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Der Wind des Wandels

Der Wind des Wandels

Das Jahr 2024 könnte der Knockout für Freiheit und Wohlstand sein — oder der Startschuss für eine Wendezeit, der die jetzige Herrscherclique von der Bühne der Geschichte fegt.

Silvester 2024. Wieder ist der Wohlstand der meisten Deutschen um 10 oder 20 Prozent geschrumpft. Wenn Sie nicht selbst arbeitslos sind, ist es ein großer Teil Ihres Bekanntenkreises. Der Sozialstaat ist beträchtlich zusammengestrichen worden, denn man musste die Finanzierungslücken schließen, die 2023 durch die vielen „Sonderausgaben“ und „Sondervermögen“ entstanden sind, und muss nun überdies unter anderem Geld und Waffen an Taiwan liefern, das die westlichen Werte im großen Krieg gegen China verteidigt.

Die Republik bereitet sich mental auf einen Kanzler Friedrich Merz vor, der die Privatisierung der gesetzlichen Rentenversicherung mit ihren zunehmend dürftigen Renten und das Zusammenstreichen von Sozialleistungen vorantreiben wird. Die AfD reüssiert zwar im Osten, kann aber durch einen Zusammenschluss aller „anständigen“ Parteien noch einmal von der Macht ferngehalten werden. Und das Bündnis Sahra Wagenknecht folgt nach ersten Achtungserfolgen dem Pfad der Piraten- und Basispartei ins politische Nirgendwo.

Proteste verebben nach anfänglichem Aufflammen, da sich Presse und Bevölkerungsmehrheit gegen sie wenden und die Kämpfer nach Monate langem, vergeblichem Anrennen gegen das Unvermeidliche müde geworden sind. Die meisten Menschen haben nicht mehr die Kraft, die Entwicklung sorgfältig zu analysieren oder gar aufzuhalten. Jeder kämpft für sich allein in den kleinen, privaten Arenen einer härter werdenden sozialen Realität. Im selben Ausmaß, wie sich die Zumutungen häufen und geradezu nach entschlossener Gegenwehr zu schreien scheinen, ist eben dieses Aufbegehren, ist selbst Kritik in der Folge neuer Gesetze gegen staatszersetzende Umtriebe immer gefährlicher geworden.

Es ist immer nur eine Minderheit, die sich aufzumucken traut — und die wird publikationswirksam und unter dem Beifall der meisten anderen Politikopfer abgestraft. Eine Wolke dumpfer Resignation hängt über dem Land. Im Augenblick größter Gefahr schrumpft das Rettende. Wie an einen Pfahl gefesselt, steht das Volk da und wartet stumm auf den nächsten Peitschenhieb, der auf ihren Rücken niedergehen wird — zufrieden, wenn dieser mal etwas weniger wehtut, als befürchtet …

Das Du-bist-verantwortlich-Narrativ

So könnte es kommen. Muss es aber nicht. Appelle der Art „Es liegt an uns, das Schlimmste zu verhindern und das Ruder herumzureißen“ gehen mir mittlerweile selbst auf die Nerven — auch dann, wenn ich sie selbst ausspreche. Das Du-bis-verantwortlich-Narrativ verändert oft wenig — außer der eigenen Gemütsstimmung, die sich verdunkelt, weil uns zu all den schlechten Nachrichten auch noch die Last aufgebürdet wird, die Situation durch Untätigkeit mitverschuldet zu haben. Solche Vorwürfe sind wahr, und sie sind es auch nicht.

Gegen eine Herrscherclique, die sich alle Machtmittel gesichert hat, die ihre Bürger nicht nur als Feinde behandelt, sondern auch die Regeln, nach denen die Auseinandersetzung stattfindet, nach ihrem Gusto gemacht hat und die überdies den Schiedsrichter kontrolliert; gegen eine Machtelite, die uns durch von ihr selbst geschaffene Gesetze beraubt und uns so Lebensfreude, Bewegungsspielräume und die Mittel zu einer erfolgreichen Gegenwehr nimmt, ist es schwer, anzukommen.

