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Wider die Natur

Wider die Natur

Umweltschutz kann nur gelingen, wenn der Mensch seinen Kontrollwahn aufgibt und sich als Teil der Natur erlebt.

Natur als Bedrohung

Vor einigen Jahren erzählte mir eine Bekannte, die als Erzieherin in einem Kindergarten im Hamburger Rotlichtviertel arbeitete, von einem Erlebnis, an das ich regelmäßig denken muss. Es scheint mir symptomatisch für das Verhältnis des modernen Menschen zu seiner Umwelt zu sein.

Der Kindergarten, in dem sie arbeitete, plante einen Tagesausflug zu einem Erlebnisbauernhof auf dem Lande vor den Toren der Stadt. Die Kinder sollten einen Einblick in das Leben auf einem Bauernhof und die Haltung von heimischen Tieren wie Kühen, Schweinen, Pferden, Hühnern und Schafen bekommen, die viele von ihnen lediglich aus Bilderbüchern oder Filmen kannten. Ich, ein auf dem Land Aufgewachsener, konnte es kaum glauben, dass viele der Kinder angeblich noch nie eine Kuh im echten Leben gesehen haben sollten. Auch war geplant, die Gruppe für die Lebewesen zu sensibilisieren, welche am Anfang der Produktionskette für jedes im Supermarkt abgepackte Stück Fleisch stehen. Ein sehr guter Gedanke, wie ich fand.

Nun mussten die Eltern der betroffenen Kinder wie üblich ihr Einverständnis für die geplante Ausfahrt geben. Auch wenn mich der Mangel an Erfahrungen der Kinder mit ihrer natürlichen Umgebung schon einigermaßen überraschte, war ich von dem, was mir die Erzieherin dann erzählte, geradezu erschüttert. Nach der Ausgabe des Informationsblattes, beim Einholen des Einverständnisses, meldeten sich diverse Eltern, die mit dem Ausflugsziel nicht einverstanden waren. Fragen über Nutzen und Notwendigkeit der Aktion und vor allem über das vermeintlich damit einhergehende Risiko wurden laut. „Ist das dort mit den ganzen Tieren nicht viel zu gefährlich?“, war eine Frage, welche eine Mutter gestellt haben soll.

Fassen wir noch einmal kurz zusammen: Da sind Kindergartenkinder, die noch nie in ihrem Leben eine lebende Kuh gesehen haben. Sie wachsen in einem der berüchtigtsten Rotlichtmilieus der Welt auf und bewegen sich tagtäglich vermutlich zwischen Zuhältern, Dealern, Bandenmitgliedern, dem Straßenverkehr der Großstadt und sicherlich noch einigen anderen Lebensrisiken, von den psychosozialen Gefahren eines solchen Umfeldes mal ganz abgesehen. Aber die Tiere auf einem extra für Kinder ausgelegten Erlebnisbauernhof sollen gefährlich sein?

Verstehen Sie mich nicht miss, ich mache den Eltern und erst recht den Kindern an dieser Stelle keinen Vorwurf. Für mich zeigt sich aber an diesem Beispiel sehr anschaulich, wie weit sich viele von uns vom realen, natürlichen Leben entfernt haben. Gefangen in einer teilweise virtuellen Großstadt-Konsumblase, zwischen Netflix, Amazon, dem 40-Stundenjob, eventuell alleinerziehend und ohne eigene echte Erfahrungen, weil auch schon ohne „natürliches“ Bewusstsein aufgewachsen. Woher sollen junge Eltern da die Anreize nehmen, ihren Kindern Natur zu vermitteln? Traurig für den Einzelnen, aber dramatisch für unsere Gesellschaft.

Wohin soll der Weg unserer Spezies führen, wenn immer mehr Menschen den Kontakt zur natürlichen Umwelt verlieren? Droht die Natur schließlich zu einer abstrakten Gefahr zu werden?

