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Keine Macht dem Fußball!

Keine Macht dem Fußball!

Der Fußball überschattet andere Sportarten und verkommt zur Monokultur.

Fußball scheint der Nationalsport in der Bundesrepublik Deutschland zu sein. Alle zwei Jahre treibt ein fußballerisches Großereignis die Deutschen an die TV-Geräte, um vier Wochen lang der deutschen Fußballnationalmannschaft beim Tore schießen zuzusehen.

König Fußball steht hierzulande unangefochten auf Platz eins der beliebtesten Sportarten. Die Popularität des Fußball ist so enorm, dass die vielen begeisterten Anhänger mit diversen Fan-Utensilien ihre Autos, Häuser und, natürlich, sich selbst schmücken. Jedoch gibt es nur wenige Deutschland-Fans, die ein solches Verhalten bei Weltmeisterschaften im Turnen, Badminton oder Mountainbike zeigen.

Der Deutsche Fußball-Bund hat mehr als sieben Millionen Mitglieder und ist damit international sowie national der größte Sportverband. Das bedeutet im Endeffekt: Etwa jeder elfte Bundesbürger beschäftigt sich beruflich oder privat mit dem Thema Fußball.

Für Welt- und Europameisterschaften sind das natürlich zahlreiche Zuschauer, die theoretisch – aufgrund ihres Interesses – der Fußballindustrie zur Verfügung stehen und von ihr unterhalten werden wollen. Kein anderer Sport hat in diesem Land einen derartig großen Zuspruch. Gleichwohl profitiert der Fußballsport von vielen Seiten, die ihn scheinbar ins Rampenlicht heben. Zum Nachteil anderer Sportarten wirken Politik, Werbeindustrie und die Sportberichterstattung wie ein Katalysator für die „Fußballisierung“ einer ganzen Nation.

Jedoch sollte man sich als Fußball-Fan einmal fragen, ob diese Sportart tatsächlich eine stärkere Aufmerksamkeit als andere Sportarten verdient hat.

Die mediale Aufmerksamkeit

Warum sollte dies der Fall sein? Ist es ein Sport, der alle anderen sportlichen Leibes- und Konzentrationsübungen unterdrücken darf? Nein, dennoch wird er in dieser Form in der deutschen Medienlandschaft und Sportberichterstattung deutlich überbewertet dargestellt.

Fußball ist eine von zahlreichen Sportarten, die uns Menschen als eine Freizeitaktivität dient und zugleich fit hält. Doch der Fußball wird zum falschen Zwecke missbraucht und der Zuschauer fällt jedes Mal aufs Neue darauf herein. Die Fernsehformate nehmen ständig Bezug zum Fußballsport. Eine große deutsche Bankgesellschaft wirbt für das eigene Unternehmen mit den deutschen Fußballnationalspielern. Ein Rasierklingenhersteller zeigt, wie die großen Weltstars eine möglichst glatte Rasur erreichen und viele andere Großkonzerne inszenieren solches auf ähnliche Art und Weise.

Dieser Sportart wird mithilfe derartig schillernder Werbefiguren ein künstlich überzogenes Image verpasst; insbesondere im deutschen Fernsehen findet eine übertriebene Darstellung statt. Fußball bietet das größte Vermarktungspotenzial, welches in Hülle und Fülle jeden Tag ausgeschöpft wird. Zahlreiche Fernsehsendungen schneiden ihre Berichterstattung gerade während der Meisterschaften zum größten Teil aus den Fußball-Themen zurecht.

Gibt es in Deutschland keine anderen Sportarten, über die ausgiebig berichtet werden könnte?

Das „aktuelle Sportstudio“ im ZDF beginnt grundsätzlich immer mit Beiträgen zum Fußball. Anschließend erfolgt zumeist eine Gesprächsrunde oder ein Interview mit einem Trainer, Spieler oder sonstigen Funktionär derselben Sportart. Andere Sportarten werden kurzgehalten und Interviewpartner wie beispielsweise vom Eishockey oder Handball erhalten nur eine Einladung ins Fernsehgeschehen, wenn ein deutscher Titel in der internationalen Sportwelt verbucht wurde.

