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Mut zur Ehrlichkeit

Mut zur Ehrlichkeit

Hören wir auf, uns bezüglich der massiven Umweltprobleme in die Tasche zu lügen. Ein Interview mit Sven Böttcher über sein Buch „Prophezeiung“.

Angesichts der großen Verwirrung über Ursachen und mögliche Lösungsansätze der Umweltzerstörung hat Sven Böttcher einen einfachen wie menschlichen Impuls, den er über sein Buch „Prophezeiung“, das bereits 2011 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschien, verbreitet: Einander zuhören und respektvoll koexistieren wird als Voraussetzung nötig sein, um aus jeglicher Problematik so herauszukommen, dass Mutter Erde noch bewohnbar bleibt.

Jeder beansprucht die Wahrheit für sich. Besonders gefährlich wird dies, wenn es mit einem Machtanspruch gekoppelt wird. All diese Erkenntnisse fasste Sven Böttcher in einem höchst spannenden und vielschichtigen Thriller in weiser Voraussicht zusammen.

Isabelle Krötsch: Dein Buch hat — leider — gar nichts an Aktualität verloren und ist nicht nur deshalb sehr lesenswert: Ziemlich viel von dem, was du beim Schreiben 2009/2010 aus der damaligen Lage heraus entwickelt hast, ist so in etwa eingetreten: der Flüchtlingsstrom; die transhumanistische Kommunikationsprothese, die bei dir schon iAm heißt; radikale Öko-Aktivisten, die über soziale Netze viral und extrem wirkungsvoll ihr Credo verbreiten und vieles mehr.

Heute können wir vielleicht noch mehr als vor zehn Jahren nachvollziehen, was Du damals schon sehr nachdrücklich in der Verkettung von Abläufen im Roman gezeichnet hast: wie sehr Wissenschaft, Wirtschaft, Militär und — als letzte Position — die Politik ineinandergreifen und von demokratischer Meinungsbildung nicht mehr viel übrigbleibt. Auch dank der sozialen Netze können wir uns diese Zusammenhänge besser vergegenwärtigen …

CO2 als Hauptursache der evidenten Zerstörung von Mutter Erde, und die daraus resultierenden Phänomene anzuzweifeln, ist momentan schon ähnlich problematisch wie die offizielle Version von 9/11 zu hinterfragen. Und auch in Deinem Roman geht es um die schwerwiegenden Folgen von Prognosen, die auf Computersimulationen beruhen, die für bare Münze genommen werden. Und um dieses Dilemma zu lösen, hast Du zwar nicht die Antwort auf diese brennende Frage parat, sondern verlegst das Augenmerk auf eine andere Ebene.

Sven Böttcher: Ich habe damals das Buch vordatiert, auf ungefähr jetzt — der iAm müsste ja nächstes Jahr kommen, wenn das Ding endlich auch für mich bezahlt, die Tür öffnet und meinen Kaffee rechtzeitig kocht.

CO2 spielt eigentlich keine Rolle, wenn es darum geht, dass wir grundsätzlich etwas ändern müssen. Hier ist auch erst mal egal, welche Probleme nun menschengemacht sind oder nicht. Wir müssen was ändern, egal woher die Probleme herrühren, weil wir so nicht weitermachen können — auf und mit der Erde —, wenn wir den Lebensraum für unsere Kinder und Kindeskinder — weltweit — erhalten wollen. Wir müssen aufhören, uns in die Tasche zu lügen, und wir müssen wirklich zusammenarbeiten, auch die unterschiedlichsten Haltungen und Meinungen gelten lassen sowie den Impuls des „Gemeinsam-sind wir-stärker“ wahrnehmen — nicht gegen die Natur, sondern mit der Natur, deren Teil wir immer sind.

In deinem Buch gibt es am Ende in gewisser Weise auch nicht mehr die zu Beginn sehr präzise beschriebenen unterschiedlichen Meinungslager, sondern nur noch Menschen in Not, die einander helfen. Wichtig wäre, dies nicht erst in einer — womöglich recht nahen — apokalyptischen Situation zu entfalten, wie sie in deinem Text bereits stattfindet. Wenn wir jetzt damit beginnen, dann können wir vielleicht noch einiges abwenden.

Ja. Sofern wir uns klarmachen, was wir wollen. Nicht diffus „alles soll anders sein, besser“, sondern konkret. Was soll sich ändern, was bitte nicht? Was kostet uns das? Gibt es danach nur keine Bananen mehr oder auch keinen Urlaub und keine Rente mehr? Was wollen wir opfern — selbst wenn unsere Nachbarn oder die ganze Welt weitermachen wie bisher?

Ganz gleich, was wir jetzt machen — Voraussetzung wäre Klarheit. Wir sind ein Prozent der Weltbevölkerung, wir sind verwöhnt, und unseren Kindern soll es ja nicht schlechter gehen als uns. Aber wenn wir uns nicht klarmachen, worum es geht und was zu tun ist, kommt weiterhin nur gefährlicher Unsinn dabei heraus: grünes Wachstum, Schrottprämien, E-Autos und jedes Jahr zunehmender Ausstoß an Müll und Schadstoffen.

Wir müssen natürlich an uns selber arbeiten, aber gleichzeitig können wir nicht nur wählen gehen und uns einreden, die werden schon grüne Politik machen, wenn grün draufsteht. Die Grünen lassen in Schleswig-Holstein inzwischen sogar Fracking zu.

Wir können doch nicht mehr mitspielen, wenn wir durchschaut haben, dass Politiker nicht zu unser aller Wohl, sondern nur in ihrem eigenen Interesse und für ihren kurzzeitigen Machterhalt handeln. So auch viele Akteure in „Prophezeiung“: Du zeichnest alle Protagonisten sehr feinsinnig, in ihrer ganzen komplexen und teils widersprüchlichen Vielschichtigkeit. Sie treffen unter anderem sich global auswirkende Entscheidungen aus ganz privaten Interessensgründen …

... und denken dabei gleichzeitig, dass sie das Richtige tun. Ich mag an dem Buch ja, dass alle im Grunde — nach ihrem Dafürhalten — verantwortungsvoll und richtig handeln. Von Millet über Gerrittsen bis Mavie Heller, der Protagonistin des Buches, alle haben nachvollziehbare Gründe, warum sie so handeln, wie sie handeln. Alle sind von sich überzeugt, niemand ist böse.

