Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Zwischen Wohlfühlkritik und Selbstdemontage

Zwischen Wohlfühlkritik und Selbstdemontage

Ein Erfahrungsbericht über die Verleihung des Kölner Karlspreises 2017 sowie die dieser vorausgegangenen Demonstrationen aus Sicht der Rubikon-Jugendredaktion.

Straßenprotest … auf dem Standstreifen
Von Nicolas

Protest auf der Straße ist gestattet. Vorausgesetzt, er findet auf dem Standstreifen statt und folgt diesem. Wohin? Zur nächsten Ausfahrt. Weiter soll er sich nämlich gar nicht bewegen. Die Ausfahrt führt dann schleifenförmig über die Autobahn und mündet letztendlich wieder auf eben jener in die Richtung, aus welcher der Protest ursprünglich gekommen ist. Selbiges geschieht bei der nächsten Ausfahrt erneut und so rotiert der Protest in stets kreisförmigen Bahnen, ohne jemals den außerhalb der Ausfahrt liegenden Kräften gefährlich zu werden.

Aber erdreistet sich dann doch einmal jemand, den Blinker der Neugier zu setzen und auf eine der linken Spuren zu wechseln, die geistigen Scheinwerfer in den dichten Nebel zu lenken, der den weiteren Verlauf der Straße verschleiert, dann kann sich derjenige auf eine Reaktion von den Standstreifen-Aktivisten gefasst machen, denen mehr als nur das Gehirn gewaschen wurde. Ehe man sich versieht, klebt am eigenen Heck der Aufkleber „Antisemit an Bord“.

Die Verlockungen und Anreize, den systemimmanenten Standstreifen politisch nicht zu verlassen, sind zahlreich. Und für Verpflegung ist ebenfalls gesorgt. Das am Straßenrand befindliche Buffet bietet Feine Sahne und Fisch-Filet – antideutsche Kost (1), um den Geruch der von Aluhut-tragenden Antisemiten und von Antiamerikanern befahrenen deutschen Autobahn zu übertünchen. Wem es nach Zärtlichkeit und Berührung ist: Am Straßenrand tummelt sich ein ganzer Streichelzoo von Antilopen.

Hier ist man sicher vor systemkritischen Fragen und Diskursen, die den geistigen Horizont der durchgezogenen Fahrbahnlinie aus Memes, Poetry-Slams und kunterbunten Campact-Demonstrationen übersteigen. Eigenes kritisches Nachdenken ist in den Riegen intellektueller Klonkrieger nicht erforderlich. Vielfalt ist nur bei der Auswahl der Klamotten von Bedeutung. Inhaltlich genügt es, die Kopie einer Kopie einer Kopie einer Kopie zu sein. Die linken Fahrbahnspuren werden durch etablierte System-Hüter zu postfaktischen Parallel-Universen erklärt, in deren Querfront-Sternenkonstellation investigative, systemkritische Journalisten zu kruden Verschwörungstheoretikern und Bürger, die es mit dem Frieden ernst meinen, zu einer Bedrohung für die nationale Sicherheit erklärt werden.

Menschen also, die von der systemkonformen Milchstraße aus Latte-Macchiato ferngehalten werden müssen. Man möchte schließlich ungestört seinem Aktivismus frönen, der sich im Schwingen kleiner Europa-Fähnchen und dem Malen zweier Kreuze auf einen Zettel alle 1.460 Tage erschöpft. Da sind natürlich kritische Geister unerwünscht, die das Geldsystem hinterfragen, die global ausbeuterische Systematik des Zinssystems entblößen, an den gesunden Menschenverstand im Hinblick auf die Unmöglichkeit eines unendlichen Wachstums auf einem endlichen Raum – und dem damit verbundenen Ökozid – appellieren und sich nicht mit eingeengten Diskussionen innerhalb eines vorgegebenen Frames zufriedengeben.

„Das einzige, was gleich bleibt, ist, dass sich nie was ändert“ (2) ist das Credo, in dem man sich suhlen möchte. Das geht nur, wenn selbst auf Seiten der einstmals rebellischen Punker in puncto systemkritischer Nachfrage Tote Hose herrscht (3).

Die Repräsentanten der systemimmanenten Seitenspur waren, wenn auch in verhältnismäßiger Unterzahl, vergangenen Donnerstag am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz bei der Austragung des Kölner-Karlspreis-Ken-Krimis zugegen.

