Die Unzulänglichkeit der repräsentativen Demokratie
Darin stehen sie in einer langen Tradition derjenigen, die die Demokratie als Verfallsform des Politischen betrachteten. Diese Kritik findet sich nicht nur bei engstirnigen Eliten, die die Macht nicht den wankelmütigen „Vielen“ überlassen und sie lieber in den Händen einiger weniger Oligarchen lassen wollten, die das politische Geschehen eh durch Einfluss und Reichtum dominieren. Gerade Republikaner waren und sind nicht selten keine Anhänger der Herrschaft des Demos, der oft durch Armut und Elend gezeichneten „Massen“. Die Herrschaft eines weitgehend „unpolitischen“ Volks endet leicht in Tyrannei — der Mehrheit über die Minderheit oder in der Wahl eines Tyrannen (1). Für die griechische Antike, der wir die demokratische Idee ja verdanken, galt nicht die Herrschaft (κρατία, kratia bzw. κρατεῖν, kratein) des Demos als die vorzügliche Form des Politischen – das konnte allenfalls, per definitionem, die Herrschaft der Besten sein, der Aristokratie.
Das Ideal der politischen Ordnung war vielmehr die Isonomie (ἰσονομία, isonomie), eine politische Ordnung, in der die Bürger gesetzlich gleichgestellt sind und sich in und durch die politische Ordnung als Gestalter der Polis begreifen. Hier ist nicht von kratein (κρατεῖν, herrschen) — wie in Demo-kratie oder Aristo-kratie, oder archein (ἄρχειν, führen, beherrschen), wie bei Olig-archie oder Mon-archie, die Rede. Es gilt vielmehr die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz.
Die entscheidende Pointe dabei ist, dass das Gesetz die Gleichheit nicht voraussetzt, sondern erst „herstellt“ oder schafft. Gleichberechtigung gründet nicht in der Gleichheit der Individuen, sie ist vielmehr Gleichheit der Ungleichen vor dem Gesetz. Die Menschen sind von Natur (φύσει, phusei) nicht gleich, sie unterscheiden sich in vielerlei Hinsichten, die auf ihr Miteinander-Sein entscheidenden Einfluss hat: Sie sind Männer oder Frauen, Erwachsene, Kinder oder Alte, athletische Kräftige oder asthenische Flinke, unterscheiden sich nach Herkunft und in ihren Talenten und Temperamenten (2). Sie sehen von ihren natürlichen, im Sinne von „vorpolitischen“ Ungleichheiten ab und machen sich gleich im Hinblick auf eine „übernatürliche“ Ordnung, das Gesetz (νόμος, nomos), das sie sich geben oder anerkennen (3).
Menschen werden durch rechtliche Anerkennung zu Bürgern und schaffen so den politischen Raum, der ihnen zugleich ihre Ungleichheit sichert und Pluralität ermöglicht.
Politisches Handeln ist Teil ihrer bürgerlichen Existenz. Volkssouveränität hat nicht die Form einer parlamentarischen Demokratie, die politisches Handeln auf Wahlen verkürzt. In ihr kommt es zu der, aus antiker Sicht „perversen“ Situation, in der „zwar alle Macht vom Volke stammt, das Volk aber diese Macht nur am Wahltag besitzt, wonach sie Eigentum der Regierenden wird“ (4). Die Wähler kommen am Tag der Wahl nur zusammen, um sich ihrer Macht zu entledigen (5).
Jefferson und die anderen Gründungsväter setzen dagegen auf eine direkte Beteiligung der Bürger. Politisches Handeln ist Zeichen der „bürgerlichen“ Freiheit und ein konstitutiver Teil einer gelingenden Lebensführung, so „daß keiner ‚glücklich‘ genannt werden kann, der nicht an öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt, daß niemand frei ist, der nicht aus Erfahrung weiß, was öffentliche Freiheit ist, und daß niemand frei oder glücklich ist, der keine Macht hat, nämlich keinen Anteil an öffentlicher Macht“ (6).
Der Bürger bleibt der politisch Handelnde auch dort, wo sich die kleinen „communities“, wards, councils oder Räte zu größeren Einheiten zusammenfinden. Die politische Ordnung muss dabei wirksam von unten nach oben ausgerichtet sein. Jean-Jacques Rousseau formuliert das in Der Gesellschaftsvertrag von 1762 so: „Die Abgeordneten des Volkes sind also nicht seine Vertreter und können es gar nicht sein; sie sind nur seine Beauftragten …“ (7). Der repräsentative Parlamentarismus ist eine Verfallsform des Politischen, in dem der vermeintliche Souverän seiner Rechte verlustig geht.