Unterstützt wird diese Entwicklung unter anderem auch durch die Medien, die beispielsweise bei jedem größeren Gewitter schon fast hysterische Unwetterwarnungen ausgeben und die Menschen vor dem Tod durch herabstürzende Äste, umherfliegende Gegenstände oder Blitzschlag warnen. Natürlich ist das Risiko höher, wenn man sich während eines Gewitters draußen bewegt, als wenn strahlender Sonnenschein und Windstille herrschen, aber diese Feststellung ist banal und sollte eigentlich dem gesunden Menschenverstand entspringen. Nur eine Gesellschaft, die sich von ihrer natürlichen Umwelt abgespalten hat, muss vor den Gefahren eines Unwetters gewarnt werden. Wie soll der Mensch Selbstverantwortung für sich in seiner Umwelt lernen oder erhalten, wenn man ihm die einfachsten Abwägungsprozesse vorbetet?

Auch in Bezug auf andere natürliche Vorgänge scheinen wir die Verhältnismäßigkeit verloren zu haben und die Dinge aus einer in mehrfacher Hinsicht ver-rückten Perspektive zu sehen. Sei es in Bezug auf den Klimawandel, die Rückkehr von heimischen Wildtieren — „Problembär oder Problemwolf“ — oder das Auftreten eines Krankheitserregers: Wir neigen zu einer einseitigen und naturfeindlichen Sicht auf die Dinge. Das Wichtigste scheint zu sein, das Sicherheitsbedürfnis unserer Vollkaskogesellschaft zu befriedigen, indem wir die totale Kontrolle anstreben.

Einfache Lösungen?

Eine Frage, die sich mir aufdrängt: Lebt der in westlichen Industrieländern sozialisierte moderne Mensch vielleicht in einer Art psychotischen Angst vor allem Natürlichen? Kommt daher der Drang, die Natur dem Menschen anzupassen und sich gegen ihre Einflüsse abzusichern, anstatt mit ihr in Einklang zu leben? Dabei geht es nicht nur um das „Achtung Wildwechsel“-Schild an der Landstraße.

Es scheint heute viele Visionäre zu geben, die mit technologischen Mitteln versuchen wollen, die Umwelt zu optimieren oder zu verändern, damit wir uns von ihr unabhängig und abgesichert weiterentwickeln können. Vordergründig scheint es dabei zum Beispiel oft um den Schutz des Klimas oder der Umwelt selbst zu gehen, aber ist das tatsächlich so? Werden diese Ideen auch zu Ende gedacht? Oder geht es vielmehr darum, sich dem eigentlichen Problem zu entziehen, damit wir uns keine Grundsatzfragen stellen müssen? Etwa in Bezug auf unser auf Konsum ausgelegtes Wirtschaftssystem, das den hohen Ressourcenverbrauch bedingt?

Beispiel Klimawandel: Inwieweit er durch den Menschen beeinflusst und beschleunigt wird, ist teilweise noch umstritten. Verschiedene Lager von Wissenschaftlern werfen sich dabei, meist relativ wortklauberisch, irgendwelche Messwerte und Theorien um die Ohren. Dabei geht es oft darum, ob und in welchem Ausmaß der Mensch diesen Wandel beschleunigt. Meiner Meinung nach führt diese Diskussion am eigentlichen Problem vorbei. Einig scheinen sich die meisten Vertreter beider Parteien immerhin in dem Punkt zu sein, dass sich das Klima verändert.

Für die zweite wichtige Erkenntnis brauchen Sie kein Wissenschaftler zu sein. Machen Sie ein Experiment. Stellen Sie sich im Sommer an eine viel befahrene Hauptstraße einer Großstadt und holen einige Male ganz tief Luft. Nun fahren Sie, am besten natürlich mit dem Fahrrad, aufs Land in den Wald und wiederholen Ihren Versuch. Tief durchatmen. Und? Ich nehme an, Sie wissen, worauf ich hinauswill.

Es liegt auf der Hand, dass abgasgesättigte Luft nicht dem Wohlbefinden oder der Gesundheit dienen kann. Dafür benötigt man keine aufwendigen Studien — ein bisschen Lebenserfahrung genügt. Take-Home-Message ist also: Saubere Luft ist besser als schadstoffbelastete.