Bild


Die Gegendemonstration
Von Aaron

Es war ein kleiner Kreis von circa 30 bis 40 Menschen, der sich etwas abseits des Rosa-Luxemburg-Platzes an der Ticketkasse zur Volksbühne formiert hatte und gegen die circa 200 bis 250 Leute Stellung bezog, die sich zur Hauptdemonstration zusammengefunden hatten. Nachdem wir auf letzterer einigen Rednern mal mehr, mal weniger gelauscht hatten, beschlossen wir, uns auch die Gegendemo etwas genauer anzusehen.

Ein Vergleich der Demographie der beiden Demonstrationen war vor allem für uns Jugendliche ernüchternd. Auf der Hauptdemonstration herrschte wohl ein Altersdurchschnitt von 50 Jahren plus; es waren vor allem ältere Aktivisten, die sich hier zusammengefunden hatten, unter ihnen Teilnehmer, die sich bereits seit Jahren für die Stärkung der Demokratie und des Friedens einsetzen. Ein Student, schätzungsweise Mitte 20, hielt uns aufgrund unserer getuschelten Kritik an der Organisation der Hauptdemonstration, die eben auch nicht reibungslos ablief, wohl für Teilnehmer der Gegendemo. Er fragte daraufhin – allerdings offen und auf sachlicher Ebene diskussionsbereit – warum wir die Hauptdemo in Teilen kritisch sähen; und selbst nach unserer Richtigstellung betonte er mehrfach, dass ihm ein aufrichtiger, respektvoller Diskurs wichtig sei, der auch der anderen Seite fair begegne und ehrlich hören wolle, wie deren Motivationen ausfallen.

Die Gegendemonstration hingegen zeichnete ein anderes Bild. Die Teilnehmer waren meist in unserem Alter, manche nur etwas älter als wir: Junge Studenten standen hier beieinander und frönten der Demokratie in Eigenregie. Deshalb auch lauschten sie zum Zeitpunkt unserer Ankunft einer arrogant wirkenden Vertreterin der Grünen Jugend, die die Teilnehmer der Hauptdemonstration sogleich als Verschwörungstheoretiker und Aluhüte abkanzelte – Klaus Lederers Wortwahl, welche vor Gericht wohl keine hinreichende Begründung für eine Absage darstellte. Nach der Bekundung solidarischer Unterstützung Klaus Lederers und der gesamten Linken in Berlin gab man anschließend bekannt, für die kruden Leute dort drüben 150 Meter Alufolie dabeizuhaben, um schöne Hüte zu basteln – wir mussten unsere derweil wohl zu Hause vergessen haben.

Die Hochnäsigkeit der Gegendemonstranten war förmlich spürbar. Man bezeichnete die Gegenseite als „Affen“ und war sich sicher, für demokratische Werte einzustehen, indem man den Friedensbewegten gegenüber das Wort zu verbieten suchte. Meinungsfreiheit wurde hier auf die alleinige Freiheit der eigenen Meinung reduziert.

Übrigens fiel auch auf, wie unterschiedlich stark das Polizeiaufgebot bei den beiden Demonstrationen ausgefallen war. Während die städtische Polizei zur Absicherung der alteingesessenen „Aluhüte“ ein eher mild besetztes Aufgebot für nötig befand, wurden die Gegendemonstranten förmlich flankiert.

Auf dieser hörten wir im Laufe des Abends dann das Zitat Jebsens aus dem Jahr 2011, welches zumeist angeführt wird, wenn dessen vorgeblicher Antisemitismus „belegt“ werden soll: „ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat. [sic!]“

Dem aus dem Kontext gerissenen Zitat wurden seither zahlreiche Stellungnahmen gewidmet, beispielsweise diese (4) oder auch diese (5). Wem das nicht genügt, der kann den Gesamtkontext hier (6) nachlesen. Gerichtsprozesse zu den Vorwürfen gewinnt Jebsen regelmäßig (7). Dieses Zitat liegt mittlerweile nicht nur sechs Jahre zurück; bis heute sind außerdem hunderte Beiträge auf seinem YouTube-Kanal KenFM erschienen, die eine vollkommen andere Sprache sprechen, nämlich die der Demokratie, des Humanismus, der Grund- und Menschenrechte.