„Das englische Volk“, so Rousseau, „meint frei zu sein; es täuscht sich außerordentlich; nur während der Wahlen der Parlamentsmitglieder ist es frei; haben sie stattgefunden, dann lebt es wieder in Knechtschaft, ist es nichts. Der Gebrauch, den es in den kurzen Augenblicken seiner Freiheit von ihr macht, verdient auch wahrlich, dass es sie wieder verliert“ (8).
Dass die Befürchtungen der Kritiker einer repräsentativen Demokratie nicht ganz unbegründet waren und sind, zeigt sich nicht zuletzt am Verfall der Glaubwürdigkeit, die den Parlamenten, Parteien und den Politikern entgegengebracht werden. Alexis de Tocqueville macht darauf bereits 1835 in Über die Demokratie in Amerika aufmerksam:
„Beim Herannahen der Wahlen denkt der Inhaber der Vollzugsgewalt nur noch an den bevorstehenden Kampf; er hat keine Zukunft mehr; er kann nichts unternehmen (…)
Immer muss man die Zeit, die der Wahl unmittelbar vorangeht (…) als eine Zeit der nationalen Krise betrachten, (…) vor dem festgesetzten Zeitpunkt wird die Wahl zur größten, sozusagen zur einzigen Angelegenheit, welche die Gemüter beschäftigt. Die Parteien verdoppeln nun ihren Eifer; sämtliche Parteileidenschaften (…) befinden sich von diesem Augenblick an in offener Erregung. Der Präsident seinerseits ist durch die Sorge um seine Behauptung voll beansprucht. Er regiert nicht mehr zum Wohl des Staates, sondern zum Vorteil seiner Wiederwahl; er neigt sich vor der Mehrheit und (…) kommt ihren Launen entgegen.
Je näher die Wahl heranrückt, desto lebhafter wird das Ränkespiel, die Unruhe wächst und breitet sich aus. Die Bürger scheiden sich in mehrere Lager, deren jedes den Namen seines Anwärters übernimmt. Das ganze Volk wird von einem fieberhaften Zustand erfasst, die Wahl wird der tägliche Stoff der Presse, der Gegenstand der privaten Gespräche, das Ziel allen Tuns, der Inhalt aller Gedanken, das einzige Interesse der Gegenwart.
Sobald jedoch das Schicksal entschieden hat, verflüchtigt sich diese Aufregung, alles beruhigt sich, und der Strom, der für einen Augenblick über die Ufer trat, kehrt friedlich in sein Bett zurück“ (9).
Inzwischen kann man mit Colin Crouch (geboren 1944) von einer „Postdemokratie“ sprechen:
„Der Begriff bezeichnet ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden, Wahlen, die sogar dazu führen, dass Regierungen ihren Abschied nehmen müssen, in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, dass sie zu einem reinen Spektakel verkommt. (…) Die Mehrheit der Bürger spielt dabei eine passive, schweigende, ja sogar apathische Rolle. (…) Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten“ (10).
Der Politikbetrieb gleicht einer großen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Politiker brauchen Massenmedien als „Fabrikanten“ der öffentlichen Stimmung, die sie in Amt und Würden bringt, und die Medien brauchen Stoff aus dem Politiktheater, den sie für die Produktion von Aufmerksamkeit nutzen können.
Die Massenmedien sind vor allem eins: Unternehmen. Unternehmen sind keine Wohlfahrtsinstitute, sie haben Gewinninteressen. Und sie können in der Regel nur Gewinn machen, wenn sie den Bedürfnissen ihrer Kunden mehr oder weniger gerecht werden. Aber wer sind inzwischen ihre „Kunden“? Bundesligavereine spielen nicht mehr für ihre Fans und auch nicht für die zahlenden Zuschauer; sie spielen für die Sponsoren und für die Verbesserung der Aufmerksamkeitsreichweite, die weitere Sponsoren anziehen. Zeitungen und Zeitschriften durchlaufen einen ähnlichen „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (11): Ursprünglich im Dienst des Lesers, die „öffentliche Meinung“ zu spiegeln und ihr als Teil der bürgerlichen Emanzipation Gehör zu verschaffen, sind sie inzwischen im Überlebenskampf und deshalb vor allem am Verkauf ihrer Werbeflächen interessiert. Sie konkurrieren darum, die rentabelsten Werbeflächen für industrielle Großkunden und Milliardär-Influenzer bereitzustellen.