Bezeichnend war diese Einseitigkeit beispielsweise im Oktober 2017. Pauline Schäfer und Tabea Alt gewannen für Deutschland die Gold- und Bronzemedaille am Turngerät Balken bei den Turnweltmeisterschaften im kanadischen Montreal. Daraufhin wurden beide Frauen ins „aktuelle Sportstudio“ eingeladen. Allerdings begann die folgende Sendung nicht mit einem ausführlichen Bericht zu den Turnerinnen, wie es sich doch für solche großartigen sportlichen Leistungen gehören sollte. Das ZDF zeigte zuerst eine mehr als 20-minütge Berichterstattung über die Samstagsspiele der 1. Fußball-Bundesliga. Es ist ungeheuerlich, wie sehr der Fußballsport in den Vordergrund gedrängt wird.

Hinzukommt ebenso, dass in dieser Sendung seit einer gefühlten Ewigkeit auf eine hölzerne Torwand geschossen wird. Jeder Studiogast, unabhängig von seiner eigentlichen Sportart, wird gegen einen Bewerber aus den Sphären des Kreisliga-Fußballs aufgefordert, den Ball jeweils dreimal in ein unteres und ein oberes Loch zu schießen. Es ist beschämend, dass mancher Nicht-Fußballer in einem unterhaltsam inszenierten Duell entwürdigt wird.

Diese Sportsendung ist keineswegs ein Einzelfall. Der „Sportplatz“ im RBB oder „Sport im Osten“ im MDR berichten nach dem selben Muster: Zuerst kommt Fußball und anschließend der restliche Sport, sofern noch Sendezeit ist. Viele Tageszeitungen arbeiten nach demselben Prozedere. Es wird zuerst von der Bundes- bis zur untersten Kreisliga jedes noch so uninteressante Ergebnis plakatiert und nur, wenn noch – neben den Werbeanzeigen – ein wenig Freiraum ist, findet sich der ein oder andere nicht-fußballerische Profisportler auch einmal wieder.

Die Medien verschaffen diesem Sport eine Aufmerksamkeit, die von den Konsumenten – auch von den nicht so fußballbegeisterten – klaglos hingenommen wird. Welch ein Zuschauer oder Leser beschwert sich schon bei einer Rundfunkanstalt oder bei einer Tageszeitung über die einseitige Sportberichterstattung? Es sind die wenigsten, die Enthusiasmus und Ausdauer haben und für andere Sportarten in der Öffentlichkeit kämpfen.

Gottgleiche Figuren

Damit ein Umdenken in der öffentlichen Sportwelt und bei den Zuschauern erfolgen kann, braucht es ein Umdenken in der gesamten Gesellschaft. Fußball sollte von allen Medien auch kritisch betrachtet werden. Die horrenden Millionengehälter von Fußballspielern, das ständige Transferchaos zwischen den größten Fußballclubs der Welt und schließlich die pure Gewinnmaximierung aller Beteiligten lässt diesen Sport keineswegs zu einer Vorzeige-Sportart werden. Ein Vorbildcharakter für den Menschen ist also nicht erkennbar.

Gleichwohl wollen die Medien über den unrühmlichen Teil ihres Lieblingssportes kaum berichten. Es wäre womöglich negativ für das eigene Geschäft und könnte schließlich den Profit schmälern. Fußballprofis werden in der Öffentlichkeit als gottgleiche Figuren gesehen. Der Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Trainingslager der deutschen Fußballnationalmannschaft in Südtirol hatte auch seitens der Politik eine klare Aussage: Zuerst kommt Fußball und anschließend der restliche Sport, sofern noch Zeit für einen Besuch ist. Wann war eine so hohe Politikerin oder ein hochrangiger Politiker schon einmal bei einem anderen Nationalteam, wie etwa bei der deutschen Feldhockeynationalmannschaft während ihrer Vorbereitung auf ein internationales Turnier?