Diese Schwächung der allgemeinen „Moral“ sowie der psychosozialen Gesundheit breiter Bevölkerungsschichten dürfte beabsichtigt sein. Wir sehen eigentlich nur noch drohende Verarmung, Kriegsgefahr und fortgesetzte Freiheitsberaubung vor uns. „Es ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt“, schrieb Rainer Maria Rilke in seinem großartigen Gedicht über einen gefangenen Panther.

Nachdem den Anfängen nicht gewehrt wurde, hat der Despotismus an Fahrt aufgenommen — ähnlich wie ein erfolgreicher Monopoly-Spieler, der in der frühen Spielphase bereits alle guten Adressen mit seinen Hotels zugebaut hat, sodass der weitere Ablauf die ins Hintertreffen Geratenen nur immer tiefer in die Niederlage hineinzieht.

„Wir träumen weiter“, heißt das neue Tourneeprogramm des in der Coronazeit recht handzahm gewordenen Konstantin Wecker. Das Spinnen von Utopien wird auf diese Weise zum Ersatz und zu tröstender Kompensation für die unterbliebene Tat.

Die Aufgabe wäre doch eigentlich, die Utopie aus den wolkigen Sphären des nur Erdachten auf die Erde herunter zu holen. Wer eher die Richtung vorgab, in die es gehen könnte, war Bauernpräsident Joachim Rukwied, der anlässlich der großen Traktor-Demonstration gegen die für Landwirte ruinöse Ampelpolitik zu Minister Cem Özdemir kurz vor Weihnachten glasklar sagte: „Wir nehmen das nicht hin!“ Dies könnte eine Art Jahresmotto für 2024 für uns alle werden: „Wir nehmen das nicht hin!“

Sog aus der Zukunft

Ereignisse wie der Bauernprotest zeigen, dass sich scheinbar spontan — wenn auch für Kenner der Materie vielleicht vorhersehbar — auch Positives auf der politischen Bühne ereignen kann, sodass etwas aufbricht, das lange unter dem Deckel gehalten wurde. Vielleicht wird 2024 mehr daraus. Weder dürften Bauern der einzige Berufsstand sein, der unter der Regierungspolitik massiv leidet, noch sind sie die einzigen, die mitunter Mut aufbringen, wenn sie nicht allein dastehen und spüren, dass der richtige Moment gekommen ist. Ich bin deshalb nicht resigniert oder verzweifelt und bitte meine Leserinnen und Leser, dies auch nicht zu sein. Mein verbleibender Mut speist sich aus einer Reihe aufbauender Gedanken, die mich schon früher bei ähnlicher Gelegenheit getröstet haben. Das Handeln Einzelner kann, sich aufsummierend, etwas bewirken, auch wenn diese Wirkung nie „nachweislich“ auf das eigene Tun zurückgeführt werden kann.

Dem Drang nach Veränderung, den so viele empfinden und der aus sich verschärfendem Leidensdruck entsteht, könnte schon bald ein fühlbarer Sog aus der Zukunft entsprechen.

Die Wendung zum Besseren kann geschehen, wie sie in der Geschichte immer wieder geschehen ist — auf für uns letztlich rätselhafte Weise — auch wenn sie sich im Rückblick dann auch stets als durch Ursachen erklärbar erweist. Und wenn sie noch nicht sofort kommt, war es wohl noch nicht an der Zeit. „Das Jahrhundert ist meinem Ideal nicht reif. Ich lebe. Ein Bürger derer, welche kommen werden“, sagte der Marquis Posa in Schillers „Don Carlos“. So pessimistisch, dass ich gleich das ganze Jahrhundert verloren gäbe, bin ich jedoch nicht. Ich sehe den Wandel kommen — vielleicht nicht sofort, aber doch innerhalb der Lebensspanne der meisten von uns und mit Vorboten bereits 2024.

