Mann mit einer Axt, der kurz etwas Rabatz machte und dann flüchtete, wie man hier sehen kann. Die restlichen Anti-Maidan-Aktivisten hatten sich zu diesem Zeitpunkt entweder bereits entfernt, zum neuen Zeltlager begeben, oder vor und in das Gewerkschaftshaus zurückgezogen, wie man in diesem Video und weiteren Videos der Playlist sehen kann.

Feistel schreibt, es ergäbe „keinen Sinn, wenn die prorussischen Aktivisten selbst, wie Stolle schreibt, im Inneren des Gewerkschaftshauses Molotowcocktails geworfen hätten“. Erstens habe ich nur von einem Molotowcocktail gesprochen. Zweitens: Ergibt es etwa Sinn, allein und mit einer Axt bewaffnet auf die Ankunft eines feindlichen Mobs zu warten? Oder ergibt es Sinn, sich in einem Haus zu verschanzen und Molotowcocktails auf Angreifer außerhalb des Hauses zu werfen, während diese ihrerseits Molotowcocktails auf das Haus werfen und man so Gefahr läuft, in einer brennenden Falle festzusitzen, während die Angreifer um das Haus herum nicht diesem Risiko ausgesetzt sind?

Als eine wilde Meute drauf und dran war, das Gewerkschaftshaus zu stürmen, könnte es möglich gewesen sein, dass eine der rund 400 Personen innerhalb des Gebäudes auf die Idee kam, einen Molotowcocktail innerhalb des Gebäudes zu werfen, um die Angreifer zu vertreiben? Wer hier „unmöglich“ sagt, unterschätzt leider die Dummheit einiger Menschen.

In seinem ersten Artikel schrieb Feistel:

„Jeder, der sich retten wollte, wurde erschossen oder brutal zu Tode geschlagen.“

In meiner Replik wies ich darauf hin, dass über 300 Personen lebendig entkommen sind und kein einziger Mord im Rahmen der Evakuierung des Gebäudes belegt ist. Feistel gesteht die eklatante Falschaussage aus seinem ersten Artikel nicht explizit ein, er backt in seinem zweiten Artikel jedoch kleinere Brötchen und schreibt:

„Die aus den Fenstern fliehenden Menschen wurden, am Boden angekommen, von den proukrainischen Banden blutig geschlagen.“

Das klingt so, als wären alle Anti-Maidan-Aktivisten im Rahmen der Evakuierung verprügelt worden, was nicht der Wahrheit entspricht, wobei in der Tat Fälle von Gewalt gegen flüchtende Personen belegt sind.

Feistel schreibt:

„Ob es sich bei den Helfern, welche die prorussischen Aktivisten dabei unterstützten, aus dem brennenden Gewerkschaftshaus zu entkommen, um proukrainische Aktivisten handelt, wie Stolle schreibt, ist vollkommen unklar, und es stellt sich die Frage, woher er diese Information hat.“

Man kann es sich an zwei Fingern abzählen, weil die prorussischen Aktivisten im Gebäude waren und die proukrainischen Aktivisten draußen. Ansonsten findet man diese Information auch in der Chronologie der Ereignisse auf der Seite der „Group 2 of May“, die Feistel trotz meines Hinweises im letzten Artikel offenbar nicht gelesen hat.

Feistel erwähnt einen „russischen Neonazi, (…) den Stolle als Kronzeugen für die Ereignisse heranzieht“. Tatsächlich habe ich den russischen Neonazi Anton Rajewski zur Vorgeschichte der Ereignisse zitiert. Wie Feistel darauf kommt, dass ich ihn als Kronzeugen für den 2. Mai heranziehe, ist mir ein Rätsel. Rajewski war an diesem Tag in Russland. Wie ich in meinem letzten Artikel geschrieben habe, wurde er einen Monat vor den Ereignissen von den ukrainischen Behörden des Landes verwiesen.