Millet ist zwar ein Zyniker, ein resignierter Idealist, meint aber auch wirklich, mit Geo-Engineering, Schwefelwolken und Vulkansprengungen das Richtige zu tun — das ist die Hybris. Er ist eitel, aber er will auch der Menschheit helfen, und Mavie will das auch, indem sie die Wahrheit — wie auch wir es tun — nach draußen trägt, das wollen auch die Öko-Terroristen (im Buch die Gaias). Das kommt wohl demnächst auf uns zu, ist ja alles gut gemeint, aber manchmal macht man eben damit auch Dinge schlimmer.

Es hat sich für mich, seit ich das Buch geschrieben habe, leider noch nichts geändert oder verbessert. Inzwischen hat sich bestätigt, dass der Weltklimarat IPCC von jemandem bezahlt, eingesetzt wird, um Konsens-Lösungen zu erwirken.

Dann kommt da so etwas raus wie: Es liegt an uns, speziell am CO2. Folge dieser „Erkenntnis“ ist dann, dass wir die wildesten Dinge machen: Häuser dämmen, Elektroautos bauen, demnächst wird noch eine Steuer aufs Ausatmen erhoben …

All das hilft ja nachweislich gar nichts, selbst den so angeprangerten CO2-Ausstoß zu reduzieren. Versteht ja jeder, dass, wenn man noch mehr Autos baut, es nicht hilft, die Verschmutzung zu senken. Wenn es denn überhaupt am CO2 liegt. Am Ende steht dann in unserem bisherigen System immer „grünes Wachstum“. Und daran ist das Problem nicht die Farbe, sondern das Wachstum. Wir berühren damit eigentlich nie den eigentlichen systemischen Fehler. Da kommen wir zum Kernproblem, dem Bruttoinlandsprodukt: Wir müssen wachsen ums Verrecken.

Es wäre so einfach, wirklich den CO2-Ausstoß zu reduzieren — durch Verzicht. Das Kobe-Rind muss nicht nach Deutschland. Und überhaupt müssen keine Wälder in Südamerika gerodet werden, damit wir genügend Fleisch bekommen und dafür unsere Autoindustrie Luxuslimousinen nach Südamerika verkauft. Die 15 größten Containerschiffe auf den Weltmeeren produzieren zusammen so viel Emissionen wie 700 Millionen Autos. Das heißt, wenn wir ein bis zwei Containerschiffe stilllegen, gibt es bei uns zwar weniger Bananen, wir alle könnten dann aber unsere Kleinwagen behalten und darauf verzichten, tonnenschwere Sondermülldeponien mit Rädern zu bauen und als „Autos“ zu deklarieren.

Stimmt und das ist ganz unabhängig davon — ob es am CO2 liegt oder nicht — sinnvoll, denn diese absurd riesigen Schiffe verursachen noch viel mehr: unendlich viel Feinstaub, Diesel und Plastik im Meer, die globale aufgesplitterte Produktion von Gütern über Hunderte von Ländern sowie den Handel dahinter auch …

Es ist noch viel schlimmer. Wie groß oder wie klein ist eigentlich mein Anteil durch den Privatverkehr? Ein Kreuzfahrtschiff produziert so viel CO2-Äquivalente wie 22 Millionen PKW.

Die Emissionen des US-Militärs sind seit Kyoto aus den Klimaabkommen ausgenommen und liegen auf Platz 4, direkt hinter der weltweiten Zementproduktion. Das sind die Faktoren. Auf Platz eins und zwei stehen die USA und China. Das heißt, das ganze neue Bauen — auch die angeblich umweltschützenden Dämmungen — produziert mehr CO2, als es einspart.

Es gäbe ganz einfache Methoden, wie wir diese Ziele der sicherlich sinnvollen Emissionsreduzierung erreichen. In dem wir Dinge sein lassen …

Auch hier kann man glückliche Genügsamkeit walten lassen. Was brauche ich wirklich? Das Einsparen von Überflüssigem nimmt einem nichts weg, sondern schafft Raum und Potenzial für Wesentliches. Loslassen im direkten und übertragenen Sinn.

So wie du das Thema aufspannst, ergibt sich ein doppelter Ertrag: Wir lassen den turbokapitalistischen Wachstumswahnsinn los und bauen parallel eine neue, etwa genossenschaftliche Gemeinschaftsform auf, die jenseits dieses Wachstumsgedankens auf Nachhaltigkeit, Kooperation auf dem Wissen von Verbundenheit basiert — und nicht auf Konkurrenz, Mangel, Schuld und Zins. Und wir haben mehr wirklichen Frieden.

Wir müssen gar nicht auf so viel verzichten. Nur mal angenommen, spaßeshalber, wir würden unsere ganze Industrieproduktion einstellen. 70 Prozent der Energie werden von der Industrie gebraucht, nur 30 Prozent gehen in die Haushalte und Infrastruktur, unsere Theater, Krankenhäuser et cetera. Ohne Industrie wären wir über Nacht „klimaneutral“. Wir haben bereits genügend Maschinen und auch genügend Menschen, die anpacken können. Wir würden dann wirkliche Produktivität und nicht Arbeitsleistung besteuern, auf der Basis eines bedingungslosen Grundeinkommens, besser noch auf der Basis „Verschenkkultur“, also gratis — denn das BGE ist am Ende ja wieder Teil des BIP- und Wachstumsmodells und leicht zu manipulieren. Deutschland produziert 90 Prozent seiner Lebensmittel selbst.