Was machen wir nun mit der Erkenntnis „Saubere Luft ist besser als schmutzige“? Gute Idee: Zum Beispiel Elektroautos herstellen: „Keine Abgase heißt saubere Luft!“ Klingt logisch, aber ist das so eindeutig? Ist Elektromobilität die Lösung für unsere Probleme? Sicher, Abgase stößt ein Elektroauto nicht mehr aus.

Aber woher kommen all die benötigten Rohstoffe, um die für unsere schicke elektrische Individualmobilität benötigten Akkus herzustellen? Unter welchen Bedingungen und mit welchen Folgen für Mensch und Umwelt werden diese in Afrika oder Südamerika abgebaut? Wie lange halten diese Akkus, und welcher Energieaufwand ist für ihre Wiederaufbereitung notwendig? Woher kommt der für den Betrieb der Fahrzeuge und ihre Herstellung benötigte Strom? Ich weiß, aus der Steckdose. Ist diese Technologie jenseits des Horizonts ihrer Endnutzer tatsächlich so umweltschonend und nachhaltig, wie man sie in Hochglanzprospekten und coolen Spots darstellt? Besonders wenn man eben weiter auf Individualmobilität setzt, muss diese Frage erlaubt sein.

Stellen Sie sich vor, man würde jeden PKW in Europa mit Verbrennungsmotor durch einen ersetzen, der alle paar Jahre einen neuen oder recycelten Akku benötigt und jeden Abend aufgeladen werden muss. Überblicken wir tatsächlich die komplette Sachlage? Tut das auch der weltbekannte Erfinder eines hippen Elektromobils, und liegt dessen einziges Interesse nur darin, die Welt zu verbessern? Und überhaupt: Hat der eigentlich schon mal einen Bauernhof besucht und eine Kuh gestreichelt?

Eine andere, abgefahren anmutende Idee, die Erderwärmung aufzuhalten, ist, die Sonneneinstrahlung mit unterschiedlichen Methoden abzufangen und zurück ins All zu reflektieren. Glauben Sie nicht? Googeln Sie mal. Momentan gibt es noch viele Diskussionen über Nutzen und Risiken dieser Vorhaben, aber es steht zu befürchten, dass alles, was technisch machbar scheint, auch irgendwann umgesetzt wird. Erste Versuche unter dem Namen Stratospheric Controlled Perturbation Experiment (SCoPEx) hätten zum Beispiel bereits 2021 in Nordschweden stattfinden sollen, was die dortige Regierung aber unterbunden hat. Interessant ist auch, wer ein großer Sponsor dieses Experimentes ist. Ein altbekannter Software-Unternehmer, der sich auch sehr im Bereich der Gesundheitsprävention durch Impfungen engagiert. Recherchieren Sie selbst.

Meine Frage ist: Kann irgendein steinreicher, selbsternannter Philanthrop, der sich Hunderte spezialisierte Wissenschaftler und Studien kaufen kann, den Einfluss auf unser komplexes weltumspannendes Ökosystem überblicken, den so ein Eingriff verursachen würde? Sind die Wissenschaftler dazu in der Lage, die vielleicht für bestimmte Ergebnisse bezahlt werden, selbst in die Geschichtsbücher eingehen wollen oder eine eingeschränkte Perspektive haben? Ich bin mir nicht sicher.

Technologie als Religionsersatz?

Macht es generell Sinn, sich allen Problemen mit dem vermeintlich fortschrittlichen Ansatz zu nähren, den der Einsatz von neuesten Technologien bietet? Wären manchmal nicht vielleicht „Omas Hausmittelchen“ zielführender und weniger risikoreich als ungezügelte High-Tech-Medizin? Zumindest sollte man bei Risiken, die uns alle betreffen, öffentlich und ausführlich darüber diskutieren und gegebenenfalls abstimmen, bevor ein paar abgehobene Möchtegern-Einsteins den ganzen Planeten zwangsbeglücken.