Feistel schreibt: „Stolle führt aus, dass die Polizei die prorussischen Demonstranten schützte, während sie auf die proukrainischen Demonstranten geschossen habe.“ Auch diese Aussage ist leider falsch. Nicht die Polizei, sondern die prorussischen Aktivisten waren für die Schüsse verantwortlich, was ich in meinem letzten Artikel auch so geschrieben habe und wie man in der Reportage der „Group 2 of May“ sehen kann (ab 25:26).

Donbas

Feistel schreibt:

„Ist es denkbar, dass Russland Aktivisten im Donbas unterstützte? Natürlich. Ist es wahrscheinlich? Auch das. Ist die angeführte Quelle dafür ein Beweis? Nein. Das verlinkte Video, das angeblich ein Gespräch zwischen Putins Berater Sergej Glasjew, dem Gründer des Moskauer Instituts der GUS-Staaten Konstantin Zatulin und dem stellvertretenden Direktor des Instituts Kirill Frolow darstellt, kann authentisch sein. Muss es aber nicht. Hier müssten wohl nähere Stimmanalysen vorgenommen werden, um die Authentizität zu beweisen.“

Offenbar hat Feistel die Stelle überlesen, an der ich schrieb, „Zatulin bestätigte die Echtheit der Aufnahmen“. Wörtlich sagte Zatulin zu den abgehörten Gesprächen mit Glasjew:

„Dafür schäme ich mich überhaupt nicht und ich werde mich auch vor niemandem dafür rechtfertigen. Es ging darum, Menschen zu unterstützen, die gegen den Putsch sind, ja.“

Zwar behauptete Zatulin, die Aufnahmen seien manipulativ geschnitten, aber er lässt offen, welche Aussagen angeblich betroffen sind.

Feistel schreibt:

„Stolle erklärt die Abspaltung des Donbas zu einem Ergebnis russischer Einflussnahme in der Region. Tatsächlich kommt aber eine von ihm selbst verwendete Quelle zu dem Schluss, dass die Abspaltungstendenzen im Donbas höher waren als in anderen Regionen der Ukraine, mit Ausnahme der Krim. Somit bestand auch im Donbas die Bestrebung, von der Ukraine unabhängig zu werden.“

Die von mir verwendete Quelle zeigt, dass im Donbas ein höherer Bevölkerungsanteil als in allen anderen Regionen der Ukraine — mit Ausnahme der Krim — für eine Abspaltung war, aber dennoch eine Minderheit. Es gab im Donbas eine Bestrebung, von der Ukraine unabhängig zu werden, nur wurde diese Bestrebung von einer Minderheit befürwortet. Es gab im Donbas eine noch größere Bestrebung, die Einheit der Ukraine zu bewahren. Ohne russische Einflussnahme hätte es keine Abspaltung gegeben, somit ist die Abspaltung des Donbas das Ergebnis russischer Einflussnahme, die gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung im Donbas erfolgte.

Feistel schreibt:

„Die anderen angeführten Umfragen stützen die These, dass sich die meisten Menschen im Donbas weder mit der Ukraine noch mit Russland identifizierten, sondern am ehesten mit dem Donbas selbst, und sich als eine Mischung aus Ukrainern und Russen sahen (…).“

Zwar schreibt Feistel die „Menschen im Donbas“, er meint aber die Menschen in den Separatistenregionen des Donbas, denn die erwähnte Umfrage aus dem Jahr 2019 wurde auf beiden Seiten der Front durchgeführt. Im ukrainisch kontrollierten Teil des Donbas identifizierte sich die Mehrheit als ukrainisch. In den Separatistenregionen identifizierten sich 21 Prozent als gemischt ukrainisch-russisch und 17,9 Prozent als Bürger des Donbas. Die drittgrößte Gruppe mit 12,6 Prozent identifizierte sich als ukrainische Staatsbürger. 11,5 Prozent identifizierten sich als Bürger der separatistischen Volksrepubliken und 2,7 Prozent als russische Staatsbürger.