Sich allerdings in einem Maße zu informieren, das über das reine Lesen dieses Zitates und das unhinterfragte Fürwahrhalten der dazugehörigen Verleumdungskampagne hinausgeht, schien für die Vertreterin der Grünen Jugend eine zu große Anstrengung zu sein. Ebenso ließ das zustimmende Gegröle der Teilnehmer auf einen ähnlichen Informationsstand schließen.

Da die Gegendemonstration hiernach – also circa eine Stunde vor der Hauptdemonstration – an ihre inhaltlichen Grenzen stieß, wusste man sich der Hauptdemonstranten nur noch auf eine Weise zur Wehr zu setzen: durch das störende Abspielen des Klassikers „Last Christmas“ in voller Lautstärke. Ein kindischer Versuch, die Gegenseite zu „übertönen“.

Ein Redner der Hauptdemonstration lud noch zu Anfang die Gegendemonstranten zum offenen Gespräch und zur Teilnahme an der Veranstaltung ein. Von diesem offenen Geist war bei den Jugendlichen gegenüber, die allem Anschein nach die alleinige Wahrheit für sich gepachtet hatten, nichts zu spüren.

Trotzdem wollten wir Jugendredakteure die Gegendemonstranten nicht auf dieselbe Weise abstempeln, wie sie es mit uns taten. Während also „Last Christmas“ aus den Boxen dröhnte, sprachen wir zwei Teilnehmer der Gegendemo an, einer mit Israelflagge um die Schultern und der andere mit USA-Fahne auf dem Sweatshirt. Wir gaben uns als unwissende Passanten aus, um unvoreingenommene Antworten zu erhalten und ungetrübt zu sehen, welche Perspektive die anderen Jugendlichen auf die Veranstaltung hatten.

Man muss sagen, dass die beiden sehr gut über die Vorgeschichte der Kölner-Karlspreis-Verleihung Bescheid wussten; so beispielsweise auch, dass die von Klaus Lederer gewünschte Absage vor Gericht zurückgewiesen wurde. Zudem war ihre Haltung zum Nah-Ost-Konflikt, deren Ausführung diesen Rahmen sprengen würde, durchaus fundiert. In Kurzform: Es war ein interessantes Gespräch!

Allerdings muss man ebenfalls sagen, dass die beiden weder in Lederers öffentlich geäußertem Wunsch zur Absage der Veranstaltung, noch im Telefonat seines Staatssekretärs mit dem Betreiber des Kinos, noch in der darauffolgenden vorzeitigen Absage auch nur den Versuch der Zensur begründet sahen, sodass man sich fragen muss, wo genau für diese Leute Zensur beginnt – und das, während sie sich ihrerseits sicher waren, dass man den kruden Hauptdemonstranten keine Plattform bieten dürfe.

Man verurteilte die Hauptdemonstranten als obskure Verschwörungstheoretiker und zog sie ins Lächerliche, obgleich man sich derer Inhalte strikt verweigerte und in der diesbezüglichen Haltung auf pures Etiketten-Kleben verließ.

Wir von der Jugendredaktion finden eine solche Frontenverhärtung, wie sie von der Gegendemonstration betrieben wurde, bedauernswert. Es ist gerade für uns bedrückend zu sehen, dass sich die Mehrzahl unserer Altersgenossen bei den Demonstrationen in Berlin auf die Seite derer stellte, die fadenscheinige Vorwürfe ohne genauere Prüfung erheben und damit Rufmord betreiben, die sich arrogant und herablassend gegenüber ihren Mitmenschen äußern, die sich für Verfechter der Demokratie halten, indem sie anderen das Wort verbieten möchten.

Wir wollen keine Jugend sein, die sich aus ihrem eigenen Übermut heraus der Meinung Andersgesinnter verschließt. Uns ist ein achtsames Miteinander wichtig. Wir rufen daher auf zu einem offenen Diskurs, zur Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegenseite, zu gegenseitigem Respekt und, allem voran: zu Humanismus und Empathie.