Dazu gehören dann aber nicht Ananas, sondern Äpfel und Birnen. Das Problem ist nur, dass die meisten zwar irgendwie schon gern die Welt verbessern würden, aber eben ohne selbst was zu ändern. Also ist die Frage, wie bekommt man circa 70 Prozent der Bevölkerung dazu, das — was wir hier entwerfen — auch authentisch und ohne Zwang selbst zu wollen und die sogenannten Eliten, die bisher am meisten davon profitieren, gleich mit. Nach dem Motto: Wir sind die 100 Prozent.

Eine erste Erkenntnis wäre: Ja, wir sind bereit auf gewisse Dinge zu verzichten, weil wir erkannt haben, dass wir als Menschheitsfamilie keine vier und eine halbe Erde zur Verfügung haben und wir sind nur ein Prozent der Weltbevölkerung. Somit müssen wir etwas in der Verteilung ändern, Superreiche miteingeschlossen — also Adieu Steueroasen. Wir haben nicht nur genug Lebensmittel, wir haben auch genug Regen. Wir haben hervorragende Bedingungen für ein Agrarwunderland, wenn man die Böden wieder entsäuert. Wir haben einiges zu tun, auch außerhalb des Landes, denn wir können mit unserem Wissen und wirklichen Werten vielen helfen. Und wenn wir weiterhin Zement anrühren, dann für Syrien oder den Jemen. Das wäre hilfreich, edel und gut. Ich glaube nur nicht, ob wir das wirklich wollen.

Dein Buch ist dahingehend ein Weckruf. Du zeigst die Protagonisten fast alle sympathisch, nachvollziehbar in ihrer urtypischen, von unserem System geprägten Verhaltensweise, sich eben selbstbelügend ehrlich engagiert … Alle nehmen sich ernst, zu ernst und urteilen zunächst schnell mal verächtlich über die Andersdenkenden. Das ändert sich bei der Heldin und auch bei einem anderen wichtigen Akteur. Insgesamt werfen die meisten ihre Vorurteile Schritt für Schritt über Bord.

Was sich zunächst sanft und später offenkundig glühend durch die Geschichte zieht, ist das Vertrauen auf eine herzbasierte Intuition/Urmenschlichkeit, die eigentlich gewinnt und auch die unterschiedlichsten „Lager“ zusammenarbeiten lässt.

Auch beim Hoffnungsvollen geht es darum, nicht wieder in die gleiche Falle zu tappen, die da heißt: Ich weiß wie‘s geht, folgt mir gefälligst alle! Mit Sokrates: Wir wissen, dass wir nicht wissen, und nicht mal das wissen wir genau. Gerade deshalb müssen wir zusammenarbeiten und zusammendenken und können uns nicht schon am Eingangstor dieses Gedankengebäudes wegen irgendwelcher CO2-Level im Streit trennen.

Maßgeblich ist, sich die eigene Begrenztheit einzugestehen — gerade angesichts eines so ungeheuer komplexen Systems wie „Klima“ — und trotz dieser eigenen Begrenztheit die Hoffnung nicht zu verlieren. Deshalb gibt es in dem Buch auch immer wieder die Anspielung auf Albert Camus und seinen Sisyphos. Mavie, die Heldin, hat am Anfang den Anspruch: Ich habe Ahnung, ich bin Expertin, ich weiß, wie’s geht. Mavies Motive sind edel und gut. Sie will mit ihrem Handeln Menschen retten. Es ist immer wieder die Frage in diesem Buch, wie weit geht die Hybris? Vielleicht können wir gar nicht einschätzen, bis wohin sich unsere Erkenntnisse auswirken. Wenn wir das Schicksal der Erde den Profis überlassen, dann geht sie womöglich den Bach runter.

Als Millet zur Lösung der Problematik die atomare Sprengung eines Vulkans für richtig hält, sagt Mavie zu sich, dass er sich für Gott hält, und sie spürt plötzlich die Hybris. Auch sie lag dieser Hybris auf, denn Eingriffe dieser Dimension sind einfach vollkommen wahnsinnig und gleichzeitig — aus kühlem, rein rechnerischem Kopf — vielleicht durchaus in Betracht zu ziehen. Da sind wir, meiner Meinung nach, nur vollkommen auf dem Holzweg, weil wir mit unserer Art der Wissenschaft es grundsätzlich für möglich halten, dass die von uns geschaffene Natur eine bessere sei als die uns gegebene. Um die gegebene Natur zu untersuchen, zertrümmern wir sie in ihre kleinsten Einzelteile und denken, in dem wir sie mechanisch neu zusammensetzen, könnten wir das Lebendige noch lebendiger machen. Auf diese Weise haben wir es geschafft, Atombomben zu konstruieren, aber wir haben bisher noch nicht verstanden, was Bewusstsein ist.

Solche Entwicklungen sind aber so schnell da in unserer wissenschaftsgläubigen Welt. Wir leben in einem materialistisch wissenschaftlichen Paradigma. Wir glauben, was die Wissenschaft sagt. Und da die Wissenschaft sehr oft von Wirtschaft, Militär und Politik instrumentalisiert wird, hören wir auch nur von der Wissenschaft, die zur Ideologie gehört, die uns gerade regiert. Also haben wir kaum eine Möglichkeit, das offiziell zu hinterfragen. Durch deine Heldin Mavie erleben wir wirklich diese Evolution von „Ich hab‘s total im Griff“ über absolute Verunsicherung, um dann den höchsten Punkt der Sensibilität zu erreichen, den der wirklichen Lebendigkeit:

Ich schau, dass ich den nächsten Schritt aus tiefsten Herzen vertreten kann und offen bleibe für Neues.

Hier ist immer wieder die Einladung, eine gewisse Skepsis uns selbst gegenüber zu behalten.

Ich würde sagen, Wahrheitsanspruch ist ein authentischer Antrieb. Er darf nur nicht mit einem Machtanspruch verknüpft werden.