Laut Feistel spreche diese Umfrage „für eine Unabhängigkeitsbestrebung oder zumindest eine Autonomiebestrebung“. Tatsächlich sprach sich laut dieser Umfrage sowohl im ukrainisch kontrollierten Teil des Donbas als auch in den Separatistenregionen eine Mehrheit für den Verbleib in der Ukraine aus, wobei die Mehrheit in den Separatistenregionen „mehr Autonomierechte für den Donbas innerhalb einer geeinten Ukraine“ befürwortete, wie ich in meinem letzten Artikel anmerkte.

Feistel schreibt:

„Auch ist die Kyiv Post, die Stolle als Beleg heranzieht, keine unabhängige, objektive Stimme, sondern ein Kyjiwer Propagandaorgan — und daher wenig vertrauenswürdig.“

Ich habe zwar ausdrücklich geschrieben, dass die von der Kyiv Post erwähnte Untersuchung vom Donezker Institut für Sozialstudien und politische Analysen stammt, also aus einer der Hauptstädte des Donbas, aber scheinbar wird die Untersuchung durch ihre bloße Erwähnung in der Kyiv Post diskreditiert.

Danach bezeichnet Feistel Alina Lipp und Thomas Röper als „unabhängigere Journalisten“, obwohl beide in Russland beziehungsweise auf der von Russland annektierten Krim leben und aus ihrer Vorliebe für die russische Regierung keinen Hehl machen. Beide halten sich in ihrer Berichterstattung eng an offizielle russische Verlautbarungen. So ist es nicht verwunderlich, dass Lipp und Röper „ein ganz anderes Bild, nämlich eines der breiten Zustimmung zur Unterstützung durch und den Anschluss an Russland“ zeichnen. Die von ihnen gesammelte anekdotische Evidenz ist jedoch weder wissenschaftlich noch unvoreingenommen. Ihren persönlichen Meinungen das gleiche Gewicht beizumessen wie umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen mehrerer Institute, die ein differenziertes Gesamtbild liefern, das weder dem Propagandanarrativ des Westens noch dem der russischen Regierung entspricht, ist absurd.

Wenn jemand ein unabhängiger Journalist ist, dann bin ich es. Erstens bin ich aufgrund meiner Arbeit als Türsteher nicht von meinem Einkommen als Journalist abhängig und zweitens kritisiere ich als einer der ganz wenigen alle Regierungen und stelle die Verbrechen aller Regierungen bloß, beispielsweise westliche Angriffskriege oder das vom Westen unterstützte Maidanmassaker, das ein ukrainischer Anschlag unter falscher Flagge war. Meiner Meinung nach sind alle Regierungen kriminell. Die Einzelheiten sind in meinem Buch Generation Mensch nachzulesen.

Feistel moniert, dass ich die Krim konsequent als annektiert bezeichne, „obwohl das die Sachlage stark vereinfacht und im Ergebnis wahrscheinlich unzutreffend ist“. Dann kann mir Feistel „wahrscheinlich“ auch sagen, nach welchem ukrainischen Gesetz die Übernahme ukrainischen Territoriums durch einen anderen Staat erfolgt ist. Natürlich gibt es kein solches Gesetz. Auf der Krim gab es einen Staatsstreich und eine Annexion. Das Referendum wurde gegen ukrainisches Recht mithilfe Zehntausender illegal in der Ukraine operierender russischer Soldaten von Russland vorbereitet und organisiert. Dennoch sollte die Ukraine die russische Annexion der Krim akzeptieren, da sie trotz ihrer formalen Unrechtmäßigkeit den Willen der Bevölkerung auf der Krim widerspiegelt, wie ich in meinem letzten Artikel anhand der zuvor erwähnten Untersuchungen belegte.

Feistel schreibt:

„Im Donbas ist zudem relevant, dass die Ukraine kurz vor der Anerkennung der Donbasrepubliken als eigenständige Staaten die Gewalt gegen diese Regionen eskaliert hat.“

Das behauptet auch die russische Regierung. Die Wahrheit ist jedoch komplexer.