Die Preisverleihung als Orgachaos
Von Johanna

Wer sich nun nach den Demonstrationen, völlig durchnässt und von der Gegenseite beleidigt und abgestempelt, auf Ruhe und Frieden unter Gleichgesinnten freute, wurde an dieser Stelle gleich mehrfach enttäuscht. Es scheint, als hätte nicht nur hinsichtlich der Veranstaltungsplanung, sondern auch der Organisation im Veranstaltungsort das Chaos die Oberhand übernommen.
Denn schon im Eingangsbereich des Kino Babylon herrschte Durcheinander – trotz der vielen Mitarbeiter konnten nur allmählich einzelne Gäste den Veranstaltungsraum betreten, was zu einem großen Menschengewimmel im Foyer führte.

Ganz schlechte Karten hatte man mit einem Onlineticket, da man aufgrund technischer Probleme von der einen Kasse zur gegenüberliegenden anderen (und wieder zurück-)geschickt wurde. Trotz der kurzen Entfernung von etwa zwei Metern war dies angesichts des Menschengetümmels eine echte Herausforderung.

Wer nach geraumer Zeit die Einlasskontrolle erlangte, wurde von Sicherheitsmännern ganz genau unter die Lupe genommen. War man im Besitz einer Kamera, durfte man den Raum gar nicht erst betreten – was doch schon sehr verwunderlich war¬, da Smartphones (und wir wissen alle, dass diese mit Kamerafunktion ausgestattet sind) erlaubt waren und, so stellte sich später heraus, überhaupt kein Fotoverbot herrschte. Eine Garderobe zur Verwahrung der Kameras stand ebenfalls nicht zu Verfügung, deshalb musste man den teuren Wertgegenstand auf eigene Faust hin provisorisch und ohne Garantie an der Kasse abgeben.

Nach diesem doch eher chaotischen Einlass nahmen wir also endlich im Kino Platz.


Worum ging es bei der Preisverleihung?
von Madita

Es ist keine neurophysiologische Hochleistung nötig, um zu verstehen, dass Preise nicht nur zum Nutzen der Preisträger, sondern auch zum Nutzen der Verleiher vergeben werden. Dabei stellte auch der Kölner Karlspreis, der am 14.12. von der Neuen Rheinischen Zeitung an Ken Jebsen verliehen werde sollte, keine Ausnahme dar. Nach der vorangegangen Schlammschlacht zwischen Verleihern, Kultursenator, Preisträger, der Geschäftsführung des Babylon, Presse und schließlich dem Amtsgericht Berlin, hätten sich die Veranstalter wohl nichts sehnlicher als einen gelungenen Abend gewünscht. Doch bei der Erfüllung dieses Wunsches gab es Hindernisse.

Der erste große Knall ertönte bereits am Nachmittag, als bekannt wurde, dass Ken Jebsen sich dazu entschlossen hatte, an seiner eigenen Preisverleihung nicht teilzunehmen. Auf den ersten Blick mag das, insbesondere, da KenFM in Reaktion auf die Zensurmaßnahmen von Kultursenator Klaus Lederer, eine eigene Demonstration veranstaltet hatte, inkonsequent wirken, doch im Laufe des Abends wurde die Sinnhaftigkeit dieser Entscheidung sichtbar. Jebsen hat sich in den letzten Jahren zu einer Art Star in der alternativen Medienszene entwickelt, dem kaum einer mehr unvoreingenommen gegenübertritt. Während es regelmäßig aus Zeitungen wie der jungen Welt oder dem Neuen Deutschland Kritik und Denunziationen hagelt, verfügt KenFM mittlerweile auch über eine Nutzerschaft, die ihn – obgleich Jebsen regelmäßig auf die Bildung eines eigenen politisches Weltbildes aus verschiedensten Quellen pocht – zu einem „Opinionleader“ erklärt. Gegen diesen Personenkult spricht sich Jebsen selbst jedoch immer wieder aus und wirkte ihm durch sein Fernbleiben von der Veranstaltung entgegen.

Der zweite große Knall trat kurz, bevor die Veranstaltung beginnen sollte, in Form von Timothy Grossman, dem Geschäftsführer des Babylon, auf die Bühne. Grossmann las ein vorbereitetes Statement zur Personalie Jebsen vor. Dieser sei seiner Ansicht nach ein Rassist, dem das Kino Babylon in Zukunft nicht mehr für derartige Veranstaltungen zur Verfügung stehe.

KenFM organisiert bereits seit mehreren Jahren Veranstaltungen im Kino Babylon, die, insbesondere was die Vorträge des Historikers Daniele Ganser angeht, dem Kino volle Kassen einbrachten.