Die politische Klasse speist sich zu einem Großteil aus Leuten, die in ihrem beruflichen Leben meist nichts anderes gemacht haben als eben Politik. Zur Absicherung ihrer „Weiterbeschäftigung“ beschäftigen sie ein Heer von Beratern aus Unternehmensberatungen, Thinktanks und Forschungsinstituten, die den Massenmedien passenden Stoff für rentable Berichterstattung liefern.
Revolution oder: Zurück zum Politischen
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Ansätzen, die diesen postdemokratischen Missständen etwas entgegensetzen: Konzepte einer „partizipativen“ oder „deliberativen“ Demokratie, die sich zum Beispiel auch auf Losverfahren zurückbesinnen, die sich seit der Antike als demokratische (!) Verfahren für die befristete Besetzung von politischen Ämtern bewährt haben (12). Dazu gehört eben auch die Rückbesinnung auf das Konzept der Räterepublik.
Roland Rottenfußer sieht beispielsweise in seinem Beitrag Selbstbestimmung statt Stimmabgabe das Rätesystem als Alternative zur repräsentativen Demokratie, die uns nur das Recht gibt „wählen zu dürfen, wer uns künftig tyrannisiert“ (13). Anders als „moderne Demokraturen“, die nach dem Motto „Ich nehme deine Stimme und mache dann damit, was ich will“ funktionieren, setzt das „Rätesystem“ auf Selbstbestimmung der Bürger, die nicht delegiert werden kann und das politische Geschehen von unten gestaltet. Rottenfußer gibt dabei auch ein paar Hinweise „wie ein Rätesystem wirklich funktioniert“ — nämlich eines, das tatsächlich „im ursprünglichen Sinn“ von unten kommt und nicht wie die sogenannten „Bürgerräte“ von oben eingesetzt werden, um „Legitimationsprobleme“ des späten Spätkapitalismus und seiner Regierungen zu beheben.
Auch bei Marx, dem man, was die Form des politischen Handelns betrifft, zurecht eine theoretische Lücke nachsagt, findet sich eine klare Positionierung. In seiner Analyse der Pariser Aufstände von 1871 bewertet er die sich selbständig organisierenden Kommunalverwaltungen als „die endlich entdeckte politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen“ könne (14).
Das Scheitern der Räterepubliken
Aber das „Rätesystem“ sieht sich auch schwerwiegenden Bedenken ausgesetzt. Es wird mit politischen Versuchen kommunistischer Prägung verbunden, die allesamt meist äußerst blutig gescheitert sind. Hannah Arendt spricht von der „seltsame[n] und traurige[n] Geschichte des Rätesystems“, obwohl es — so Hannah Arendt — die „einzige Staatsform“ ist, „die unmittelbar aus dem Geist der Revolution entstanden ist“ (15) und dem „Wesen des Politischen“ am besten zu entsprechen scheint. In Europa entwickelten sich in fast allen Revolutionen spontan Rätesysteme. Allerdings hatten die Räteverfassungen nur eine kurze Lebenszeit. Keine konnte sich dauerhaft etablieren und viele endeten, kaum dass sie richtig begonnen hatten. Auch Roland Rottenfußer schildert das blutige Ende einiger namhafter Versuche, Räte zum Zentrum der politischen Ordnung zu machen: das Niederschlagen der Pariser Kommune von 1871 und die Auflösung der Münchner Räterepublik von 1919 durch Freikorps. Sie sind nicht an ihren eigenen An- oder Widersprüchen zugrunde gegangen, sondern sind von „außen“ zerschlagen worden.