Der Gesetzentwurf zur Anerkennung der Donbasrepubliken wurde am 15. Februar 2022 von der Kommunistischen Partei im russischen Parlament eingebracht. An diesem Tag gab es relativ wenige Waffenstillstandsverletzungen, wobei die meisten Explosionen auf ukrainischem Territorium gemeldet wurden. Am 16. Februar gab es überdurchschnittlich viele Waffenstillstandsverletzungen. Die meisten Explosionen betrafen wiederum ukrainisches Territorium. Das gleiche Bild am 17. Februar, erneut ein Anstieg der Waffenstillstandsverletzungen, die meisten Explosionen betrafen weiterhin ukrainisches Territorium. Am 17. Februar griffen die Separatisten außerdem einen Kindergarten auf ukrainischem Territorium an.

Der ukrainische Oberst Oleksandr Sinewytsch prophezeite angesichts dieser Entwicklungen, Moskau versuche, die ukrainischen Streitkräfte zu einer Reaktion zu provozieren, um Russland einen Vorwand für eine Invasion zu liefern. Russland beschuldigte im Gegenzug die Ukraine, eine Eskalation provozieren zu wollen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte die Ukraine den Beschuss des Kindergartens als Anlass genutzt, um in den Donbas einzumarschieren. Dass dies nicht passierte, zeigt, dass es sich um eine Provokation der prorussischen Separatisten handelte, die darauf abzielte, die Ukraine zu einem verstärkten Beschuss des Donbas zu bewegen, um damit eine russische Invasion der Ukraine zu rechtfertigen.

Genau so kam es auch. Am 18. Februar stieg die Zahl der Waffenstillstandsverletzungen erneut an, wobei die meisten Explosionen nun das Territorium der Separatistenrepubliken betrafen, was sich auch in den folgenden Tagen nicht änderte, als Selenskyj auf der Münchener Sicherheitskonferenz über das Budapester Memorandum sprach. Er sagte:

„Seit 2014 hat die Ukraine dreimal versucht, Konsultationen mit den Garantiestaaten des Budapester Memorandums (Russland, USA, das Vereinigte Königreich) einzuberufen. Dreimal ohne Erfolg. Heute wird die Ukraine dies zum vierten Mal tun. (…) Wenn sie wieder nicht stattfinden oder ihre Ergebnisse nicht die Sicherheit unseres Landes garantieren, hat die Ukraine jedes Recht zu glauben, dass das Budapester Memorandum nicht funktioniert und alle Paketbeschlüsse von 1994 in Frage gestellt sind.“

Bis zum 21. Februar, dem Tag der offiziellen Anerkennung der Separatistenrepubliken durch Russland, blieb die Zahl der Waffenstillstandsverletzungen im Donbas auf einem konstant hohen Niveau, mit Ausnahme des Sonntags, des 20. Februar. Am 22. Februar, als die Verträge über Freundschaft und gegenseitigen Beistand zwischen Russland und den Separatistenrepubliken ratifiziert wurden, ging die Zahl der Waffenstillstandsverletzungen wieder zurück. Die Zahlen für den 23. Februar liegen bereits nicht mehr vor, weil die OSZE-Mission aufgrund der russischen Großoffensive am Morgen des 24. Februar mit dem Zählen nicht mehr hinterherkam.

Völkerrecht

Feistel sollte als Experte auf diesem Gebiet gelten, hat er doch Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Völker- und Europarecht studiert und sogar ein Staatsexamen abgelegt. Er schreibt:

„Das Völkerrecht kennt die Gründung von neuen Staaten durch Sezession. Allerdings wurde kein völkerrechtliches Instrument zur Anerkennung neuer Staaten festgelegt.“

Tatsächlich gibt es ein solches Instrument: die Vereinten Nationen. Im Jahr 2011 erkannte die UN ihren neuesten Mitgliedsstaat an, den Südsudan. Vorausgegangen waren ein Referendum, die Staatsgründung, eine Empfehlung des UN-Sicherheitsrats, und eine Abstimmung der UN-Generalversammlung, die den Südsudan einstimmig als 193. Mitglied der UN bestätigte.

