Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Die woken Kunstzerstörer

Die woken Kunstzerstörer

Die Wertschätzung für Kunst ist ein Gradmesser dafür, wie frei eine Gesellschaft ist — die jüngsten Angriffe auf Kunstwerke durch Klimaaktivisten geben Anlass zur Sorge, wie der Autor und Kunstmaler Raymond Unger im Interview ausführt.

Raymond Unger schrieb mit „Vom Verlust der Freiheit“ ein viel beachtetes Werk über die Klima-, Migrations- und Coronakrise und ihre Akteure. Außerdem beschäftigte er sich in weiteren seiner Werke wie „Die Heimat der Wölfe“ oder „Die Wiedergutmacher“ mit den Folgen einer kriegstraumatisierten und vaterlosen Generation. Jahrzehntelang gärten psychosoziale Dynamiken, die nun unter anderem mit dem Phänomen der Kunstschändung ihre bizarren Blüten treiben.

Unger ist nicht nur ein ideologiekritischer Autor, sondern selbst ein Kunstmaler und folglich mit dem dazugehörigen Themenkosmos bestens vertraut. Im nachfolgenden Interview schildert er, was die Angriffe auf Kunstwerke mit ihm als Künstler machen. Zudem führt er aus, welche eigentlichen, intrinsischen Motive bei den Tätern — in der Psyche — zugrunde liegen könnten, und erläutert, welche Bedrohung ein derartig zerstörerischer wie abschätziger Umgang mit Kunst für eine freie und offene Gesellschaft darstellt.

Nicolas Riedl: Immer häufiger werden seit einigen Wochen Kunstwerke durch Klimaaktivisten ramponiert. Entweder kleben sie sich an die vergoldeten Rahmen oder schütten Suppe auf die Gemälde, die zum Glück in den meisten Fällen durch eine Glasscheibe geschützt sind. Was macht das mit Ihnen als Kunstmaler, wenn Sie solche Meldungen hören und sehen?

Raymond Unger: Dummheit und Hybris haben mir schon immer Angst gemacht. Wer sich wie ich seit Jahrzehnten mühsamen Kunstprozessen stellt und dann in die selbstgerechten, dummen Gesichter der „Aktivisten“ schaut, kann nur erschaudern. Wie Dietrich Bonhoeffer bin ich der Meinung, dass dumme ideologisch verblendete Menschen weitaus gefährlicher sind als böse.

Gegen die Auswüchse einer immer totalitärer werdenden Bewegung, wozu ich den Klimaschutz inzwischen zähle, sind intellektuelle Aufklärer machtlos. In Wirklichkeit ist der angebliche wissenschaftliche Konsens bezüglich einer einzigen Ursache für den Klimawandel eine Schimäre.

Die Fixierung auf das anthropogene CO2 bietet jedoch die Möglichkeit, menschliche Urängste zu befrieden, die nachfolgenden Ablass- und Verzichtskulte suggerieren Wirkmächtigkeit. Dieselben Ersatzhandlungen hatten wir bei Corona auch. Natürlich sind die neuen Regentänze gegen die Klimaveränderungen ebenso wenig wirksam wie das Maskentragen oder Lockdowns gegen Corona, dennoch bieten die Massenkulte der Neuzeit eine starke Beruhigung für säkulare Seelen.

Während der woken Kunstzerstörung strotzen die Gesichter der jungen Täter nur so vor Stolz und Vorfreude. Zu Recht dürfen die Klebekinder für ihr neues Priesteramt Lob und Zuspruch erwarten. Wirklich schlimm sind daher auch weniger die jungen Kunstschänder, sondern die ideologischen Brandstifter und Relativierer derartiger Aktionen. So findet die Rundfunkrätin des NDR und Grünen-Politikerin Jessica Kordouni die Aktion sehr gelungen, das Ganze sei sogar selbst Kunst. Und Luisa Neubauer von Fridays-for-Future argwöhnt, wer von derartigen Aktionen abgeschreckt sei, könne nicht reinen Herzens für den Klimaschutz sein.

Sich an Bilderrahmen festzukleben oder die Gemälde mit einer Flüssigkeit zu überschütten dauert wenige Sekunden — wie lange sind in etwa die Entstehungszeiten solcher bedeutsamen Werke gewesen? Beispielsweise die Entstehungsdauer von van Goghs jüngst attackiertem Meisterwerk „Sonnenblumen“? Sprechen wir hier von Tagen, Wochen, Monaten oder gar Jahren?