Von Hannah Arendt, die eher für links-liberale und keineswegs „revolutionäre“ Positionen steht, war die Forderung „Alle Macht den Sowjets“ nicht gerade zu erwarten. Anders als Rottenfußer sieht sie auch die Gefahr der inneren Zersetzung der Räte. So warnt sie mit Blick auf die Entwicklungen der Französischen Revolution nach 1789 und denen in Russland nach 1917/18 von der Korrumpierung der Räte durch gutmeinende Revolutionäre. „Die Verwandlung der Menschenrechte in die Rechte der Sansculotten ist der Wendepunkt der Französischen und aller ihr folgenden Revolutionen“, die dann zu Gewaltexzessen führt (16): 1 „Ich weiß wohl“, lässt Georg Büchner seinen Danton sagen, „die Revolution ist wie Saturn, sie frißt ihre eigenen Kinder“ (17). Und so wird auch das „eigentliche Merkmal der Sowjets“, nämlich „die Spontaneität ihrer Entstehung aus einem elementaren revolutionären Bedürfnis der Massen“, von wohlmeinenden „Berufsrevolutionären“ nur so lange gefeiert wie dort die „richtigen“ Weltanschauungen zum Tragen kommen.
Was, wenn die Räte „konterrevolutionäre“ Entscheidungen treffen? Nehmen wir etwas vereinfachend einmal an, die Sowjets/Räte möchten nicht gendern oder Autos mit Verbrennermotoren nicht verbieten? Sie möchten die Zuwanderung begrenzen und nur politisch Verfolgten Asyl gewähren? Hannah Arendt zitiert deshalb zustimmend Eugen Leviné, selbst Kommunist und einflussreicher Akteur der Münchener Räterepublik von 1919: „Die Kommunisten treten nur für eine Räterepublik ein, in der die Räte eine kommunistische Mehrheit haben“ (18). Schnell suchen die „Erweckten“ nach Kontrarevolutionären und Heuchlern, Volksverführern und Verschwörungstheoretikern. Die Messlatte ist dann das woke Bewusstsein der Berufsrevolutionäre, der Besser-Meinenden und „Aufgeklärten“. Was das „Volk“ will, ist, wenn es den Aufgeklärten nicht mundet, eben Populismus. Die Volkssouveränität muss dem woken Zeitgeist entsprechen, sonst ist es keine und wird „gecancelt“.
Man mag die Parole „Wir sind das Volk!“ mit Blick auf die institutionalisierten Regeln des demokratischen Rechtsstaats relativieren, belächeln, misstrauisch beargwöhnen oder als anmaßende Selbstermächtigung kritisieren. Im demonstrativen „Wir sind das Volk!“ bringen versammelte Bürger aber nicht nur ihre Kritik an der aus ihrer Sicht falschen Politik zum Ausdruck. Sie berufen sich auf die versichernde Botschaft demokratisch verfasster Gemeinwesen, dass alle Macht vom Volke ausgeht und sich nicht gegen es richten dürfe.
Das durfte in Ost-Berlin, darf aber im gesamtdeutschen Berlin nicht mehr gerufen werden. Das Volk darf nicht „falsch“ wählen, sonst ist es kein Volk mehr, sondern nur noch ein Haufen Verführter.
Raum für politisches Handeln
Die Schwächen der repräsentativen Demokratie und des „Partei(en)staats“ sind offensichtlich. Von deren Repräsentanten und Verteidigern werden sie als populistische Auswüchse abgetan. Die aus ihrer Sicht einzige Form von Demokratie soll unter dem Titel „wehrhafte Demokratie“ durch staatliche Kontrolle gesichert werden. Wehrhaft können Demokratien gegen äußere Bedrohungen sein, nicht jedoch gegen das „eigene“ Volk — die Formulierung zeigt schon die Entfremdung, die der Repräsentation eigen ist. Wie sollte der Souverän gegen sich selbst vorgehen? Ingeborg Maus (*1937), eine Politikwissenschaftlerin aus Frankfurt und dem Umfeld von Jürgen Habermas (*1929) zuzurechnen, hat das als „Exorzismus der Volkssouveränität“ bezeichnet: Regierungsamtlich bestellte Heiler sollen dem Volk böse Geister austreiben, von denen sich die Staatsorgane delegitimiert sehen.
Wer die Gefahr des Populismus heraufbeschwört, stellt die repräsentative Demokratie selbst in Frage. Der Populismus zeigt ja vor allem, dass die Volksvertretung durch die politische Elite nicht mehr glaubwürdig scheint und ist selbst das Ergebnis einer fragwürdig gewordenen Repräsentation, die den Bürger nicht zum politischen Akteur macht: „Behandelt man den mündigen Bürger wie Stimmvieh, so wird er sich wie Stimmvieh verhalten“ (19).