Denn wir sind umzingelt von Menschen, die durchaus verstanden haben, die unzufrieden sind, in denen es rumort, die hektisch, manchmal ratlos, aber nie völlig verzweifelt nach einem Ausweg suchen.

Das, was uns am meisten ärgert und Angst macht, ist zugleich das, was am meisten Hoffnung spendet: die Unfähigkeit, ja inzwischen teilweise unverhohlene Böswilligkeit vieler Akteure aus Politik, Wirtschaft, Medien, Justiz und Gesellschaft. Das dadurch verursachte Leiden einer wachsenden Zahl von Menschen. Das verzweifelte Um-sich-Schlagen, die kruder werdenden Abwehrstrategien der Ertappten, ihr Versuch, gewaltsam den Spiegel zuzuhängen, in dem sie ihre eigene Hässlichkeit zu erkennen drohen, wie es Vaclav Havel mit Bezug auf die Machthaber des früheren Ostblocks formuliert hatte. Und ich spreche nicht von körperlicher Hässlichkeit. Manche Politiker wie Baerbock und Habeck sehen recht gut aus, womit sich das Quantum ihrer Vorzüge jedoch schon erschöpft.

Der Kehraus naht

Es gibt keinen Automatismus, wonach es nach einer Phase des Niedergangs in der Art einer Sinuskurve wieder aufwärts gehen muss. Es gibt keinen „Boden“, der unseren Fall verlässlich aufhalten wird. Andererseits ist zu bedenken: Das Experiment, dem brutale Versuchsleiter uns jetzt aussetzen — diese höllische Mischung aus Angriffen auf unsere Freiheit, unsere Gesundheit, unsere seelische und moralische Integrität, auf die Möglichkeit einer friedlichen Zukunft, unseren relativen Wohlstand, unsere Industrie und unseren Mittelstand, unsere gesunde Wahrnehmung von Realität — all dies verbunden mit der technikgestützten Deformation von Psyche und Gesellschaft — dieser Generalangriff auf alles, was uns lieb und heilig gewesen ist, ist in der Geschichte ohne Beispiel. Es ist ein kollektiver Großversuch, der sehr wohl fehlschlagen kann. Der zerbrechen könnte im Aufprall auf unsere sich kollektiv entfaltende Integrität, unseren Mut und unsere aus unbekannter Quelle sich immer wieder erneuernde Kraft.

Die Gegenkräfte zum Verdummungs- und Entrechtungsvorstoß „des Establishments“ erheben sich nicht nur in uns alternativmedial geschulten Selberdenkern; sie erheben sich nicht nur in der Masse der bitter enttäuschten „Normalen“, die vieles, was ihnen ab 2020 zugemutet wurde, aus Leichtgläubigkeit und Lauheit geduldet haben. Nein, Widerstand erhebt sich auch in denen, welchen eigentlich widerstanden werden muss: in bestimmten Politikern zum Beispiel, die sich immer häufiger verhaspeln, die — einer Art politischen Tourette-Syndroms folgend — die Wahrheit über die Nichtswürdigkeit ihres Tuns auszuplaudern beginnen, die zunehmend fahrig, gereizt und mit sich uneins wirken, als wüssten sie insgesamt genau, für welch schäbiges Unternehmen sie sich da hergegeben haben und dass sich ihre Party unausweichlich dem Kehraus nähert.

Natürlich kann es sein, dass die dem Untergang geweihte, unfähige Politikerkaste, die sich mit ihren Projekten ganz offensichtlich übernommen hat, kurzfristig noch einmal brutaler wird. Dass sie im Niedersinken gleichsam noch die Kerze umstößt, die das ganze Wohnzimmer in Brand setzt. Hier lauern noch Gefahren, auf die wir uns einstellen müssen.

Die Griechenlandisierung Deutschlands

Die Zukunft ist nie vollständig vorhersehbar. Wir können nur „weiterdenken“, was sich in Ansätzen schon zeigt. Diese Unsicherheit kann Hoffnung bedeuten, aber auch Angst machen. Das Beispiel Griechenland zeigt, wie ein Land durch eine negative Ereigniskette, durch die Brutalität der Nachbarländer und durch einander abwechselnde Regierungen, deren Tun jede Hoffnung auf Besserung erstickt, in einen scheinbar nicht mehr aufzuhaltenden Abwärtssog geraten kann.