Artikel 51 der UN-Charta gilt „im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen“. Zwischen 1945 und 2018 wurde der UN-Sicherheitsrat 433 Mal unter Berufung auf Artikel 51 angerufen. Alle 433 Fälle wurden von UN-Mitgliedsstaaten eingebracht.

Feistel argumentiert, auch Nichtmitglieder der UN, wie beispielsweise die Donbasrepubliken, müssen sich auf Artikel 51 berufen können, weil sonst, „wenn beispielsweise Italien den Vatikan angreifen würde (…), das Völkerrecht auf diesen Konflikt keine Anwendung fände“.

Der Heilige Stuhl hat permanenten Beobachterstatus, ist aber kein UN-Mitglied und könnte sich daher nicht auf Artikel 51 der UN-Charta berufen. Der Vatikan kann sich jedoch auf die Lateranverträge von 1929 berufen, in denen Italien die politische und territoriale Souveränität des Vatikans garantiert. Selbst wenn der Vatikan von einem anderen Land als Italien angegriffen würde, könnte er sich wie alle Staaten und Protostaaten auf das Völkergewohnheitsrecht berufen, um sich zu verteidigen.

Protostaaten, wie beispielsweise Palästina, die kein UN-Mitglied sind, aber das Statut des Hauptrechtsprechungsorgans der Vereinten Nationen, des Internationalen Gerichtshofs, ratifiziert haben, können sich außerdem an diesen wenden.

Zusammengenommen ist eine Anwendung von Artikel 51 der UN-Charta über das im Artikel selbst definierte Maß, wie es Feistel anregt, weder vorgesehen noch erforderlich.

Feistel schreibt, in Artikel 51 sei nur von UN-Mitgliedsstaaten die Rede, „da ohnehin — bis eben auf den Vatikan und Palästina — jeder Staat der Erde Mitglied der Vereinten Nationen ist“. Tatsächlich gibt es viele weitere Staaten, die kein UN-Mitglied sind, darunter Taiwan, Kosovo, Nordzypern, Somaliland, Transnistrien, Abchasien und Südossetien, wobei Feistel die beiden letzteren kennen sollte, da er sie in seinem Artikel in einem anderen Zusammenhang erwähnt.

Sergei Gorinow

Streitpunkt ist die Verurteilung von Sergei Gorinow zu sieben Jahren in einem russischen Straflager und die Frage, inwieweit seine Verurteilung damit zusammenhängt, dass er die „spezielle Militäroperation“ Russlands als „Krieg“ bezeichnete.

Feistel schreibt: „Erwähnenswert erscheint mir zunächst, dass Stolle hier als Quelle nicht das Gerichtsurteil, sondern einen Telegramkanal mit dem Namen ‚Freiheit für Gorinow‘ anführt.“

Tatsächlich habe ich das Urteil als Quelle angegeben. Der Link verweist direkt auf den Telegram-Beitrag mit der PDF-Datei des Urteils. Feistel antwortet mit einer anderen Quelle, die pikanterweise auf exakt die gleiche PDF-Datei verweist wie der von mir verlinkte Beitrag auf Telegram.

In seinem ersten Artikel hatte Feistel noch behauptet, es sei „faktisch falsch“, dass es bei der Verurteilung Gorinows „um die Bezeichnung der ‚militärischen Sonderoperation‘ als ‚Krieg‘ gegangen sei.“ In seinem zweiten Artikel rudert er teilweise zurück und schreibt, „dass diese Aussage ausschlaggebend für die Verurteilung gewesen sei, ist jedoch eine Überdehnung des Wortlautes“.