Mahatma Gandhi (1869-1948) wird das Sprichwort zugeschrieben: „Was du für mich tust, aber ohne mich, das tust du gegen mich“ (20). Das scheint die repräsentative Demokratie ganz grundsätzlich in Frage zu stellen und andere Formen politischer Ordnung nahezulegen.
Um der politischen Entfremdung der Bürger zu entkommen, hat Roland Rottenfußer jetzt empfohlen, auf die Erfahrungen von Rätesystemen zurückzugreifen:
„Wer eine Reform des häufig vereinfachend als ‚unsere Demokratie‘ bezeichneten Gebildes wünscht, sollte sich ernsthaft mit den aus der Geschichte bekannten Rätesystemen beschäftigen“ (21).
Das ist wohl auch die Empfehlung, die Hannah Arendt bereits in den 1960er Jahren gibt. Die Empfehlung geht auch an mich, denn ich gestehe, dass ich nicht wirklich weiß, was genau das Rätesystem und seine Ausrichtung „von unten nach oben“ ausmacht und wie sie umzusetzen ist. Neben der geschichtlichen Erfahrung von Räterepubliken werden heute auch andere Formen von partizipativer und deliberativer Demokratie diskutiert und erprobt. Dabei geht es darum, den Bürger selbst als politisch Handelnden zur Geltung zu bringen und zu stärken. Von Hannah Arendt können wir lernen, was politisches Handeln ausmacht und warum es, recht verstanden, unverzichtbarer und nicht delegierbarer Teil des gelingenden Lebens ist.
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Quellen und Anmerkungen:
(1) So auch die Verfallsgeschichte, die Platon im achten Buch der Politeia vorführen lässt.
(2) Unveräußerliche Rechte, die dem Menschen als Menschen zukommen, sind allen früheren Jahrhunderten fremd. Das verdankt sich schon dem „bemerkenswerten Tatbestand“, „daß das lateinische Wort für ‚Mensch‘, homo, ursprünglich jemandem galt, der ‚nur ein Mensch‘ war und kein Bürger, daß als ‚Menschen‘ im wesentlichen die Sklaven bezeichnet wurden.“ Wer „nichts war als ein Mensch, war […] rechtlos.“ (Hannah Arendt, a.a.O., S. 55f.)
(3) Hannah Arendt, a.a.O., S. 36
(4) Ebenda, S. 303. Das ist etwas überspitzt: geht in den Besitz der Regierenden über wäre wohl treffender
(5) Ebenda, S. 304
(6) Ebenda, S. 326f.
(7) Jean-Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, 1978, III 15, S. 122, Hervorhebung von HL.
(8) Jean-Jacques Rousseau, a.a.O, III 15, S. 122
(9) Alexis de Toqueville, Über die Demokratie in Amerika, 1976, Erster Teil, I 8, S. 145ff.
(10) Colin Crouch, Postdemokratie, 2008, S. 10
(11) So der Titel von Jürgen Habermas Habilitationsschrift von 1961: Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, 1962.
(12) David Van Reybrouck, Gegen Wahlen, Warum Abstimmen nicht demokratisch ist, 2016.
(13) Roland Rottenfußer, Selbstbestimmung statt Stimmabgabe, im Online Magazin Manova: https://www.manova.news/artikel/selbstbestimmung-statt-stimmabgabe.
(14) Karl Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich (1871), MEW 17, S. 342
(15) Hannah Arendt, a.a.O., S. 327
(16) Ebenda, S. 75
(17) Büchner, Dantons Tod, I 158f., Sämtliche Werke und Schriften, Historisch-kritische Ausgabe, hrsg. v. Burghard Dedner und Thomas Michael Mayer, Bd. 3.2, 2000, S. 22
(18) Hannah Arendt, a.a.O., S. 331. Ähnlich Rosa Luxemburg zum Niedergang der Sowjets im Laufe von 1918: „Mit dem Erdrücken des politischen Lebens im ganzen Lande muß auch das Leben in den Sowjets immer mehr erlahmen. Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird das Scheinleben in der Bürokratie allein das tätige Element. Das öffentliche Leben schläft allmählich ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und regieren, unter ihnen leitet in Wirklichkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe, und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde also Cliquenwirtschaft – nicht Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker.“ (Rosa Luxemburg, Zur Russischen Revolution (1918), zit. nach Hannah Arendt, a.a.O., S. 319)
(19) David Van Reybrouck, a.a.O., S. 156
(20) Ebenda S. 112
(21) Roland Rottenfußer, a.a.O.