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Alternativlosigkeit für Deutschland

Alternativlosigkeit für Deutschland

Die größten Wahlkampfhelfer der AfD sind ihre Kritiker: Sie ignorieren, beschimpfen und entmündigen die Wähler, statt sie mit politischen Alternativen zu überzeugen — die Partei profitiert davon.

Dieser Jan Böhmermann ist außer Rand und Band. Neulich unterstellte er Sandra Maischberger via Twitter, sie würde Nazis in ihre Sendung einladen, damit sie mal eingeladen würde, wenn die Nazis die Schalthebel der Macht bedienen. Mit Nazis meinte er natürlich, wie könnte es anders sein, Parteipersonal der Alternative für Deutschland (AfD). Unterhalb so eines Nazivergleichs macht es einer wie Böhmermann gar nicht mehr.

Seit Jahren fällt dieser Mann, von dem behauptet wird, er sei ein Humorist, durch Debattenbeiträge dieser Art auf. Bei Twitter blockiert er emsig. So fiel mir neulich in meiner Rolle als Redakteur eines anderen, mittlerweile ganz gut bekannten Magazins auf, dass er uns auch dort kaltgestellt hat — und das, obgleich wir nie etwas miteinander zu tun hatten. Wird da prophylaktisch ausgemerzt? Damit Herr Böhmermann keine konfrontativen Meinungen ertragen muss? Sein Sendungsbewusstsein erreicht auf diese Weise nur noch Anhänger seiner Kleinstkunst.

1933 reloaded?

In den letzten Tagen fühlten sich viele in den Januar 1933 zurückversetzt. Der Grund: Im Landkreis Sonneberg hat ein AfDler den Posten eines Landrats ergattert. Erstmals in der Partei-Geschichte. Gut, nun ist das ein sehr kleiner Sieg für die AfD — die taz schrieb, jene Partei regiere nur 0,13 Prozent des Bundesgebietes mit 0,08 Prozent der Wahlberechtigten der Bundesrepublik —, aber dennoch beschworen manche den Fackellauf durch das Brandenburger Tor von anno dazumal. Mancher glaubt wohl gar, Sonneberg überfalle demnächst Polen …

Der Vergleich mit der NSDAP ploppte natürlich auch erneut auf, als sei die AfD deren Nachfolgepartei — und nicht viel mehr die Union und die FDP, deren Gründungsmitglieder nach dem Zweiten Weltkrieg nicht selten ehemalige Nationalsozialisten waren.

Eine Hysterie ergriff die Öffentlichkeit, was heute heißt: Die Medien- und die Social-Media-Blase drehten völlig durch. Analysen gab es jedoch kaum, nur Wut und Raserei, wie man es sich bei den Vorbetern — Leute wie eben jenem oben genannten Böhmermann – abgeschaut hat.

Selbst Stephan Kramer, der Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes, klingt mittlerweile wie das ZDF-Männchen, spricht die rüde Sprache, die Böhmermann in seinen Sendungen stets für diejenigen übrig hat, die nicht denken und fühlen wie er. Der Mann vom Verfassungsschutz sprach in der Bildzeitung von 20 Prozent Bodensatz, der in Deutschland bereit sei, die AfD zu wählen. Ein Fünftel der Wahlberechtigten seien rechtsextrem, schlussfolgerten sich Bild und Kramer zusammen. Die Strategie der Nichtbeachtung habe nicht gefruchtet, hieß es außerdem — mit der wollte man die AfD ja über Jahre ausbremsen. Und nun das!

Was hier vermischt oder besser gesagt verschleiert wird, das ist, dass die Strategie der Nichtbeachtung nicht gegenüber der AfD angewandt wurde, sondern gegenüber den Wählern. Die wähnen sich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Politik geht stets mehr und mehr an ihrer Lebenswirklichkeit vorbei.

Das wäre die ursächliche Betrachtung in dieser Stunde, meinte man es ernst. Aber worüber spricht man? Über rechtsextreme Wähler und wie man sie endlich überzeugen muss. Der Bodensatz soll bloß nicht glauben, dass er gesehen und wahrgenommen würde!

Lauter Nicht-AfDs

Überhaupt — was soll dieser Unsinn von der Strategie der Nichtbeachtung der AfD? Seit Jahren definiert sich in diesem Land jede Partei an genau dieser Partei. Kaum eine Partei hat ein Profil, das sie von den anderen abhebt oder gar ein Alleinstellungsmerkmal, das sie von den anderen unterscheidet.

Die einzige Partei, von der man sich wirklich abzugrenzen bemüht, ist die AfD — alle anderen Parteien wollen lediglich „Nicht-AfDs“ sein.

Auch darüber könnte man aktuell sprechen. Doch was treibt die restliche Parteienlandschaft an? Sie möchte der AfD noch weniger ähneln — eigene Inhalte überdenken: Das bekommt man allerdings nicht hin.