Kennen Sie den Dunning-Kruger-Effekt? Ich würde behaupten, diesem Effekt unterliegen alle Menschen gelegentlich. Grob gesagt, neigen die betroffenen Personen zu einer Überschätzung des eigenen Wissens oder Könnens durch eine verzerrte Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten. Oft gründet sich diese Selbstüberschätzung auf eine eingeschränkte Perspektive oder auf Halbwissen. Sie kennen das: „Gefährliches Halbwissen“. Man glaubt, wenn man sich zum Beispiel zu einem Thema eine subjektiv ausreichende Menge an Wissen angeeignet hat, allwissend zu sein, obwohl einem eigentlich viele elementare Gesichtspunkte noch gar nicht bewusst sind und vielleicht außerhalb des eigenen Horizontes liegen. Man steht daher quasi auf dem sogenannten Mount Stupid.

Wie erwähnt halte ich es für menschlich, diesem Effekt manchmal zu erliegen. Das ist auch grundsätzlich nicht schlimm. Bestenfalls bemerkt man seinen Fehlschluss selbst irgendwann oder wird dezent darauf hingewiesen, ohne vorher großen Schaden verursacht zu haben. Sich die Weisheit Sokrates' — „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ — gelegentlich in Erinnerung zu rufen, schützt ein wenig davor, zu oft auf dem Mount Stupid stecken zu bleiben, und hilft, den eigentlichen Pfad der Erkenntnis zu finden.

Gefährlich wird es nur dann, wenn man langfristig der Meinung ist, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und andere Menschen versucht, zum Handeln aufgrund der eigenen unerkannten Fehlannahmen zu überreden oder gar zu nötigen.

Nun scheint es einige bekannte Persönlichkeiten zu geben, die über ein, nennen wir es „sehr gesundes“, Selbstbewusstsein verfügen. Dazu gehören beispielsweise einige bekannte Multimilliardäre aus der Tech-Branche, die scheinbar zu Idolen unserer Zeit geworden sind und unter anderem durch regelmäßige Potenzvergleiche, etwa im Rahmen eines Wettlaufs ins All, auf sich aufmerksam machen. Ob diese Personen in ihrer Jugend einen gesunden Kontakt zu ihrer Umwelt hatten, in der Sonne mit Freunden Fußball gespielt haben oder ihre Zeit lieber als einsame Nerds am Computer hinter zugezogenen Vorhängen verbracht haben, kann ich nicht beurteilen.

Die Frage, die sich mir aber auch hier aufdrängt: Haben diese Tech-Popstars tatsächlich den Überblick, wenn sie uns ihre neuen Ideen präsentieren und mit einer ausgefeilten PR schmackhaft machen wollen? Haben die von ihnen beschrittenen Pfade tatsächlich nur Nutzen für den Menschen, den „User“? Oder sind diese fleischgewordenen Tony Starks aus dem Film „Iron Man“, unter Umständen geblendet vom Spiegelbild ihres erfolgreichen Egos, umringt von faszinierten Ja-Sagern, und verrennen sich in einem technologischen Machbarkeitswahn auf dem Mount Stupid?

Keine Frage, die Wissenschaft hat viele bahnbrechende und hilfreiche Innovationen hervorgebracht und das Leben auf vielfältige Weise bereichert. Auch braucht es Visionäre und Draufgänger, um gute Ideen zu entwickeln. Aber ist wirklich alles, was technisch machbar ist, auch im langfristigen Interesse des Menschen und ein Fortschritt im evolutionären Sinne? Auch hier macht eventuell die Dosis das Gift. Bis zu einem gewissen Grad könnte Technologie den Menschen unterstützen; irgendwann wird sie uns oder der Umwelt aber auch zu einer Last. Ich glaube, die meisten von uns kennen zum Beispiel das Gefühl, von den Reizen, der Dynamik und Schnelligkeit des modernen Lebens überrollt zu werden.