Die Message ist: Konzentriert Euch auf das wirklich Wesentliche. Nicht, wer hat recht, sondern wie erhalten wir diesen Planeten bewohnbar und leisten unseren Beitrag für ein Gesamtgleichgewicht. Wie lernen wir aus vergangenen Fehlern und verhindern, dass die restlichen sieben Milliarden Menschen sie noch mal machen? Demnächst dann bald zehn Milliarden. Geht das überhaupt? Oder lautet die Antwort: Wir können nicht viel machen, außer uns eine Waffe zu kaufen. Das unken ja alle Thinktanks und nicht erst seit gestern: Wenn wir die Menschheit auf eine Milliarde reduzieren könnten, wäre alles fein.

Und deshalb wird Geo-Engineering im Grunde schon seit ewigen Zeiten praktiziert. Wir gestalten je nach unseren Möglichkeiten die Natur um. Wir haben schon lange aufgehört, sie so anzunehmen, wie sie ist. Das kommende zivile Geo-Engineering ist also wieder ein Wachstumszweig auf Kosten der Natur, weil wir nicht verhindern können, dass China jetzt auch die gleichen westlichen Standards für jeden seiner Bürger will, die wir auch haben.

Wir meinen wieder — wie üblich — wir hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Das Thomas-Midgley-Gen ist uns sozusagen eingebaut ...

Thomas Wer?

Thomas Midgley war eine herausragende Ein-Mann-Katastrophe. In ihm vereinigte sich alles, was uns vernichtet: Forscherdrang, Selbstbewusstsein und Kurzsichtigkeit. Midgeley hatte um 1930 das FCKW erfunden, weil man damit ganz hervorragend Kühlschränke bauen konnte — und davor, um 1920, eine wirklich supersmarte Lösung, unseren Benzinmotoren das laute Bollern und Klopfen abzugewöhnen. Man musste dem Benzin nämlich nur etwas beifügen, und Midgeleys Lösung war aus Kostengründen: Blei. Es hat funktioniert. Das Klopfen war danach weg. Allerdings waren auch sehr viele Millionen Menschen weg, denn Blei ist ja nun mal hochgiftig. Migdleys FCKW-Lösung war dann allerdings noch smarter, denn damit hat er ja nicht nur ordentlich bodennahes Gift massenhaft in Umlauf gebracht, sondern gleich die Ozonschicht mitgeschädigt.

Also, damit wir uns nicht missverstehen: Wir sind findig. Und es gibt prima Erfindungen. Das Feuer war eine gute Idee. Das Rad war auch prima. Es gibt allerdings auch etliche Erfindungen, die nicht besonders weitsichtig sind, sondern sehr unangenehme Folgen haben. Und mich erinnern die durchaus überzeugend klingenden Ansätzen der Klima-Geoingenieure fatal an Midgeleys Selbstbewusstsein.

Natürlich können wir — sogar relativ günstig — lange Leichtschläuche herstellen, Schwefel in die Stratosphäre blasen und so für ein weltweites Global Dimming sorgen. Doppelt praktisch, denn so werden wir den vielen Schwefel los, der beim Fracking anfällt. Die Frage ist nur: Was, wenn sich das mittelfristig als Blei- beziehungsweise Schnapsidee entpuppt, weil der Schwefel doch nicht so gut ist für die Atmosphäre. Oder wir irren uns, was den generellen Zusammenhang zwischen Erwärmung und Wolkenbildung betrifft. Hat dann jemand einen geeigneten Staubsauger, um die Schwefelwolke wieder aus der Stratosphäre zurückzuholen?

Beim megamaschinenorientierten Eingreifen in die vielschichtigen natürlichen Systeme vergessen wir leicht, dass die Erde und auch ihre Atmosphäre ein lebendiges Wesen ist, wie wir selbst eines sind. Aber wir graben das von den Indianern als heilig gehütete Uran aus, machen Fracking, injizieren uns Gift zur Behandlung von Krankheiten und denken, in dem wir die Atmosphäre mit giftigen Feinpartikeln impfen, schützen wir uns vor den bösen UV-Strahlen. Nach neuesten Erkenntnissen nimmt die uns schützende Ozonschicht weiter dramatisch ab. Und wieder andere Forschungen vermuten: (Atom-)Bombentests, wie es seit dem Zweiten Weltkrieg mehr als 2.000 gegeben hat, High-Frequency-Waffensysteme sowie Schwefel seien Ozonkiller … ohne Ozonschicht ist Leben auf dem Planeten undenkbar.

Mein Impuls wäre daher, gar nichts Derartiges zu tun, sondern möglichst radikal alles stoppen, was die Natur schädigt, auf allen Ebenen.

Schöne Idee. Solange es nicht unsere Komfortzone beschädigt.

Wenn wir die Welt unbewohnbar machen, ist unsere Komfortzone erst recht hinüber.

Richtig. Entscheidend ist nur: Sind das die ein Prozent Psychopathen, die uns derzeit anführen, oder liegt es an uns selbst, den 99 Prozent, dass wir alles zerstören? Du kennst ja Milletts Ansicht dazu, aus dem Roman:

„Wir alle, in der ersten Welt, sind Massenmörder. Es wäre erfrischend, wenn wir das zugeben würden.“

Ich bin nicht ganz einverstanden, mich 1:1 verantwortlich für bestimmte Verbrechen zu fühlen, die im Namen unseres Landes begangen werden. Ich bin nicht für den Rüstungsetat, für die Waffenexporte der Bundesrepublik, ich bin für vieles nicht, was politisch ermöglicht und toleriert wird, in dem wir mit unserer Stimme eine Regierung legitimieren, und die dann in ihrem eigenen Interesse und nicht in dem der Menschheitsfamilie handelt.

Da haben wir tatsächlich auch einen Hebel zu sagen, wir müssen uns anders organisieren in unserer Region, in unserem Land und in der ganzen Welt, dass solche Dinge nicht mehr möglich sind. Dass wir als Gemeinschaft nicht mehr für Ausbeutung der Natur und anderer Menschen stehen. Wir müssen nicht den Victoriabarsch auf unseren Tellern haben, der den Menschen in der Gegend dieses Sees die Lebensgrundlage entzieht und dessen Transportflugzeug auf dem Rückweg aus Deutschland voll mit Waffenlieferungen ist, damit sich dort die Menschen, die verhungern, gleich noch die Köpfe einschlagen.

