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Alle zusammen!

Alle zusammen!

Bei den Corona-Demonstrationen sollten wir auch lernen, denjenigen zuzuhören, die wir erst einmal nicht mögen.

Wir sind eins. Wir sind ein Volk, eine Familie. Wir wollen Freiheit und Frieden. Dafür gehen wir auf die Straße. Dort treffen wir unsere Brüder und Schwestern in bunten Farben. Gemeinsam protestieren wir gegen die Maßnahmen der Regierung, gegen Masken- und Impfzwang, gegen den Ausruf einer zweiten Welle und gegen einen weiteren Lockdown. Wir sind gegen Zensur und für Meinungsfreiheit, gegen Entmündigung und für unsere Grundrechte. Wir wollen unsere Würde zurück! Hierin sind wir uns einig.

An unserer Seite marschieren Menschen verschiedener politischer Couleur. Gemeinsam wird skandiert und gesungen, gebetet und meditiert. Getragen vom Gefühl der Zusammengehörigkeit setzen wir uns für dieselbe Sache ein. Dieselbe? Hier und da erheben sich Stimmen, die in der gemeinsamen Melodie Misstöne erzeugen. Mit denen wollen wir nicht verwechselt werden und auch nichts zu tun haben. Doch was machen wir jetzt? Wir können sie nicht ausschließen. Die Straße gehört schließlich allen. Deshalb sind wir ja hier. Wir demonstrieren ja gerade für Pluralität und Vielfalt. Hier dürfen sich alle äußern — zumindest theoretisch. In der Praxis ist es wie in der Geschichte mit dem Wolf, dem Schaf und dem Kohlkopf: Können wir gemeinsam weiterkommen?

Im selben Boot

Wir sind eine Menschheitsfamilie. Hierin dürften sich viele der Demonstrierenden einig sein. In einer Familie ist es so, dass niemand ausgeschlossen werden kann. Wir können zwar so tun, als gäbe es den Naziopa, die sich prostituierende Tante und das uneheliche Kind nicht — dennoch sitzen wir mit ihnen zusammen im selben Boot. Wir funktionieren nicht als isolierte, losgelöste Körper, sondern stehen als Teil eines zusammenhängenden Ganzen in Resonanz mit dem gesamten Gefüge. Im Familienstellen, einer psychotherapeutischen Methode zur Aufarbeitung und Auflösung von psychischen und physischen Störungen und Krankheiten, werden diese Zusammenhänge deutlich (1).

Die Probleme, die eine Generation nicht löst, werden an die nächste weitergegeben. Oder wie Carl Gustav Jung (1875 bis 1961) es formulierte: „Was wir verdrängen, ereilt uns als Schicksal.“ Vor diesem Hintergrund fallen Krankheiten, Konflikte, Unfälle und all die Unannehmlichkeiten des Lebens nicht vom Himmel. Sie haben immer auch etwas mit der Gruppe zu tun, in die wir hineingeboren wurden. Wollen wir demnach ein Problem dauerhaft aus der Welt schaffen, müssen wir uns nicht nur das Detail ansehen, sondern auch das Gesamte. Lösung kann nur dann eintreten, wenn alle Teile des Ganzen integriert sind.

Die schwarzen Schafe müssen gewissermaßen in die Gruppe zurück. Wohin sollte man sie auch schieben in einer Welt, die nach Vereinigung strebt — in einen Stall für Faschisten und einen für Schlafschafe?

Wie sollte die Ausgrenzung funktionieren? Wohin sollten wir das unserer Meinung nach Abwegige schieben — in ein Lager für Andersdenkende? Wäre es eine Lösung, uns selbst aus der Bewegung zurückzuziehen? Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Wenn wir nicht das weiterführen möchten, was wir kritisieren und wofür wir auf die Straße gehen, dann sollte uns jetzt etwas Neues einfallen.

Verbindung ist die Lösung

Jedes Problem, in welchem Lebensbereich es auch entsteht, hat etwas mit Trennung zu tun, mit Spaltung und Bruch. Etwas zerbricht, ist verletzt, ist nicht mehr heil. Es zerfällt, ist nicht mehr ganz. Schauen wir uns in unserer Welt um, sehen wir, was das für Konsequenzen hat. Menschen, die nicht miteinander kommunizieren, können keine Welt der Harmonie, Gerechtigkeit und Liebe aufbauen. Wenn wir das nicht begreifen, geht es genauso weiter wie bisher. Wir machen unserem Unmut Luft und uns ein gutes Gewissen, demonstriert zu haben. Grundsätzlich aber wird alles so bleiben wie vorher.