Man muss doch nicht davon ausgehen, dass 20 Prozent der Deutschen jetzt AfD wählen, weil ihnen deren Weltbild so gut gefällt. Sie tun es, weil sie Protest üben wollen.

Wie groß muss die Wut und ja, der Hass auf die etablierten Parteien sein, dass man lieber eine Partei mit straff neoliberalen Vorstellungen wählt als jene, die seit Jahr und Tag beweisen, dass sie nicht im Dienst des Souverän, also des Bürgers, gestalten wollen?

Jede Belehrung, jede Beleidigung, jene neuerliche Inszenierung der sogenannten etablierten Parteien als Nicht-AfD, die Selbstüberhöhung dieser Etablierten, deren Doppelmoral und Arroganz, die Bürgerferne insbesondere, führen zu dieser Wahlentscheidung, die immer mehr Wähler treffen. Sie lässt sich mit nur drei Worten als Motto festschreiben:

Jetzt. Erst. Recht.

Die Bürger dieses Landes sind laut Grundgesetz als mündige Wesen zu betrachten. Aber der politisch-mediale Komplex behandelt sie wie Mündel, wie dumme Kleinkinder, die man von oben herab belehren und pädagogisieren muss.

Und wenn sie nicht folgen, holt man die autoritäre Erziehung hervor, schimpft und droht und glaubt damit, die Trotzigen wieder auf Spur zu bringen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Mit der moralischen Garotte überzeugt man weder Kleinkinder noch mündige Erwachsene: Man treibt sie immer weiter von sich weg. Zumal dann, wenn außer moralischer Ansprache nichts anderes angeboten wird.

… die stets das Gute will und stets das Schlechte schafft

Aber wohin wir auch schauen, ob nun im Falle der AfD oder beim Klimawandel, bei den Coronamaßnahmen oder dem Ukrainekrieg: Ständig hantiert man mit einer überbordenden, einer sauren Moral, die nicht argumentativ überzeugen will, sondern auf Stigmatisierung Andersdenkender abzielt. Dass das gar die Methode des gebührenfinanzierten Kabaretts ist, darauf hat neulich die Künstlerin Christine Prayon verwiesen, die mit ihrer Rolle als Birte Schneider im ZDF bekannt wurde. Ob nun Böhmermann, heute-show oder gar die Anstalt: Sie alle zielen darauf ab, Andersdenkende der Lächerlichkeit preiszugeben, sagte sie der Wochenzeitung Kontext.

Das ist nicht nur im betreuten Fernsehen so. Egal wo — die Moral ist schon da. Die gesamte Klimadebatte im Land beruht auf Belehrung und sittlicher Zurechtweisung. Wenn Leute wie Ricarda Lang oder Luisa Neubauer sprechen, geht es nicht mal in zweiter Linie um Argumente, schon gar nicht um Gesprächs- und Ergebnisoffenheit, sondern um Diskreditierung durch moralische Erpressung.

Am Ende passiert aber genau etwas nicht: Dass man überzeugt! Man treibt vor sich her, von sich weg. Wer lässt sich mit dieser arroganten und hochnäsigen Attitüde denn wirklich überzeugen?

Hat schon jemals jemand die AfD nicht gewählt, weil ihm jemand die Leviten las und wie einen Idioten aussehen ließ? Wird man klimabewusst, wenn man zu hören bekommt, man sei eine widerliche Umweltsau, der das Leben „unserer Kinder“ einerlei sei? Hat sich jemand Impfunwilliges impfen lassen, nachdem er mit Häme, Spott und Hass überzogen wurde? Durch ökonomischen Druck sind viele eingeknickt. Aber durch eine plumpe Überheblichkeitsmoral?

Wer der AfD wirklich in die Schuhe hilft, man muss es so sagen: Das ist jener Jan Böhmermann und seine Konsorten. Sie verfestigen und verstetigen die Entscheidung von Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen jene Wahlalternative wählen.

Jedes Wort von Böhmermann ist reinste AfD-Werbung, wie jede Kleine-Mädchen-Moral von gewissen Klimaaktivistinnen dazu führt, dass sich Klimabewusstsein nicht einstellen kann.

Die deutsche Moral der Besserwisser war noch nie dazu geeignet, um zu sensibilisieren und bewusst zu machen. Sie führt immer ins Gegenteil dessen, was sie zu erreichen vorgibt. Sie ist Teil jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Schlechte schafft. Und sie ist ein Agent Provocateur — gewollt oder nicht? Sicher weiß man es nicht. Aber warum eigentlich nicht gewollt? Vielleicht ist Böhmermann ja ein V-Mann? Das wäre dann tatsächlich der größte Coup, der ihm je gelungen ist.


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