Zudem werden beispielweise die deutschen Fußballnationalspieler nur mit Polizei-Eskorte durch die Walachei gefahren. Damit wird dem Bürger vermittelt, dass ein solcher Nationalspieler unentbehrlich ist und besonderen staatlichen Schutz genießt. Diese Sonderbehandlungen sind einfach lächerlich und machen Klassenunterschiede zum „einfachen Bürger“ (und Sportler) deutlich.

Vom Aussterben bedroht

Bereits 2015 gab es eine große öffentliche Debatte, weil ARD und ZDF nicht bereit waren, 150 Millionen Euro für die Übertragungsrechte bei den Olympischen Winterspiele in Pyeongchang (2018) und bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio (2020) zu zahlen (1). Schlussendlich sicherten sich beide Fernsehanstalten nach dem öffentlichen Druck doch noch die Übertragungsrechte. Zum Vergleich: Für die Übertragungsrechte bei der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien zahlten beide Sender 210 Millionen Euro und für die diesjährige WM wurden sogar 218 Millionen Euro gezahlt (2).

Dieses klägliche Verhalten zweier öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten ist ein Sinnbild für die eintönige Sportberichterstattung. Selbst Handball kommt in der Bundesrepublik Deutschland gegen den Fußball nicht an. Zwar berichten ARD und ZDF im Winter zumeist über den Handballsport mit deutscher Beteiligung in der Welt oder in Europa, aber das war es dann auch wieder für ein ganzes Kalenderjahr. Besonders die „Sportschau“ in der ARD besteht am Samstagabend nur aus der 1. und 2. Fußball-Bundesliga sowie der 3. Liga. Eine Zusammenfassung eines Spiels der 1. Handball-Bundesliga taucht während der Spielzeiten des saisonalen Profifußballs in keiner Weise auf.

Der Grund dafür ist: Es fehlen den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten die Fernsehrechte, um weitläufiger über Handball berichten zu können. Dort sparen diese Sender, um es anschließend der Fußballindustrie in den Allerwertesten zu schieben. Als ob die Fußballindustrie zu wenig Geld zur Verfügung hätte. Wer einmal Volleyball, Trap-Schießen oder Rudern sehen will, der muss schon tief in der Flimmerkiste kramen, um Erfolg zu haben. Da ist mancher Fernsehzuschauer schon geplättet, wenn er bei den Olympischen Sommerspielen Sportarten sieht, bei denen er dachte, diese seien längst ausgestorben.

Der Sport Ringen ist besonders vom Aussterben bedroht. In den letzten Jahren wurde heftig über den Verbleib dieser Disziplin bei den Olympischen Sommerspielen diskutiert. Das Internationale Olympische Komitee sprach sich jedoch letztlich dafür aus. Diese Tragik ist kaum in Worte zu fassen: Das Internationale Olympische Komitee wollte eine „ur-olympische“ Sportart aus dem Programm streichen, weil sie nicht kommerziell erfolgreich genug ist. Es sollte doch vor allem Aufgabe dieses Komitees sein, vornehmlich den kleinen, fast schon unbekannten Sport zu fördern, anstatt ihn auszuschließen.

Der selbstfinanzierte Traum

Einem Trauerspiel gleicht auch die Tatsache, dass viele der Sportler außerhalb des Fußballs keine Berufssportler sind. Einzig ein paar Mannschaftssportarten wie Basketball, Eishockey oder Handball bieten den besten Sportsmännern ein angemessenes Arbeitsentgelt, das jedoch kaum mit den utopischen Summen in der Fußballindustrie zu vergleichen ist.