Wir legitimieren das mit unserer Wahl, weil unsere Politik das ermöglicht und nicht aktiv verhindert. Und wir wählen diese Menschen. Das kann man erst mal lösen, indem wir einfach nicht mehr wählen gehen, anstatt unsere Stimme abzugeben, sie eigenverantwortlich erheben. Ich habe neulich über eine tolle Initiative berichtet, die darauf aufmerksam macht, dass die Bundesrepublik immer noch keine Verfassung hat und hier ein enormes Potential liegt, eine auf dem Grundgesetz basierende solide Mitbestimmung des Volkes in der Bundespolitik einzufordern und festzuschreiben. Mit einer solchen Verfassung könnten wir uns dieser Art Lobbyarbeit entgegenstellen und neue Gesetzgebungen veranlassen.

Könnten wir, ja. Wenn wir — der Souverän — das wollten. Am Ende würde dabei auch gar kein Verzicht herauskommen, sondern ein Gewinn, nämlich einer an Lebensqualität. Setzt man die Kennziffern richtig, würde unser radikalhumanistisches Umsteuern ja nicht einmal zu einem Wachstumseinbruch führen, es würde nur eine andere Form von Qualität wachsen, nicht basierend auf Konkurrenz und Ausbeutung, sondern auf Begeisterung, Lebensfreude und Wissen.

Die Kennziffern und Parameter sind aber entscheidend und diese richtig zusammenzusetzen, bedeutet vor allem, das Bruttoinlandsprodukt neu zu definieren. Das war ursprünglich als Werkzeug für unsere Anführer gedacht, um ermitteln zu können, wie viel Geld die Bevölkerung so hin und her bewegt und wie viel man davon den Leuten fürs Kriegführen abnehmen kann. Genau diese Zahl hatte den Fürsten immer gefehlt, dank Simon Kuznets haben wir die seit 1931, und es ist nur logisch, dass die USA gerade ihre Forderungen an uns in Sachen Aufrüstung in Prozent vom BIP angeben.

Aber: Kuznets selbst, Nobelpreisträger, hat immer darauf hingewiesen, dass das BIP eben nichts für uns Wesentliches misst. Meinhard Miegel hat das schön auf den Punkt gebracht, sinngemäß: Wohlergehen mittels BIP bestimmen zu wollen sei so absurd, wie den Blutdruck mit einem Fieberthermometer messen zu wollen. Das haben wir offenbar vergessen.

Wenn man nun endlich die Grundlagen ändert und zum Beispiel sagt, dieses Gespräch hier ist wichtig, für das Bruttoinlands-Glücks-Produkt, das wird jetzt gezählt, weil es die Freude der Menschen vergrößert, das könnte man sogar mit Geld belegen, dann täten wir jetzt hier Messbares für unser Land. Wenn man solche Selbstverständlichkeiten mit einem Geldwert belegen würde, könnte man andere Sachen lassen. Wenn wir Geld generieren mit Freundlichkeit, können wir ja aufhören, Elektroautos zu bauen und dabei die Umwelt zu schädigen. Aber ich habe noch die Aussage von irgendeinem früheren Anführer der Linken im Ohr, es genüge ja wohl nicht, wenn wir uns alle gegenseitig filmen und das auf YouTube einstellen. Von links ist also diesbezüglich keine Phantasie zu erwarten.

Aber ich gebe natürlich gern zu — es braucht schon ein bisschen mehr in Sachen „neue Prämissen“: Die Propaganda und Manipulation durch Werbung müsste aufhören — Elektroauto ist gut für die Umwelt —, unsere öffentlich-rechtlichen Medien müssten informieren statt im Dienst von Industrie und BIP zu arbeiten, und dann müssten wir ja nur noch das Geldsystem selbst umkrempeln, also vom Kopf auf die Füße stellen. Alles lösbar und notwendig, also lasst uns doch am besten morgen damit anfangen.

An der Stelle hakt es bei mir auch immer wieder. Denn ich bin überzeugte Pazifistin, überzeugt, dass keine heilsame Evolution durch Gewalteinwirkung stattfinden kann, und wenn ich sehe, dass unser Geldsystem — so wie es bisher organisiert ist — unfähig ist, auf eine menschliche Impulsgebung positiv zu reagieren, sehe ich inhärent zunächst auch keine Lösung. Das, was wir brauchen, grenzt an ein Wunder, aber es ist möglich, einen Bewusstseinsquantensprung kollektiv zu erleben. Vielmehr glaube ich inzwischen in Analogie zur Wirkungsweise der Homöopathie an einen individuellen qualitativen Bewusstseinssprung, der sich dann heterogen vernetzt. Es braucht keine „Bewegung“, die dann wieder unterwandert wird. Es braucht nur unsere Fähigkeit zu lieben, zu vergeben und Mitgefühl zu leben. Das reinigt das kollektive Feld von der allgegenwärtigen Spaltung.

Wir können durch unsere idealistische Aufklärungsarbeit und einer spirituellen philosophischen Arbeit an uns selbst, die hierbei auch als Grundlage sehr wichtig ist, den Boden ebnen für eine Sache, von der wir — wie Du richtig sagtest — nicht wissen, wie es gehen wird. Wir wissen nicht, wie dieses Wunder passieren kann, aber wir glauben daran und geben nicht auf. Wir lassen uns einfach nicht kleinkriegen von diesen wahnsinnigen Inszenierungen um uns herum und bleiben im Urvertrauen in uns, dass ein urmenschliches Leben auf und mit dem Lebewesen Mutter Erde in Frieden möglich ist.

Dein Buch ist genau deshalb auch spannend zu lesen, weil diese „selbstverschuldete Unmündigkeit“ in Bezug auf diese grundlegenden Fragen so offenkundig wird und der Hoffnungsschimmer, sich treu zu bleiben, dennoch bestehen bleibt — uneitel, anspruchslos und im Herzen gegründet. Das bietet eine wirkliche Lösung aus ausweglosen Situationen.