Hatten viele Bürger anfangs auf die „linke“ Syriza-Partei und ihren heroisch auftretenden Vorsitzenden Alexis Tsipras gehofft, so sahen sie sich durch dessen vollkommene Unterwerfung unter das Austeritäts-Diktat der EU getäuscht. Aus Verzweiflung wählte die Mehrheit dann wieder einen Vertreter jenes Ancien Regime, das die soziale Misere erst verursachte hatte: Kyriakos Mitsotakis. Außer Rechtsextremen scheint heute keine nennenswerte politische Kraft in Sicht, die nicht verbraucht und durch den Verrat an den Bürgern gänzlich delegitimiert erscheint.

Es gibt durchaus Parallelen zu Deutschland, wo nach einer rot-grünen Experimentierphase kreativer Zerstörung wohl wieder die Union, also die Haupttäterin der Corona-Verbrechen, ans Ruder kommen dürfte. Beide politischen Kräfte scheinen nicht so sehr Gegner zu sein als einander abwechselnde, wie Zahnräder harmonisch ineinandergreifende Akteure ein- und desselben brutalen Abrissprojekts zur Zerstörung unseres einst leidlich freiheitlichen und funktionierenden Gemeinwesens. Zwar gibt es Anzeichen eines Aufbrechens der Parteienlandschaft mit zumindest partiell einsichtsfähigen Akteuren wie Sahra Wagenknecht, Hubert Aiwanger und Markus Krall.

Doch scheint die Erkenntnis unausweichlich, dass der Hauptimpuls zur Erneuerung von den Bürgern selbst ausgehen muss.

Zweifellos werden sehr viele über sich hinauswachsen und ihre bisherigen Komfortzonen verlassen müssen, wollen sie sich von den Fußtritten der Mächtigen nicht immer noch tiefer entwürdigen und entrechten lassen, bis ein Zustand depressionsbedingter Willenslähmung eintritt, der bei Armutsbetroffenen leider immer wieder zu beobachten ist.

Der Entzug der Menschenwürde bricht auch jene Reste von Stolz, die nötig wären, um sich aktiv gegen eine kränkende und krank machende Politik zu stellen.

Die Suche nach Sündenböcken

Armut könnte — mehr noch als Krieg und die Einschränkung der Meinungsfreiheit — zum Generalthema der nächsten Jahre werden. Arme sind demoralisiert durch ein jahrelanges Leiden, für das sie sich unter dem Einfluss der Propaganda nicht selten selbst die Schuld geben. Sie können sich ab einem bestimmten Punkt nicht einmal mehr das Ticket zum nächsten Demonstrationsort leisten und sind als aktive Systemgegner somit weitgehend demoralisiert. Sie sind damit in vieler Hinsicht die vom Establishment erwünschten Staatsbürger.

Es wird 2024 massiv an Geld fehlen, nachdem das Bundesverfassungsgericht der Regierung den Ausweg versperrt hat, um durch Tricksereien und das Beleihen der Zukunft kurzfristig Geld für ihre anspruchsvollen und oft hanebüchenen Projekte locker zu machen. Politiker werden sich „gezwungen“ sehen, zu sparen, und was ist da nahe liegender als Sozialkürzungen? Essentials wie weitere Militärhilfen für die Ukraine wird sicher kein anständiger Bürger in Frage stellen wollen.

Wir sehen vermutlich einer sich verschärfenden Kampagne gegen „Sozialschmarotzer“ entgegen. Die Ampel hat das Geld zum Fenster herausgeschmissen, die Union wird die aus der Knappheit folgenden Härten exekutieren.