Vielleicht hatte Grossman auch deshalb bis jetzt keine Probleme mit den jeweiligen Vermietungen; dennoch ist es zweifelhaft, dass er sich vorher nie über die Personalie Jebsen und seine streitbaren Ansichten informiert hat. Warum also erteilt er ihm gerade jetzt, nach all der öffentlichen Aufmerksamkeit, eine Absage, nachdem er ihm sein Kino zuvor bereits oftmals zur Verfügung gestellt hat?

Bei den Zuschauern stieß diese Ansprache auf wenig Zustimmung, wurde von Buhrufen und Pfiffen quittiert. Die Mitherausgeberin der Neuen Rheinischen Zeitung, Anneliese Fikentscher, versuchte Grossman sogar daran zu hindern, sein Statement zu Ende vorzutragen, was, wie durch einen sehr eindrücklichen Zwischenruf des Friedensaktivisten Owe Schattauer deutlich wurde, auch nicht ganz im Einklang mit der vor der Verleihung so vehement geforderten Meinungsfreiheit stand.

Grossmanns zweiter Punkt bezog sich auf den zur Veranstaltung geladenen britischen Musiker Gilad Atzmon, dessen Ruf aufgrund seiner Äußerungen bezüglich des Holocausts und der Politik Israels sehr umstritten ist. So unangebracht die Ansprache Grossmanns auch gewesen sein mag, mit der Einladung dieses Künstlers hatte man sich zweifelsfrei keinen Gefallen getan, denn bereits dessen Präsenz auf der Veranstaltung bot eine erneute Angriffsfläche.

Es stellt sich also die Frage, warum die Friedensbewegung, deren Vertreter sich immer wieder den Vorwürfen des Antisemitismus ausgesetzt sehen, eine in diesem Maße umstrittene Persönlichkeit einlädt, die nach oberflächlicher Recherche als Holocaustleugner und Antisemit abgestempelt werden könnte. Auf diese Weise demontiert sich die Friedensbewegung selbst und sabotiert ihre eigenen Werte und Interessen.

Hinzu kam, dass Atzmons Bezug zur Preisverleihung nicht wirklich ersichtlich war, da er seine Rede mit folgenden Worten einleitete: ,,I‘m here to talk about Ken, but I don‘t know him very well, so I‘ll just talk about me“, woraufhin er größtenteils zu seiner Sicht auf Israel abschweifte.

Gerade der Israelkritik wurde aber im Verlauf des Abends bereits überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit eingeräumt. Zuvor hielt Evelyn Hecht-Galinski, die als letzte Preisträgerin 2014 den Kölner Karlspreis erhielt, nämlich eine recht zähe und langwierige Rede zu eben jenem Thema.

Als Zuschauer fragte man sich hier, warum sich plötzlich der halbe Abend in einer Intensität um Israel drehte, wie sie Hecht-Galinski oder Atzmon an den Tag legen mögen – welche aber keinesfalls der Berichterstattung des Preisträgers Ken Jebsen entspricht.

Doch trotz aller Schwierigkeiten, die die Veranstaltung prägten, waren die meisten Beteiligten bemüht, die Wogen zu glätten und einen alternativen politischen Abend zu genießen, der sich den Zensurbemühungen des (Mono-)Kultursenators Lederer entgegenstellte. Genau dieser nutzte natürlich das Nichterscheinen Jebsens, um zu „beweisen“, dass seine Intervention gerechtfertigt gewesen wäre und behauptete im Anschluss sogar, KenFM habe ihm damit Recht gegeben.

Im Nachgang der Veranstaltung konnte man allerdings erkennen, dass diese Entscheidung nichts mit Klaus Lederer zu tun hatte, sondern eine Absage an den Personenkult in den eigenen Reihen und ein Versuch war, ein Zeichen gegen das von Kontaktschuld geprägte Schwarz-Weiß-Denken in Presse und Teilen der Friedensbewegung zu setzen.

Denn genau diese Art der Spaltung schädigt auch die Friedensbewegung und nutzt letztlich keinem der Beteiligten. Wenn solche Veranstaltungen in Zukunft friedlicher ablaufen sollen, müssen die Frage nach Schuld und Recht sowie die ewige Rechthaberei – auch in den „eigenen Reihen“ – endlich in den Hintergrund treten und Raum geschaffen werden für die Inhalte, um die es den Friedensbewegten eigentlich geht.