Ein weiteres Beispiel ist der Internethandel: Wer würde bestreiten, dass es eine praktische Errungenschaft der Menschheit ist, bequem von zu Hause aus alle erdenklichen Dinge kaufen und innerhalb kürzester Zeit in den Händen halten zu können, ohne das Haus verlassen zu müssen. Die Kehrseite: zunehmendes Sterben des Einzelhandels, Unterdrückung von Kleinanbietern durch monopolistische Internetplattformen sowie Ausbeutung von Kurier-Unternehmen. Dazu Preisdumping in vielen Wirtschaftssektoren, vor allem in den produzierenden Ländern. Und wie geht es weiter, wenn zukünftig Drohnen unsere Bestellungen ausliefern? Neben den Auswirkungen auf unser Sozialverhalten: Was bedeutet das für die vielen Angestellten der Paketdienste oder für die Sicherheit im unteren Luftraum?

Auch ein folgenreicher Fehleinsatz einer neuen Entwicklung war die nicht adäquate Nutzung von Antibiotika in der Humanmedizin und Massentierhaltung, die jahrzehntelang praktiziert wurde und teilweise immer noch wird. Ein Ergebnis: Es bildeten sich resistente Keime, die jedes Jahr für Zehntausende Erkrankungen und Todesfälle weltweit verantwortlich sind. Natürlich sind Antibiotika eine herausragende Errungenschaft der Medizin, aber auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift. Mit ähnlichem Ansatz ließe sich zum Beispiel auch kontrovers über die Sinnhaftigkeit von Massenimpfungen oder Impf-Abos als „Update“ unseres Immunsystems im Rahmen einer Atemwegsvirus-Pandemie nachdenken.

Wer ernsthaft ähnliche Beispiele sucht, in denen der falsche, hemmungslose oder gar missbräuchliche Einsatz von Technologien mehr geschadet als genutzt hat, wird sicher fündig. In jedem Fall sollten wir bereit sein, auch in Zukunft das Für und Wider abzuwägen, darüber zu streiten und nicht blind irgendwelchen Rattenfängern nachrennen. Erst recht, wenn es um globale Pläne wie die Beeinflussung des Klimas mithilfe neuer Technologien geht, ist vielleicht etwas mehr Ehrfurcht vor Dingen geboten, die größer sind als wir.

Zurück zur Natur

Klar scheint zu sein, dass unsere moderne Lebensweise mit ihrer Konsumorientierung einen enormen Ressourcenverbrauch und riesige Umweltschäden verursacht. Dabei liegt das Hauptproblem der Zukunft noch nicht einmal in den westlichen Industrieländern. Durch die zunehmende Entwicklung von Wohlstand in anderen Regionen der Welt wird die Belastung und Ausbeutung der Umwelt auf ein ganz neues Level gehoben. Stellen Sie sich vor, dass allein China und Indien mit momentan zusammen fast 3 Milliarden Menschen irgendwann denselben Ressourcenverbrauch und gleichen Emissionsausstoß pro Kopf haben wie die alten Wohlstandsnationen des Westens. Den Wunsch nach einem bequemen und modernen Leben kann man den Bewohnern dieser Länder ja wohl nicht vorwerfen und aus moralischen Gründen kaum verwehren.

Wie auch immer: Wir werden immer mehr Menschen auf diesem Planeten, die mit zunehmender Entwicklung in den ärmeren Ländern einen steigenden Energiebedarf pro Kopf haben werden. Die natürlichen Ressourcen der Erde sind aber begrenzt. Genau wie die Regenerationsfähigkeit der Natur. Wir müssen uns also wohl oder übel etwas überlegen.

Allerdings sollten wir eben nicht der Versuchung erliegen, alle unsere Probleme mit dem Einsatz technischer Hilfsmittel lösen zu wollen, deren Auswirkungen wir oft nicht abschätzen können. Der Versuch, viele hunderte Millionen Jahre an Evolution durch unsere Technologien innerhalb weniger Jahrzehnte zu optimieren und zu kontrollieren, birgt enorme Risiken. Vor allem wenn wir auf dem Mount Stupid stehen.

Oberstes Gebot sollte daher die bewusste Auseinandersetzung mit unserem natürlichen Lebensraum sein. Wir sollten wieder etwas mehr Respekt und Demut vor dem großen Ganzen üben, anstatt uns in unserem Kontrollwahn ignorant darüber zu erheben. Neben dem Versuch, immer mehr stylische Hightech-Produkte des Konsums wegen in Umlauf zu bringen, könnte man auch den wirklich bewussten Umgang mit der Natur fördern und exportieren.