Eine schöne Frage, die mir die Gelegenheit gibt, auf ein häufiges Missverständnis einzugehen. Das materielle Denken in einer leistungsorientierten Gesellschaft misst den Wert von Produkten normalerweise in Produktionskosten und Zeit. Deshalb kommt es nach Durchsicht der Preislisten meiner Werke mitunter vor, dass mich Interessenten nach der Zeitdauer des Malprozesses und den Kosten für Farbe und Leinwand fragen. Der kulturelle Wert eines Kunstwerks liegt jedoch vollkommen jenseits dieser Kategorien.

Natürlich gibt es auch Maler, die sich selbst zum Handwerker degradieren und die den Preis ihrer Werke tatsächlich über den Fleiß- und Zeitfaktor definieren. Ebenso gibt es hochpreisige Kunstdrucke, weil Druckverfahren oder Rahmung kostspielige Produktionsmittel verschlungen haben. Selbstverständlich sind das alles keine Kriterien für gute Kunst. Genau hier setzt eine Debatte an, die den Umfang dieses Interviews sprengen würde: Was ist Kunst und wie lässt sich der Wert von Kunstwerken ermitteln?

Wer Kunst mit Handwerk verwechselt, kann bei einem Gemälde, das Tausende Euro kostet und das in nur drei Stunden gemalt wurde und nach heutigen Maßstäben 20 Euro Material gekostet hat, nur den Kopf schütteln. Wer Werke auf dieser Ebene wahrnimmt, kann sich allerdings auch getrost den Besuch eines Museums sparen. Das Eintrittsgeld wäre sicherlich besser in einem Eyecatcher passend zum Sofa angelegt — in der Dekoabteilung schwedischer Möbelhäuser würde man da sicher fündig.

Doch um auf Ihre konkrete Frage zurückzukommen: Ich gehe davon aus, dass van Gogh seine „Sonnenblumen“ an einem Vormittag innerhalb weniger Stunden gemalt hat. Immerhin schrieb er seinem Mäzen und Bruder, dass er die Bilder in einem Rutsch durchmalen müsse, da die Blumen in den Vasen recht schnell verwelken. Doch um in der Zeit van Goghs auf diese damals provokante und radikale Weise malen zu können, musste der Künstler zuvor viele Konventionen und Prägungen niederringen. Der eigentliche Prozess, innovative Kunstwerke erschaffen zu können, dauert in der Regel viele leidvolle Jahre. In dieser Zeit müssen Selbst-Infragestellungen, Ignoranz und Mangel durchgetragen werden. Eben diese Entwicklung habe ich in meinem ersten Buch „Die Heldenreise des Künstlers“ beschrieben.

Den innerpsychischen Reifeprozess, den ein derartig kompromissloser Lebensentwurf bietet, hatte C. G. Jung „Individuation“ genannt.

In Wirklichkeit handelt es sich dabei um das krasse Gegenteil jener narzisstischen Hybris, mit der sich die jungen Aktivisten erlauben, die Zeugnisse dieses Prozesses zu zerstören. Tiefenpsychologisch betrachtet kämpfen Kunstvandalen immer auch gegen einen Teil in sich selbst, indem sie den mühsamen und schmerzvollen Weg echter Menschwerdung verhöhnen.

Mittlerweile gibt es unzählige Formen der Scham — Flugscham, Kinderscham et cetera. Sie schreiben in Ihren Büchern auch über toxische Scham. Warum empfinden diese Aktivisten Ihrer Ansicht nach keine Scham dabei, so wertvolle Kunststücke zu verunstalten? Wozu fühlen sie sich berufen, dass sie meinen, sie hätten das Recht, teils jahrhundertealte Werke zu beschädigen?

Die Frage nach der Scham, beziehungsweise der Schamlosigkeit derartiger Aktionen, ist eine Schlüsselfrage. Auf der ihnen zugänglichen und bewussten Ebene empfinden die Aktivisten natürlich keinerlei Scham, sondern Stolz. In Wirklichkeit sind derartig konformistische Charaktere, die sich dem jeweiligen Zeitgeist anbiedern und nach Zuspruch gieren, natürlich zutiefst schamgeprägt.

In meinen Büchern unterscheide ich natürliche, gesunde Scham, die jeder empathische Mensch hat, von toxischer, internalisierter Scham, die unbedingt geheilt werden sollte. Sofern Menschen in ihrer Kindheit seitens Eltern und Bezugspersonen beschämt wurden, in der Regel durch chronische Missachtung, wird gesunde Scham zu toxischer Scham. Das Gefühl von „ich habe einen Fehler gemacht“ wird zu „ich bin ein Fehler“. In der Folge tun Menschen dann alles, um ihren tiefen, aber unbewussten Selbstwertmangel auszugleichen.