Abschließende Worte
Von Felix

Wir Jugendlichen hatten von der Veranstaltung als solcher einen sehr durchwachsenen Eindruck. Die meisten Reden der Demonstration und der späteren Verleihung wie auch die der Gegendemonstration in Kombination mit den haltlosen Anschuldigungen Lederers und seiner Unterstützer in der Linken erweckten den Eindruck eines seit Jahrzehnten festgefahrenen Stellungskrieges, der nur mehr aus verkrusteten Schützengräben geführt wird und dessen Akteure sich partout nicht auf einen Waffenstillstand verständigen wollen.

Dabei ist es doch offensichtlich, dass beide Seiten von ihren Prinzipien her eigentlich für eine friedlichere Welt eintreten wollen. Dies wird jedoch nicht zu einem Erfolg führen, wenn dabei stets die eigenen Mitstreiter unter Beschuss genommen werden, die man als angeblich Andersdenkende identifiziert zu haben glaubt.

Solange die Friedensbewegung Abweichler in der eigenen Sache zuweilen härter straft als das gegenseitige politische Lager, wird sie nicht die Zeit finden können, gemeinsame Ziele und Werte zu definieren, die auf jener Verständigung beruhen, die sie sich für eine bessere demokratische Welt wünscht.

Die ganze Veranstaltung wirkte daher auf junge Leute wie uns auch eher abschreckend. So sehr das Anliegen, zum Frieden in der Welt beizutragen, auch gerechtfertigt ist, so muss dennoch dringend und grundlegend über die Art und Weise diskutiert werden, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Dabei ist es wichtig, sich von vorschneller Verurteilung freizumachen, seine eigenen Ansichten nicht als in Stein gemeißelte Wahrheiten zu betrachten und stattdessen offen zu sein für Gespräche und Meinungsaustausch in allen Riegen. Es ist normal, dass nicht alle Menschen einer Meinung sind, und das ist auch gut so. Doch Meinungsfreiheit garantiert eben die Freiheit jeder Meinung, nicht nur die der eigenen. Meinungsfreiheit beinhaltet somit auch den Respekt vor abweichenden Ansichten und der sie vertretenden Person. Gerade an diesem Respekt mangelt es aber oftmals – auch in den Lagern der Friedensbewegung.

Daher wollen wir als Jugendredaktion die Friedensbewegung und ihre Gegner dringend bitten, den gegenseitigen Respekt zu wahren und sich offen und unvoreingenommen auf die Argumente der Anderen einzulassen, denn nur so kann Demokratie wirklich verteidigt werden.

Zur Lektüre empfehlen wir abschließend diesen Text.


Bild


Quellen und Anmerkungen:

(1) http://www.songtexte.com/songtext/feine-sahne-fischfilet/gefallt-mir-6ba40a82.html
(2) https://genius.com/Prinz-pi-100x-lyrics
(3)http://www.rp-online.de/kultur/musik/toten-hosen-saenger-campino-staerkt-angela-merkel-den-ruecken-aid-1.7219730
(4) https://www.youtube.com/watch?v=QZ1T9KmNt6M
(5) https://www.youtube.com/watch?v=Ic3xNaUseRo&feature=youtu.be&t=631
(6) https://jacobjung.wordpress.com/2011/11/08/henryk-m-broder-vs-ken-jebsen-rbb-setzt-kenfm-ab/
(7) https://youtu.be/jHgiQMBG2rM?t=1m57s


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

Weiterlesen

Vernachlässigbare Blutbäder
Thematisch verwandter Artikel

Vernachlässigbare Blutbäder

Wer über Kriegshandlungen berichtet oder auch nicht berichtet, trägt ein hohes Maß an Verantwortung — für die Opfer, aber auch für das geistige Klima im eigenen Land.

Die Nieten festnageln
Aktueller Artikel

Die Nieten festnageln

In seinem Sammelband „Gefährliche Nullen — Kriegstreiber und Elitenvertreter“ zeichnet Uwe Froschauer ungnädige, jedoch sehr wirklichkeitsnahe Porträts unseres Spitzenpersonals.

Das alltägliche Blutbad
Aus dem Archiv

Das alltägliche Blutbad

Während die Normalität sich stetig wandelt, bleibt das Übel der strukturellen Ausbeutung konstant — Zeit, den Aufstand zu wagen.