Die Quintessenz von Camus ist, sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorzustellen. Klingt absurd, ist es auch, aber logisch. Denn welchen Sinn hat das Ganze? Spoiler, streng genommen, mit Keynes: In the long run we all are dead — letztlich führt unser Leben also nirgendwo hin, denn jede/r von uns stirbt ja irgendwann. Das ist nicht direkt ein Smalltalkthema, aber wir müssen genau dies an den Anfang all unserer Überlegungen und Handlungen stellen. Deshalb ist Camus’ Bild von Sisyphos so spannend.

Sisyphos, gestraft von den Göttern, ist unsterblich und muss den Stein ständig weiterrollen. Er erkennt die Absurdität, das ist die eigentliche Strafe, aber Camus betrachtet ihn eben nicht als unglücklich. Denn, das ist ein Geschenk: erkennen zu können, und sei es nur unsere eigene Nichtigkeit. Deshalb die Umdeutung: Sisyphos verzweifelt nicht. Er macht weiter, und das glücklich, im Sinne von: Ich tue, was ich kann, der Sinn unserer Existenz liegt in der Fähigkeit, zu erkennen. Wir können uns dabei auch noch irren und trotzdem machen wir weiter und haben auch noch gute Laune dabei, weil wir hoffen, ahnen, glauben, dass es sich doch zum Besseren wendet. Das liegt eigentlich in unserer Natur. Dazu müssen wir ja auch nicht alle Menschen erreichen. Magazin für Kritische Masse heißt der Rubikon ja auch, weil das Milieu irgendwann von selbst kippt, wenn eine kritische Masse erreicht wird.

Stell dir doch einfach mal vor: Wenn eine große Anzahl von Menschen — sagen wir mal nur jeder Siebte — weltweit gemeinsam jeden Tag um 12 Uhr MEZ einen friedlichen Kreis bildet, sich bei den Händen hält und mit dem Fuß aufstampft, dann hat das eine Resonanz um die ganze Welt. Ich glaube, dass die große Masse der Menschen, die sehr unglücklich sind, aber nicht genau wissen, was sie dagegen tun sollen, dann auch folgen würden, wenn man ihnen klar macht, dass ihre ganz persönliche Haltung relevant ist.

Ich habe die Sinnlosigkeitsfrage mit einer ganz individuellen spirituellen Praxis überwunden. Wenn man das Lebendige nicht nur auf die Materie reduziert und merkt, dass man durchpulst ist von etwas unbeschreiblich anderem, alles Durchdringenden, dann ist man nicht mehr in der Absurdität gefangen. Ich fühle, dass ich Teil eines Prozesses bin, der auch nach meinem Tod weitergeht und in dem alles, was ich fühle, denke und handle, eingebettet ist — als Teil des Ganzen. Und jeder einzelne Impuls ist für das Ganze wichtig.

Besonders entscheidend ist auch die Ausrichtung unseres Geistes: Lassen wir uns in die Irre führen und verrückt machen oder durchschauen wir das Spiel und bleiben in friedfertiger Verbundenheit und Urvertrauen — und tun, was wir können. Wenn du also neben deinem liebevollen, heilsamen, friedlichen Aktivismus auch noch an deiner Bewusstseinserweiterung arbeitest, merkst du plötzlich, deine Intuition ist ja ein direkter Draht … Das arbeitest du auch in „Prophezeiung“ sehr schön heraus in Augenblicken, wo die Protagonisten intuitiv immer genau Bescheid wissen. Rational ist das kaum erklärbar, woher diese Impulse kommen, aber sie sind erfahrbar, und in schwierigen Situationen kann man sich 100 Prozent darauf verlassen.

Wenn man realisiert, das ist kein Hokuspokus, sondern Natur, und es ist Teil unserer menschlichen Natur, so etwas zu spüren, dann haben wir natürlich auch noch mal eine andere Weltsicht, die weit über den Materialismus hinaus geht, und dann ist Sisyphos wirklich ein glücklicher Mensch, weil er gar nicht mehr Sisyphos ist. Er ist in einem Prozess drin, der ihm wie der des Sisyphos erscheint, aber der ist keine Einbahnstraße, sondern eine multidimensionale Evolution, die auch von jedem abhängt.

Mir ist es wichtig, auch die Menschen abzuholen, die sich noch nicht eingebettet in diesem großen Ganzen sehen. Hier kann man es am ehesten mithilfe von Kindern erklären. Wir sind Teil eines Zeitstroms, und wenn man die Verbindung anerkennt, diese natürliche Verbundenheit lebt, man hat Eltern und hier kommt eine neue Generation, und ich bin ein Bindeglied in diesem ganzen Prozess, dann merkt man auch, dass es am eigenen Verhalten liegt, ob sich das Ganze positiv entwickelt. Es hat Einfluss, wie ich etwas mache, was ich denke, wie ich mit mir und meiner Mitwelt umgehe, der berühmte Flügelschlag des Schmetterlings …

Das ist für mich die Voraussetzung für Glück. Dass man nicht sagt, ich komme in die Welt, es geht um iPhone XR und dann sterbe ich, nach mir die Sintflut. Wir haben Bewusstsein — temporär; wir haben die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen — temporär. Das ist ein wundervolles Geschenk. Genau das steckt hinter sapere aude — habe den Mut, dich deines Verstandes zu bedienen —, denn die Zeit, in der du von dir als „ich“ überhaupt denken und sprechen kannst, ist kurz. Natürlich kann man sich für den Rest der Zeit prima damit beruhigen, dass ja nichts im Kosmos verloren geht, also auch nichts von uns.

Aber wenn du mich fragst, sollte man aus dem sehr kostbaren, dubiosen und besonderen Geschenk „Bewusstsein“ doch irgendwas machen, was übers Nüssesammeln und Fortpflanzen hinausgeht. Als Eichhörnchen können wir‘s ja in der nächsten Runde wieder lockerer angehen lassen. Als Menschen sollten wir ein bisschen höhere Ansprüche an uns selbst haben.