Doch hier passiert gerade etwas, was alle bisherigen Revolutionen übersteigt. Es geht hier nicht nur um den Protest gegen menschenverachtende Maßnahmen und die Verteidigung sozialer und politischer Rechte. Hier wird keine Geburtstagsparty mit hübschen bunten Luftballons gefeiert und die Demonstrationen sind kein Event, bei dem alle zeigen, wie lieb sie sich haben. Es handelt sich nicht um Versammlungen von Clubs und Cliquen, denen man pikiert den Rücken drehen kann: Wenn der oder die mitmacht, dann komm ich nicht. Wie weit links oder rechts dürfte man denn sein, um noch teilnehmen zu können?

Das hier ist kein Kaffeekränzchen der Richtigdenker, sondern eine Bewegung für Menschen mit Courage.

Es ist der Aufstand der Gewissen, von dem der algerisch-französische Philosoph und Landwirt Pierre Rabhi spricht (2). Dieser Aufstand ist zunächst ein individueller Akt. Das Bewusstsein des Einzelnen muss erwachen, bevor eine fruchtbare kollektive Bewegung entstehen kann. Wir müssen zuerst das Trennende und Spaltende in uns selbst betrachten und überwinden, wenn wir als Gemeinschaft etwas auf die Beine stellen wollen. Das schaffen wir nicht, wenn wir uns in Gruppen und Grüppchen zersplittern und Andersdenkende verurteilen, was auch immer ihre Ansicht ist. Wir müssen versuchen zu integrieren, statt wegzustoßen, um wirkliche Vielfalt zu leben.

Kontakt und Konfrontation

Für unser Immunsystem ist es das Beste, wenn es von klein auf mit möglichst vielen verschiedenen Mikroben und Erregern konfrontiert wird. Am gesündesten sind die Kinder, die mit einer guten Portion Dreck aufwachsen. Es ist wie ein Training, bei dem die Immunität gestärkt und stabilisiert wird. Biologisch gesehen macht also Vielseitigkeit gesund. Einseitigkeit hingegen macht krank. Wer immer dasselbe isst und ständig desinfiziert, wer sich isoliert und den Kontakt mit anderen vermeidet, der hat beste Chancen, seine Gesundheit dauerhaft zu schädigen.

Ein gesundes Immunsystem braucht Kontakt und Konfrontation. Wir müssen ja nicht ungeschützt in ferne exotische Gegenden reisen und unserem Körper die Möglichkeit versagen, sich langsam an die neue Umgebung zu gewöhnen. Wir sollten uns also peu à peu an die neue Situation herantasten. Schauen wir uns um. Wer geht da in unserer Nähe? Es sind nicht Plakate und Fahnen, nicht Uniformen und Farben, sondern Menschen.

Ein Mensch ist in seiner Würde unantastbar. Jeder Mensch, egal was er getan hat. Ob er betrogen, geraubt, gemordet, vergewaltigt hat, für welche Sache auch immer er steht — verwechseln wir nicht die Tat mit dem Täter!

Dies soll nichts entschuldigen. Jeder ist für sein Handeln verantwortlich und muss dafür geradestehen. Jedes Verbrechen muss gesühnt werden — doch es ist nicht an uns, andere Menschen zu verurteilen. Weder für das, was sie sind, noch für das, was sie tun. Dafür gibt es irdische und kosmische Gesetze und Gerichte. Wir müssen uns nicht darum kümmern, dass jeder von uns früher oder später erntet, was er gesät hat. Stattdessen können wir uns in Ruhe damit beschäftigen, wie wir mit dem anderen ins Gespräch kommen.

Das wird nicht über Argumente funktionieren. Wenn wir uns einander annähern wollen, sollten wir uns mit unseren Meinungen und Ansichten zurückhalten. Das Potenzial für Begegnung liegt darin, dass alle Menschen Bedürfnisse und Gefühle haben. Wir wissen alle, wie es ist, wenn wir traurig sind, wütend oder angeschlagen, und wir kennen alle den Wunsch nach Sicherheit und Anerkennung (3). Auf dieser Basis können wir ein paar Fragen stellen — die Fragen, von denen wir uns wünschen, dass sie uns von denjenigen gestellt werden, die uns als Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner bezeichnen: Woher hast du diese Information? Wie kommst du an deine Quellen? Welche Kräfte siehst du am Werk? Wie wünschst du dir, dass Menschen zusammenleben? Was erhoffst du dir für deine Kinder?