Ein Anfang wäre gemacht, wenn wir als Bürger den Gedanken an „nachhaltigen“ Konsum respektive Verbrauch über Bord werfen würden.

Keine Form von „Ver-brauch“ ist nachhaltig. Nachhaltig wäre es, etwas möglichst lange zu „ge-brauchen“ und auf unnötigen Schnickschnack zu verzichten.

Das heißt nicht, dass es nicht mal ein wenig Luxus geben darf, aber die Dosis macht hier wieder das Gift. Es wäre auch technisch ohne Weiteres möglich, hochwertige Produkte herzustellen, die deutlich länger halten. Wir bräuchten nicht alle zwei Jahre ein neues Auto oder Smartphone zu kaufen. Leider ist unser ganzes Wirtschaftssystem genau darauf ausgerichtet: produzieren, verkaufen, verbrauchen, entsorgen. Deswegen nennt man uns ja auch „Ver-“ und nicht „Ge-braucher“.

Unbedingt sollten wir wieder den Kontakt zur Natur suchen, um festzustellen was wir wirklich brauchen. Was vermissen Sie wirklich, wenn Sie einen Spaziergang durch einen Wald machen? Welche technischen Spielereien brauchen Sie, wenn Sie in einem Kanu auf einem ruhigen See paddeln und abends mit Freunden am Feuer sitzen und Stockbrot backen? Vielleicht besuchen Sie mal wieder einen Bauernhof und streicheln eine Kuh, anstatt das fünfte Mal in der Woche Billigfleisch vom Discounter zu kaufen. Seien wir achtsam mit uns und unserer Umwelt.

Denken wir daran: Die Großartigkeit der Welt lässt sich nicht allein durch das Okular eines Mikroskops oder den Blick auf den Computerbildschirm erkennen. Auch wenn es Leute gibt, die uns etwas anderes weißmachen wollen — die Komplexität des Lebens ist nicht durch Einsen und Nullen darstellbar. Und selbst wenn dem so wäre, müssten wir Menschen und die uns umgebende Umwelt dieses binäre System ohne Hilfe lesen können, um nicht abhängig von etwas zu werden, was den Geist aufgibt, sobald der Strom ausfällt. Vielleicht brauchen wir auch wieder mehr Menschen, die die einzelnen Puzzleteile, die uns die vielen Spezialisten liefern, zu einem lebenspraktischen Gesamtbild zusammenfügen. Am besten werden wir selbst zu diesen verantwortungsbewussten Allroundern.

Und führen wir uns vor Augen: Die Erde ist etwa 4,6 Milliarden Jahre alt. Unsere Vor-Vorfahren entstanden vielleicht vor einigen Hunderttausend Jahren. Davor haben unzählige Spezies in unterschiedlichen Zeitaltern die Welt bevölkert und wieder verlassen. Die bekanntesten sind wohl die Dinosaurier. Die Wahrscheinlichkeit ist also relativ groß, dass wir aussterben werden, der Planet weiter existieren wird und die Evolution ohne uns ihren Lauf nimmt.

Die Erde selbst hat nicht viel zu befürchten. Nehmen wir uns also nicht zu wichtig. Nehmen wir aber stattdessen mehr Rücksicht auf unsere Mitgeschöpfe, die sich nicht wie ein Elefant im Porzellanladen verhalten. Wenn wir als Menschen noch lange um die Sonne kreisen wollen, sollten wir den Glauben, dies ohne gesunde Verbindung zur Natur tun zu können, schnell verwerfen.

Wir dürfen die Natur nicht als etwas Abstraktes betrachten, das es zu bändigen gilt, sondern müssen uns als einen Teil von ihr verstehen, der ohne sie nicht existieren kann. „Leben und leben lassen“ gilt hier in mehrfacher Hinsicht.

In diesem Sinne: Gehen wir raus, atmen wir frische Luft und genießen wir die einzigartige Schönheit der Natur. Wir tun es für uns!


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