Ich glaube zutiefst daran, dass, wenn wir als Materie zerfallen, die Intelligenz, die Seele, der feinstoffliche Körper erhalten bleibt und alles, was Du denkst und gefühlt hast auch. Bewusstsein bleibt transpersonell erhalten und ist Teil der Weltenseele. Deshalb haben wir auch eine Verantwortung, was wir persönlich fühlen, denken und tun. Dieses Spirituelle über das Materielle hinausdenken und fühlen hilft mir sehr, das Ganze sinnvoll und in gewisser Weise auch logisch zu finden.

Wenn man die Protagonisten von „Prophezeiung“ anschaut, sind alle sehr von sich eingenommen, auch Mavie. Ich finde sie am Anfang gar nicht so sympathisch, mit großer Klappe, überheblich, bewegt sich wie in einem Film. Und doch bemüht sie sich die ganze Zeit, Dinge besser zu machen. Dabei verirrt man sich womöglich. Ich meine damit: Entspannt euch mal und seid nicht ganz so eingebildet auf eure Meinung, und lasst auch mal andere Meinungen neben der euren stehen. Vielleicht ergibt die Auseinandersetzung eine neue Erkenntnis, die uns weiterbringt.

Die Wahrheit und die Lösung werden irgendwo in der Mitte zwischen uns allen liegen, und alle — die unterschiedlichsten Menschen — haben etwas dazu beizusteuern. Die Botschaft ist, auch wenn wir einander sich ausschließende Positionen vertreten: Hört auf, gegeneinander zu kämpfen! Hört euch gegenseitig zu! Es geht ums Ganze! Es betrifft uns alle!

Und soweit Dinge wissenschaftlich zu klären sind — und das sind bei Weitem nicht alle — versucht sie unabhängig zu klären. Unabhängigkeit haben wir leider nicht mehr: Die Geldgeber hinter der Forschung haben meistens eigene Interessen, was sich dringend ändern muss. Das kann auch als eine Kernbotschaft dieses Buchs gelesen werden.

Der Roman wäre als Vehikel für diese vielen Botschaften und als eine Parabel aufs Menschsein vielleicht besser gewesen als ein Thriller, obwohl der natürlich auch sehr spannend ist.

Wissenschaft muss anders betrieben werden, wirklich frei von ergebnisorientierter oder utilitaristischer Sichtweise. Und auch Wissenschaft hat Verantwortung. Es muss nicht alles gemacht werden, nur weil es möglich ist. Wenn aber jemand kommt und verkündet: „Climate debate is over. The science is settled“, ist das jetzt in Stein gemeißelt, und deshalb machen wir ab jetzt dies und das bis zum Jahr 2100. Derjenige, der das sagt, kann doch nicht ernsthaft politisch tätig sein. Das Zitat ist von Barack Obama, und er befindet sich damit auf dem Niveau anderer Mächtiger, die ja schon zu Galileo sagten: The science is settled. Die Sonne kreist um die Erde. Ende der Durchsage.

Man sollte schon wissen, was man meint, wenn man es mit Wissenschaft zu tun hat, denn die ist genauso lebendig und beweglich wie das Leben selbst. Wir werden sehen, wo wir da als nächstes rauskommen. Der Paradigmenwechsel ist voll im Gang, und schon deshalb musste ich das Buch schreiben, weil offenkundig die Klimawissenschaft alles andere als settled ist.

Insofern ist neben dem individuellen menschlichen Impact ein anderes Hauptthema, dass Wissenschaft instrumentalisiert wird für Machtzwecke. Wenn man allerdings zu bestimmten Themen auf die Suche geht, findet man sehr wohl andere wissenschaftliche Meinungen als die, die uns im Mainstream verkauft werden. Auch das wird in deinem Buch en passant angespielt, dass die einzelnen Wissenschaftler sehr wohl durchschauen, wie die Dinge laufen, Stichwort 9/11.

Wenn man sich die spaltende Auseinandersetzung zum Thema CO2 anschaut, ist es auch erschreckend. Wir können uns jetzt noch die nächsten 20 Jahre in den Haaren liegen, wer recht hat, während die eigentliche Umweltverschmutzung und Zerstörung ungehindert weitergeht. Oder aber wir schicken uns an, all das radikal zu stoppen, von dem wir — wenn wir ernsthaft nachdenken — wissen, dass es schädlich für alles Lebendige ist. Es geht nicht um CO2. Hören wir doch einander zu, anstatt uns spalten zu lassen. Lassen wir also Dinge zu, die uns verunsichern und überprüfen wir sie und schauen, wohin uns das führt. Das ist auch wissenschaftlich, nicht den Mund zu verbieten, sondern annehmen und respektvoll, ernsthaft und sauber überprüfen/widerlegen.

Bei Al Gore haben ja inzwischen alle verstanden, dass es eine reine Marketing Nummer ist.

Na ja, ob „rein“, weiß ich nicht. Das Problem ist doch generell, dass unsere guten Ansätze so leicht zu kapern sind. Ich bin sicher, dass Greta es gut meint, und dass „CO2“ nur ein Platzhalter ist für die wirkliche Besorgnis um unseren Planeten. Aber solange wir festsitzen im Wachstums- und BIP-Denken, kommt dann dabei eben raus: „Wählt grünes Wachstum“ oder „CO2-Steuern“.

Im Grunde geht es um das Bewusstsein der Menschheitsfamilie und nicht um Rechthaberei. Alternative Medien, die Mainstreampresse, die Aktivisten, die Wissenschaftler, die bisher als Verschwörungstheoretiker Verunglimpften, alle können eigentlich respektvoll und gewinnbringend zusammenwirken, um wirklich Heilsames, Friedfertiges zu stiften und sich nicht mehr an der Nase herumführen zu lassen. Wir sind lange an vielen entscheidenden Stellen desinformiert worden.