Sich frei machen

Interessieren wir uns füreinander. Weben wir an den Verbindungen, so wie wir es bereits mit den Polizisten tun. Schließt euch der Bewegung an! Legen wir Uniformen, Etiketten, Schutzschilder, Fahnen und Masken ab, machen wir uns frei! So ergibt sich eins aus dem anderen. Lassen wir die Dinge sich organisch entwickeln. Wir müssen keine präzisen Ideen für das Danach im Kopf haben, keine Partei gegründet und keine konkreten Richtlinien entwickelt haben, um auf die Straße gehen zu können. Kein Kind würde laufen und sprechen lernen, wenn es nicht erst krabbeln und brabbeln würde.

Hier entsteht gerade etwas, was unser bisheriges Denken übersteigt. Das neue Haus gibt es noch nicht einmal auf dem Papier. Die Baumeister sind noch nicht engagiert. Wir sind uns noch nicht einig, wie es aussehen soll. Es wäre verlorene Energie, in das beginnende Durcheinander hinein mit dem Bau zu beginnen. Erst einmal geht es darum, möglichst heil durch den aufziehenden Sturm zu kommen. Hierbei werden noch allerlei Vorstellungen durcheinandergewirbelt werden. Vielleicht werden wir dabei merken, dass das Fundament, auf das wir unsere alte Gesellschaft aufgebaut haben, auf Irrtümern und Unwahrheiten ruht.

Platz für Neues

Wie Schuppen wird es uns von den Augen fallen. Wir erkennen, dass alte Denkmodelle keine Gültigkeit mehr haben. Wir glauben nicht mehr, dass wir ohnmächtig, unbedeutend und schlecht sind. Wir sind keine Sünder, die man vor jeden Karren spannen kann. Es ist nicht der Zufall, der die Welt regiert. Wir sind weder beliebig ersetz- noch austauschbar. Unser Leben ist nicht sinnlos, und das Lebendige ist kein mechanisches Räderwerk. Die Erde ist kein Spielball und das, was auf ihr lebt, sind keine Ressourcen, sondern schützenswerte Wesen.

Unsere Körper sind nicht gegen uns und Krankheiten müssen nicht bekämpft werden, um zu heilen. Viren und Körperzellen sind nicht unsere Feinde, und Isolation schützt nicht, sondern macht krank. Nicht die Mikrobe ist das Problem, sondern das Terrain. Konsum macht weder gesund noch glücklich. Kinder müssen nicht möglichst früh gefördert werden; es reicht, ihre natürliche Neugierde nicht zu zerstören. Die USA sind nicht die Guten und die Russen nicht die Bösen. Krieg schafft keinen Frieden und Angst keine Sicherheit. Wir sind weder bessere Affen noch die Krone der Schöpfung. Wir sind mittendrin, ein Bindeglied zwischen materieller und geistiger Welt.

Wenn der Kelch voll ist mit alten Vorstellungen, ist in ihm kein Platz für Neues. Zunächst müssen die Denkmodelle, die unseren Planeten in die Zerstörung getrieben haben, aufgelöst werden. Genug! Es reicht! Nur wenn uns das gelingt, kommen wir aus der alten Nummer heraus. Hierzu gehört auch, dass wir allen Menschen die Möglichkeit geben, sich auszudrücken, und nicht nur denjenigen, deren Fell stromlinienförmig gebürstet ist — um welche Linie es sich auch handeln mag.

Ausgrenzung, aus welchen Gründen auch immer, schafft Unmut und Ungleichheit. Eine gesunde Gemeinschaft hört allen zu und vermag es, alle Töne auszugleichen.

So erhalten alle immer wieder die Möglichkeit, aufmerksam in sich hineinzuhören: Wo positioniere ich mich? Was will ich wirklich? Wo will ich hin? Wie will ich leben? Was ist mir wichtig? Wie kann ich mich engagieren? Wo liegen meine Talente? Zu wem spüre ich Affinitäten? Auch wenn wir eine Familie sind: Wir müssen ja nicht ständig alle zusammenhocken und alles zusammen machen.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) Weiteres dazu in der Arbeit von Bert Hellinger und Franz Ruppert.
(2) https://ethik-heute.org/fuer-einen-aufstand-des-gewissens/
(3) Dazu die Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation: https://www.rubikon.news/artikel/frieden-beginnt-im-gesprach


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