Der Wortlaut des Gerichtsurteils benennt „aufgezeichnete Aussagen (…) mit wissentlich falschen Informationen (…) über die Durchführung militärischer Angriffsaktionen durch die Russische Föderation (…), wobei diese nicht als spezielle Militäroperation, sondern als Krieg bezeichnet wurden“.

Offensichtlich ist die Bezeichnung „Krieg“ für Russlands „spezielle Militäroperation“ nach Ansicht des Gerichts falsch, sonst müsste dieser Punkt nicht erklärt werden. Gorinow hat also laut Gericht „wissentlich falsche Informationen“ verbreitet, als er von einem Krieg sprach, denn natürlich kannte Gorinow die offizielle Sprachregelung. Die Bezeichnung des Krieges als Krieg war daher mit ausschlaggebend für seine Verurteilung, denn wie Feistel selbst schrieb, wurde Gorinow verurteilt nach „Artikel 207.3 des Strafgesetzbuches, der die ‚öffentliche Verbreitung von wissentlich falschen Informationen über den Einsatz russischer Streitkräfte‘ unter Strafe stellt“.

Selbst in dem vom Feistel zitierten Artikel mit einer vermeintlich alternativen Interpretation des Urteils spricht der Autor davon, dass Gorinow verurteilt wurde, weil er den Krieg einen Krieg nannte. Feistel schreibt zwar, „(d)er Autor des Artikels fasst die Gründe für die Verurteilung dann folgendermaßen zusammen“ und zitiert dann vier abstrakte Punkte, aber keine konkrete Aussage, wegen der Gorinow nach Ansicht des Autors verurteilt wurde, obwohl der Autor diesbezüglich explizit schreibt:

„Wie üblich beruft sich der Richter auf die Europäische Menschenrechtskonvention, in der es unter anderem heißt, dass angemessene Beschränkungen der Meinungsfreiheit auferlegt werden können, wenn sie zum Schutz des öffentlichen Interesses erforderlich sind. Der Verweis ist natürlich heuchlerisch: Sieben Jahre Gefängnis für das Wort ‚Krieg‘ sind keine angemessene Einschränkung. Deshalb ist Russland von der Konvention zurückgetreten, damit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ihm das nicht sagen kann.“

Der Kampf um die Wahrheit

Wegen meiner Berufung auf westliche und ukrainische Quellen wirft Feistel mir Unausgewogenheit vor. Ich würde vorschlagen, inhaltliche Kritik zu priorisieren, unabhängig von der Herkunft einer Quelle, zumal ich auch russische Quellen wie TASS, Kommersant und RIA Novosti heranziehe, Feistel jedoch nur eine einzige ukrainische Quelle.

Zudem verlinkt Feistel in zwei Artikeln 18 Mal zu Anti-Spiegel von Thomas Röper, den er als unabhängigen Journalisten einstuft, obwohl er sich klar zugunsten der russischen Regierung positioniert. Übrigens habe ich Röper über das Kontaktformular seiner Website bereits vor Wochen anhand dieses Artikels bei Novinky auf die sinnentstellende Interpretation von Filip Simans Aussagen vor einem tschechischen Gericht in diesem Artikel bei Anti-Spiegel hingewiesen, ohne dass der Artikel bei Anti-Spiegel korrigiert wurde.

Feistel schreibt:

„Stolle behauptet, er habe nachgewiesen, dass meine Erwiderung falsch sei und ich Falschaussagen verbreite. Wie sich zeigt, sieht es mit Beweisen dürftig aus. (…) Er hält an Klischees fest. Auf dieser Sicht kann er gerne beharren. Das zeugt dann aber nicht von einem Willen, sich der Wahrheit zu nähern, sondern eher, sich in seinen Vorurteilen zu bestätigen. Die Frage, ob das zu einer Diskussion taugt, drängt sich dann auf.“

Ob diese Aussage mehr auf mich oder auf Felix Feistel zutrifft, kann jeder anhand dieser Artikelserie selbst entscheiden.

Meine ausführliche Replik ist wieder exklusiv auf Substack.


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