Ja, da gab es lange Zeit ein Ungleichgewicht. Und aus dem heraus fällt man auch schnell ins nächste Ungleichgewicht. Das heißt, nur weil eine Position gut und richtig ist, heißt es noch lange nicht, dass sie bei Verbreitung nicht auch eine Katastrophe auslösen kann. Deshalb ist das, was du vorhin angesprochen hast mit der Arbeit an sich selbst, so wichtig. Wir müssen aufhören, gleich in Panik auszubrechen und nur zu sehen, was uns als Nächstes wegbrechen wird. Am Anfang sagt Mavie zu sich, sie wolle ihr altes Leben zurückhaben. Da war alles geregelt und man wusste, wo der Feind sitzt.

Wir müssen uns damit abfinden, dass die vergangenen 150 Jahre Ausbeutung und Vergewaltigung der Erde und vieler Menschen, viel Schaden angerichtet haben, und nun müssen wir massiv und radikal daran etwas ändern. Wenn wir uns — sagen wir in Deutschland oder in Mitteleuropa — dazu entschließen würden dies zu tun, und hier als Beispiel voranzugehen, auch im Eingeständnis dessen, dass die Ausbeutung und die Zerstörung ursprünglich aus unseren Reihen kamen, wir beides sukzessive als Wohlstand verkauft und alle anderen Lebensformen, wie die indigenen Bevölkerungen, als „Wilde“ bezeichnet und deswegen massakriert haben, dann könnte dies, obwohl wir so eine kleine Gruppe der Menschheitsfamilie sind, eine Signalwirkung haben.

Da fällt mir der sehr berührende Kniefall von Standing Rock ein, wo Hunderte US-Veteranen stellvertretend bei den Stammesältesten der Dakota um Entschuldigung bitten für die Verbrechen, die das US-Militär an ihrem Volk seit Jahrhunderten verübt hat und noch immer verübt.

Ich fände es auch schon sehr vielversprechend, wenn in Deutschland wenigstens eine Million von 83 ihre Nase mal in die eigenen Angelegenheiten stecken würden und sich daraufhin lokal, regional organisieren, anstatt den ganzen Tag Katzenvideos zu gucken. Katzen sind süß, keine Frage, aber wir finden im Netz auch Beiträge, die uns helfen aus dieser „selbst verschuldeten Unmündigkeit“ wieder herauszukommen. Die Informationen sind da. Das ist ja das Phantastische.

Nichts wird, wie früher, hinter Klostermauern zurückgehalten, alles ist für jeden offen erkennbar und sichtbar. Ob zum Thema Klima, Krankensystem, Wissenschaft oder 9/11. Jeder kann sich die Dinge selbst erschließen, indem er sich viele unterschiedliche Positionen betrachtet und sich dann daraus seine eigene Meinung bildet. Das dauert ein bisschen, es ist ein bisschen mühsam, aber wie gesagt: Dazu haben wir Hirn und Herz geschenkt bekommen, nicht nur zum Dauerbeäugen von spielenden Katzen.

Grundsätzlich aber gilt, ob ich mich mit Gesundheit, mit Klima oder mit Wirtschaft beschäftige, lasst uns erst mal ehrlich sein mit uns selbst, bevor wir „Lösungen“ präsentieren. Wenn ich keine Lebensperspektive anbiete, keinen tiefen Sinn des Ganzen aufzeige, dann kann ich nicht von den Menschen verlangen, dass sie auf ihre „Geiz-ist-geil“-Shirts, ihren Jahresurlaub oder ihren SUV verzichten, an den sie sich mangels tiefgründigem Sinn klammern. Es gibt immer Grenzen für uns, Dinge, die wir nicht hergeben wollen. Und die sollte man erkennen und respektieren. Der eine will auf seine Wurst mit Gesicht nicht verzichten, der andere nicht auf seinen Steinway Flügel, der nächste nicht auf seine tägliche Banane — oder den Container-Schiffsfonds für die Kinder … Erst wenn man sich da mal gerade macht, entsteht Raum für Lösungen.

Wir wissen, wir sind Sternenstaub, Teil des Universums, wir können nicht verloren gehen, aber jeder hat da seine individuelle Grenze — das wird nie „fair“ sein dem ganzen Rest der Welt gegenüber. Es geht so vielen Menschen schlechter als uns beiden, dass wir eigentlich in Säcken laufen müssten. Das wollen wir aber nicht. In dem Punkt wollen wir nicht alles mit allen teilen. Wir möchten ganz viel Gutes tun, aber nicht alles teilen. Das zeigt auch, dass bestimmte politische Gesellschaftsformen, die schon erprobt wurden, ausgeschlossen sind. Aber die, die wir jetzt haben, sind alle das gleiche in Schwarz-Rot-Grün. Es muss also ganz anders gehen. Aber Lösungen finden wir erst, wenn wir hier ehrlich sind.

Im Moment lügen wir uns die Hucke voll: Wir gehen demonstrieren, Fridays for Future, außer in den Thailand-Ferien. Wir wollen Frieden und exportieren Panzer. Wir wollen den Verhungernden helfen, aber unsere jährliche Entwicklungshilfe ist binnen zwölf Tagen wieder zuhause, bei uns, in Form von Zinszahlungen.

Wir können ganz viel Gutes schaffen in der Welt, aber davor steht ein bisschen Mut zur Wahrheit.

Fazit: Zwei maßgebliche Hebel stehen uns zur Verfügung: Die eigene Ehrlichkeit, den Dingen und Gedanken auf den Grund zu gehen, durch eine authentische Arbeit am Selbst-Bewusstsein, und nachhaltig wie phantasievoll dafür zu sorgen, dass bestimmte verbrecherische Dinge nicht mehr gehen im Namen unseres Landes …

Gute Basis. Einigen wir uns doch einfach auf zwei Maximen: 1. Seid nett zueinander, 2. Kategorischer Imperativ, im Volksmund: Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Das sei erst mal unser ganzes Programm, denn der Rest ergibt sich daraus. Ich fang‘ mal morgen an, um 83 Millionen Daueraufträge zu bitten, und dann legen wir los. Lass mich nur kurz noch mit meiner Sparkasse reden, sonst rette ich mit den Kontoführungsgebühren meine Bank — und ich würde lieber was anderes retten.




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