In der narzisstischen Variante wird dann schnell entdeckt, dass sich die innerpsychische Schieflage erfolgreich lindern lässt, indem man andere Menschen beschämt — am besten, indem man sich zeitgenössische Moralen zu eigen macht. Diese Blockwartmentalität zeichnet sich dadurch aus, dass man die über die Massenmedien vorgegebenen Lösungen, stets ausgegeben als wissenschaftliche Notwendigkeiten, ohne jede Hinterfragung übernimmt. Das „einzig Richtige“ wird dann ohne jede Rücksicht auf Zielkonflikte angewendet. Zugunsten der Klimarettung strebt man eine fatale Deindustrialisierung an, was für viele Menschen Leid und Elend bedeuten wird. Bei Corona werden alle Ungeimpften plötzlich zum „Blinddarm der Gesellschaft“, den es auszusondern gilt. Und den Ukrainekrieg will man durch möglichst viele und schwere Waffen befrieden.

Doch zurück zum zweiten Teil Ihrer Frage: Da im Zuge einer ideologischen Massenbildung der Zweck alle Mittel heiligt, stellt sich auch die Frage nach dem Respekt vor jahrhundertealten Werken nicht mehr — ganz im Gegenteil.

Der Selbsthass dieser entwurzelten Generation verortet jede Tradition als böse und überkommen, in der neuen Cancel Culture gilt: Je älter und männlicher Entdeckungen, Werke oder Ansichten sind, desto toxischer sind sie.

Diese Form des „Aktivismus“ zeugt also von einer enormen Geringschätzung der Entstehungsarbeit und dem kulturellen Wert dieser Kunstobjekte. Könnten Sie sich vorstellen, dass diese Geringschätzung auch von der Digitalisierung herrührt? Mit Instagram, TikTok et cetera können schließlich in wenigen Minuten „Kunstwerke“ erstellt werden — verliert die Generation Z vielleicht durch den digital bedingten Mangel an sinnlicher Erfahrung das Gespür für den Aufwand, der hinter großen Malereien und Skulpturen steckt?

Digitalisierung und Bildungsmisere sind sicherlich wesentliche Gründe für die Dummheit und Hybris großer Teile der „Letzten Generation“. In der heutigen Zeit wird nichts mehr durchgetragen. Das Lesen eines ganzen Buches gilt als zu mühsam, kurze Zusammenfassungen lassen sich im Internet downloaden. Gemälde jeder Stilrichtung lassen sich von einer künstlichen Intelligenz malen, der man zuvor zwei oder drei Stichworte zugerufen hat. Texte oder Hausaufgaben kann man sich zu jedem beliebigen Thema im Internet schreiben lassen. Die Benutzung von Taschenrechnern führte in den 1980er-Jahren dazu, dass Menschen nicht mehr rechnen konnten, dasselbe passiert heute mit dem Denken selbst.

Das Drama der Kriegsenkel und deren Kinder besteht zudem in der fatalen Mischung aus materiellem Wohlstand und emotionaler Verarmung. In dieser Generation hat niemand mehr echte Not gelitten, die Regale waren immer voll und die Heizung immer warm. Gleichzeitig fand aber eine enorme emotionale Erosion statt, familiäre und soziale Bindungen zerfielen.

Tiefe, dem Menschen eingeborene Fragen an den Sinn des Lebens, wurden durch Surrogate in Form mannigfaltiger Süchte ersetzt, allem voran die digitale Ablenkung rund um die Uhr. Das Schlimmste, was Menschen passieren kann, ist jedoch soziale Isolation und Vereinsamung. Menschen können sich auf gesunde Weise nur im Spiegel anderer Menschen entwickeln. Nur wenn man erkennt, dass gewisse Ängste auch von anderen nachvollzogen und geteilt werden, kann eine Beruhigung und Relativierung eintreten.

Eben dies ist ein Kriterium für gute Kunst: Ein Künstler, der seine Selbst-Infragestellung in seinem Werk sichtbar macht, kommt aus der Deckung und macht der Gesellschaft ein Angebot zum Dialog. Dieser Vorgang ist ein Antidot zur toxischen Scham, die stets suggeriert, man sei der Einzige, der nicht richtig ist. Freie Gesellschaften brauchen authentische, selbstkonfrontative Künstler als Regulativ. Deshalb ist Kunstfreiheit explizit im Grundgesetz geschützt. Der Lackmustest freier Gesellschaften ist daher stets, wie ernst man die Kunstfreiheit nimmt.