Auch Flüchtlinge wird es treffen, was zumindest für jene, die wirklich aus Not und in guter Absicht gekommen sind, zu vielen persönlichen Katastrophen führen wird. Muslimische Flüchtlinge stehen gleich zweifach unter Beschuss und unter Verdacht: als „Sozialschmarotzer“ und als „Antisemiten“. Bürgerkriegsähnliche Zustände — oder was die Systempresse als solche interpretieren wird — könnten die Staatsmacht zu weiteren Einschränkungen von Freiheitsrechten „zwingen“. Der schon im Kampf gegen „Querdenker“ bewährte Antisemitismusvorwurf könnte der Meinungsfreiheit in Deutschland schon bald den Todesstoß versetzen. Eine falsche Israelpolitik der Bundesregierung und damit verbundene verschärfte Meinungslenkung könnte immer weitere Vorfälle provozieren, die als Antisemitismus „gelesen“ werden können. Zu unerträglichen Zuständen könnte die Strafbarkeit von Kritik an ebendiesen führen.

Falscher Respekt vor „denen da oben“

Bei all dem zeigt sich, wie schlecht die Zivilgesellschaft auf derartige Angriffe vorbereitet ist, weil sie sich ihrer Gesamtheit eher einer Mentalität des Hinnehmens verschrieben hat. Wir starren auf den nächsten möglichen uns von der Staatsmacht zugefügten Schlag wie ein Kaninchen auf die Schlange, die es zu verschlingen droht. Überhaupt Angst vor der Zukunft haben, kann doch nur der, der als selbstverständlich voraussetzt, dass das, was Politiker ankündigen und verfügen, auch tatsächlich geschehen wird.

Die meisten von uns sind im Ausstoßen von Klagelauten schon sehr routiniert und gut geworden; wir sind jedoch schlecht darin, zu tun, was noch wichtiger wäre: nämlich Strategien zu entwickeln, damit das, was ein Scholz oder Habeck plant, am Ende gar nicht geschieht.

Stell dir vor, die Regierung will etwas durchsetzen, und keinen interessiert es! Ist das denkbar? Ist es überhaupt wünschenswert? Zu groß wäre bei den meisten die Angst vor „Chaos“, wenn es eine breite Bewegung gäbe, die die Kooperation verweigert. Für so schlecht und perfide kann die Mehrheit die Regierung gar nicht halten, sodass sie nicht zurückweichen würde, sobald jemand ernsthafte Gegenwehr vorschlägt: „Naja, aber es ist doch immer noch unsere gewählte Regierung!“ Wer so denkt — eher noch Hungertod als Hungeraufstand! —, den wird die Katastrophe unweigerlich einholen.

Wie schon angesprochen, erwarte ich Besserung eigentlich nur noch vom Unerwarteten. Hoffnung vermittelt nur noch das Unverhoffte. Auf die Unberechenbarkeit der Zukunft kann man sich immerhin einigermaßen verlassen. Das, was man sich ausmalen kann, indem man schon absehbare Entwicklungen ein paar Schritte weiterdenkt, wird sehr wahrscheinlich nicht eintreffen. Etwa die Wunschfantasie: „Sahra Wagenknecht bekommt sehr viele Wählerstimmen, und dann wird alles gut.“

Sollte es Hoffnungszeichen geben, etwa die zu gründende „Wagenknecht-Partei“, müssen wir aufpassen, dass Hoffnung ein eigenes befreiendes Handeln nicht lediglich ersetzt, anstatt es vorzubereiten. Zweifellos müsste in den nächsten Jahren etwas Großes geschehen, damit sich etwas ändert. Das kleinteilige Weiterwursteln, das wortreiche Benörgeln der Misere, das eigentlich nichts anderes ist als eine lautere Variante wehrlosen Hinnehmens, wird nicht weiterführen.

Etwas Großes muss kommen

Wir brauchen Helden und Heldentaten. Wir brauchen Größe, was auch bedeutet: große Menschen. Wobei ich statt dem einen „Auserwählten“ in der Art des „Matrix“-Helden Neo eher ein dezentral organisiertes „Feld“ mutiger, kreativer und geradezu genialer Menschen bevorzuge. Auch ein Revolutionsführer wäre noch immer: ein Führer, also jemand, der versucht, seine Anhänger in seinem Sinne zurecht zu kneten und für seine Zwecke zu instrumentalisieren.