Sportler in Einzelsportarten können sich ein Agieren auf höchster Ebene oftmals nur leisten, wenn sie in einer Trainingsgruppe bei der Bundeswehr, Bundespolizei oder beim Zoll sind. Sie werden vom Dienst freigestellt, dabei jedoch durch den entsprechenden Dienstherrn weiterhin versorgt und können sich dadurch auf ihre Wettkämpfe vorbereiten.

Einzelne deutsche Spitzensportler müssen sich ihren Traum von der Teilnahme an einem großen Wettbewerb ansonsten in vollem Umfang selbst finanzieren. Zwei dieser Athletinnen waren die Ski-Freestylerinnen Lea Bouard und Katharina Förster. Die beiden jungen Frauen gingen in diesem Jahr für Deutschland in der Disziplin Ski Freestyle bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang (Südkorea) an den Start. Ihre Leidenschaft ist es, mit den Skiern die Buckelpiste zu bezwingen. Dieser Traum konnte letztlich nur verwirklicht werden, weil sich beide ihre Teilnahme selbst finanzierten. Der Deutsche Skiverband stellte vor einigen Jahren die Förderung ein.

Die Kosten für einen Antritt bei Olympia waren immens. Die Weltcup-Reisen, die Unterkünfte und die Honorierung des Trainers kosteten pro Saison 25.000 Euro. Katharina Förster investierte in ihren Sport in den letzten vier Jahren etwa 100.000 Euro. Die deutsche Skifahrerin musste ihren Sold bei der Bundeswehr nutzen und mehrere Kredite aufnehmen, damit eine Teilnahme finanziert werden konnte.

Die Familie von Lea Bouard investierte für sie und ihren Bruder Adrien in den vergangenen zwei Jahren ebenfalls etwa 100.000 Euro, damit sich beide für die diesjährigen Olympischen Winterspiele qualifizieren konnten. Adrien Bouard schaffte die Teilnahme letztlich nicht (3).

Es ist bitter für jeden betroffenen Athleten, der Frust kaum vorstellbar und dennoch Realität: In einem der reichsten Staaten der Erde müssen sich zwei Wintersportlerinnen ihren Startpatz bei Olympia selbst finanzieren. Das ist beschämend für den deutschen Sport.

Übrigens: Die Reisekosten für die Fußballweltmeisterschaft in Russland sowie die Kosten für die Vorbereitung darauf hat selbstverständlich der Deutsche Fußball-Bund für seine astronomisch entlohnten Nationalspieler übernommen. Ungerechtigkeit ist somit auch im Profisport in vielfacher Form vorhanden.

Fazit

Der Sport in Deutschland braucht keinen fußballerischen Mittelpunkt. Es wird ein Netz aus allen Sportarten benötigt, in dem sie sich gegenseitig unterstützen und schätzen. Die Priorisierung allein nach kommerziellen Aspekten schadet vielen kleineren Sportarten und ihren Anhängern. Viele Medien sehen nur die öffentliche Aufmerksamkeit und die Gewinne bei ihren Berichten über den Sport und behaupten damit, dass Fußball die wichtigste, nationale Sportart wäre.

Dem Fußballsport darf hierzulande nicht diese Vormachtstellung gegeben werden. Die Sportberichterstattung sollte ausgewogen sein und allen Sportarten eine Präsentationsfläche bieten. Sport heißt nicht nur Fußball. Sport steht für fairen Wettkampf. Ein Konzept, das übertragbar ist.


Quellen und Anmerkungen:

(1) http://www.spiegel.de/sport/sonst/kein-olympia-bei-ard-und-zdf-das-muessen-sie-wissen-a-1123412.html

(2) http://www.haz.de/Nachrichten/Medien/Fernsehen/Was-ARD-und-ZDF-zur-WM-planen

(3) https://www.n-tv.de/sport/olympia/Die-Kaempferinnen-von-der-Buckelpiste-article20275171.html


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