Je totalitärer und ideologischer eine Gesellschaft wird, desto drastischer und verächtlicher geht sie mit ihren Künstlern und Kunstwerken um.

Totalitäre Systeme hassen Individualismus. Hanna Arendt hat überzeugend ausgeführt, dass totalitäre Systeme immer an der Vereinzelung ihrer Bürger interessiert sind. Nur so lassen sich Angstnarrative effektiv setzen und Bürger an den Staat binden. Die Staatsmeme, also vorgegebene Gedankenformen, werden im Zuge der Massenbildung vom vereinzelten Individuum irgendwann ähnlich kompromisslos verteidigt, wie echte Familienmitglieder.

Diese Form des „Aktivismus“ agiert unter dem Banner „Klimaschutz“. Die Aktivistin, die Tomatensuppe auf die „Sonnenblumen“ van Goghs schüttete, konfrontierte daraufhin die anwesenden Museumsbesucher mit der Frage, was ihnen wichtiger sei: Kunst oder Leben? Geht es diesen Aktivisten wirklich in erster Linie um den Schutz von Leben? Falls nicht, was könnten Ihrer Ansicht nach die eigentlichen, inneren und unbewussten Motive sein? Ist es ein Schrei nach der Aufmerksamkeit, die sie nie bekommen hat? Oder ist es vielleicht ein Ausdruck des Hasses auf den abwesenden Vater? Gerade dann, wenn das Gemälde von „alten, weißen Männern“ stammt?

Tolle Frage, um diese Zuspitzung scheint es den Aktivisten tatsächlich zu gehen: Kunst oder Leben? An dieser Stelle muss ich ausnahmsweise einen Ansatz von Verständnis zugestehen. Trotz aller Borniertheit und des Schreis nach Aufmerksamkeit glaube ich tatsächlich, dass die Letzte Generation der Massenhypnose der vergangenen 30 Jahre komplett erlegen ist. Diese jungen Menschen kennen keine Zeit, in der nicht tagtäglich der Weltuntergang eines nahen Hitzetodes beschworen wurde. Wenn führende Klimaforscher wie Hans Joachim Schellnhuber die Parole ausgeben, wir würden die junge Generation in einen Schulbus setzen, der mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit tödlich verunglückt, muss man sich über die Radikalität der Aktivsten nicht mehr wundern.

In meiner Familienbiografie habe ich beschrieben, was derartige Prognosen in einer jugendlichen Seele anrichten. Meine Kindheit verbrachte ich in einer fundamentalen Glaubensgemeinschaft, die stets den nahen Weltuntergang beschwor. Abgesehen davon waren alle meine Bezugspersonen kriegstraumatisiert — womit ich zum zweiten Teil Ihrer Frage komme: Das Motiv des „abwesenden Vaters“ spielt eine zentrale Rolle für den Pathomechanismus der Letzten Generation.

In „Die Wiedergutmacher“ beschreibe ich die Folgen eines Familiensystems, das sich emotional nur auf die Mutter bezieht. Aufgrund der „mangelnden Triangulierung“ wird es der jungen Generation erschwert bis unmöglich gemacht, das Reich der Erwachsenen zu betreten. Ob und inwieweit dieser Prozess nachgeholt werden kann, ist Gegenstand meines sechsten Buches, das im Frühjahr 2023 im Europa Verlag erscheint. Darin wird es um die Transformation persönlicher wie gesellschaftlicher Krisen gehen, die ich erneut anhand des Monomythos der Heldenreise beschreibe.

Sehen Sie hierbei auch eine Form der Dekonstruktion, wie sie sich auch im Bereich der Wissenschaften vollzieht? Dass beispielsweise bestimmten Naturgesetzen — etwa im Kontext der Genderpolitik — die Gültigkeit abgesprochen wird, weil sie von „alten weißen Männern“ entdeckt wurden? Kann man dieses Muster auf die Kunst übertragen, insoweit als diese „ent-artet“ (1) wird, nur weil sie den Pinselstrichen „alter weißer Männer“ entsprungen ist?