Es ist ein Armutszeugnis für das Niveau der politischen Klasse in Deutschland und auch international, dass „Kulturnationen“ in Zeiten großer Not keine anderen Alternativen zur herrschenden Misere zu präsentieren vermögen als einen Friedrich Merz in Deutschland oder einen Donald Trump in den USA. Diese Menschen als Hoffnungsträger — das ist für mich eine Definition von Verzweiflung. Wir brauchen also in diese Richtung in der Hoffnung auf Besserung gar nicht erst zu schauen.

Die Mächtigen versuchen nicht umsonst, das Heraufkommen des Geistes durch die Einengung von Spielräumen, durch das Überfluten mit Nichtigkeiten, durch den monotonen Zustrom linientreuer „Informationen“ zu ersticken. Schließlich wird auch die zunehmende Erziehung und Zurichtung des Menschen durch Maschinen und KI sehr viele kreative Impulse unterdrücken.

In vielen von uns sind aber nicht nur die Freiheits- und Aufklärungsimpulse der „alten Bundesrepublik“ noch als Erinnerung lebendig; auch das radikal Neue kann in der Folge von für uns nicht vollständig durchschaubaren Ursachenketten auf die Erde kommen — durch die nachwachsenden Generationen wie auch durch Anregungen von Älteren, die sich in der Krise in ungeahnter Weise verwandeln Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass eine Geisteswelle in der Art einer Renaissance das Alte wie eine schön gebastelte, jedoch zerbrechliche Sandburg hinwegspült.

Es muss eine Wiedergeburt des Geistes ebenso wie der Institutionen kommen, damit sich mögliche Revolten wirklich als nachhaltig und für die Zukunft inspirierend erweisen.

Und es waren nicht selten Zeiten der Krise und der Not, in denen sich das wachsende Rettende zeigte. Ja, die für viele unfassbare Härte, mit der die Staatsmacht in den letzten Jahren vorgegangen ist, könnte den ungewollten Effekt haben, an Bequemlichkeit Gewöhnte aus ihrem Zustand duldsamer Dekadenz aufzuscheuchen, sie gleichsam auf die Spur des Abenteuers zu setzen.

Der Topfdeckel hebt sich

Die Unzufriedenheit vieler, die nach Entladung drängt, schwelt derzeit noch unter der Decke antrainierter Wohlanständigkeit. Wir können froh sein, wenn das alles friedlich — oder relativ friedlich — ablaufen wird. Ein Topf, in dem der Wasserdampf steigt, sieht noch kurz, bevor sich der Deckel wie von unsichtbarer Hand bewegt, hebt und heißen Dampf hervortreten lässt, genauso aus wie ein Topf, in dem sich gar nichts regt.

Die Macht nimmt uns immer mehr und tut sich damit selbst keinen Gefallen, da sich Bürger, die nicht mehr viel zu verlieren haben, mit größerer Wahrscheinlichkeit gegen sie auflehnen werden. Das Heer der Verzweifelten wächst und das Virus des Misstrauens wächst auch in Kreisen derer, denen Staatskritik über lange Jahre völlig fremd gewesen ist. „Normale“ Bürger sind — obwohl guten Willens, stets brav zu sein und bleiben — unversehens vom System selbst in die Systemkritik hineingestürzt worden.

Es kommt etwas auf uns zu. Wenn es sich 2024 noch nicht voll entfaltet, so wird es sich doch zumindest für jene andeuten, die einen geschulten Blick für feine Veränderungen unter der Oberfläche haben. Auch wenn wir tausendmal enttäuscht und in niedergeschlagene Stimmung versetzt wurden, können wir uns doch immer wieder aufrichten und in Gemeinschaft mit einem Glas Sekt oder auch Leitungswasser auf die Zukunft anstoßen: Auf ein Neues!


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