Auf jeden Fall. Die Dekonstruktion bezieht sich ja auf alle Errungenschaften der westlichen Welt, und historisch betrachtet stehen zwangsläufig immer Männernamen unter den Erfindungen. Männliche Künstler, männliche Erfinder, männliche Nobelpreisträger ... Ich will das nicht werten, und es ist sicher gut, wenn es zukünftig zu einem ausgewogeneren Geschlechterverhältnis kommt. Dennoch sind positive Diskriminierung und pauschale Entwertung aller bisherigen Erkenntnisse natürlich vollkommen infantil. Der generelle Männerhass ist sicher ein entscheidender Faktor bei der Entwertung historischer Kunst.

Spätestens seit 2015 findet im Kunstmarkt eine positive Diskriminierung des Eigenen statt. Je weniger Europa und je weniger Mann, desto besser. Exotisch muss es sein, weiblich, bunt und divers. Als alter weißer Mann, der zudem noch klassisch malt, hat man inzwischen schlechte Karten. Es bleibt abzuwarten, wie weit die Kunstentwertung beziehungsweise Kunstzerstörung noch gehen wird.

Sie haben den Begriff „ent-artet“ benutzt, das ist natürlich ein hartes Wort. Doch je totalitärer sich eine Ideologie durchsetzt, desto radikaler werden auch die Maßnahmen gegen unliebsame Künstler. Lovis Corinth, Franz Marc und Otto Mueller gehörten zu den innovativsten Malern ihrer Zeit, das nationalsozialistische Regime definierte ihre Werke als „entartet“. Was uns heute absurd vorkommt, war jedoch innerhalb der Naziideologie wohl begründet und plausibel.

Anfänge ganz ähnlicher Uminterpretationen oder Relativierungen hört man heute wieder, auch wenn es um die Verächtlichmachung der Kulturleistung eines Vincent van Gogh geht (2). Der Künstler hätte die Kunstaktion mit der Tomatensuppe sicher selbst toll gefunden, mutmaßt die Grünen-Politikerin Jessica Kordouni. Und der Tagesspiegel versteht die ganze Aufregung nicht. Schließlich seien derartige Happenings allenfalls ein symbolischer Akt, da die Kunstwerke in der Regel durch eine Scheibe geschützt seien. Das Ganze sei mit einem Familienfoto vergleichbar, auf dem man die Augen eines Angehörigen ausstechen würde — letztendlich würde dabei ja nur ein Stück Pappe beschädigt.

Vielen Dank für das Gespräch!


Quellen und Anmerkungen:

(1) Bereits 1797 gebrauchte der führende Kopf der deutschen Frühromantik Friedrich Schlegel den Begriff „entartete Kunst“ in seinem Aufsatz Über das Studium der griechischen Poesie — in Bezug auf die Dichtung der Spätantike im rein kulturkritischen Sinn. Erst der französische Schriftsteller Arthur de Gorbineau verwendete 1853 in seinem Essai sur l’inégalité des races humaines (deutsch: Essay über die Ungleichheit der Menschenrassen) den Begriff „entartet“ rassisch abwertend. Und die sozialdarwinistischen (Rassen-)Theorien Ende des 19. Jahrhunderts legten mit ihrer antisemitischen, deutschnationalen Konnotation die Grundlage für die spätere nationalsozialistische Ideologie, die im Begriff „Entartung“ die kulturkritische und die rassistische Konzeption zu einem Kampfbegriff vereinigte.
Um sich von Letzterem bewusst abzugrenzen, wird im Artikel die Schreibweise mit dem Kopplungsstrich verwendet, um die Semantik des Wortes zu verdeutlichen: ent-artet — „art“ ist dem Lateinischen entlehnt und heißt im Englischen wie auch im Französischen „Kunst“. Das Präfix „ent-“ bedeutet, dass etwas entfernt wird – Kunst wird entfernt (zerstört).
(2) In dieser Übersicht sind einige — nicht alle — Kunstwerke aufgeführt, die bereits Opfer von Angriffen der Klimaaktivisten wurden: https://www.artnews.com/list/art-news/news/climate-activists-artworks-gluing-protests-1234637104/july-1st-2022/


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

VG-Wort Zählpixel

Weiterlesen

Die Welt verändern
Thematisch verwandter Artikel

Die Welt verändern

Mit den Jahren durchlaufen viele Menschen einen Prozess politischer Desillusionierung. Man kann diese Dynamik aber abmildern, wenn man sich selbst treu bleibt.

Verbrannte Erde
Aktueller Artikel

Verbrannte Erde

Die aktuelle Regierung richtet bewusst Zerstörung an und verhindert jede Möglichkeit, diese rückgängig zu machen.