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„Nichts ist gut in Deutschland!“

„Nichts ist gut in Deutschland!“

Aufgrund des Totalversagens der Mainstream-Medien zum Thema widmet Rubikon den rassistischen Morden von Hanau ein Themen-Special, das am 23. und 24. Februar 2020 erscheint.

Erinnern Sie sich an das Jahr 1991 als der Karneval ausfiel? Am 16. Januar 1991 hatte eine US-geführte Koalition der Willigen die irakischen Truppen in Kuwait angegriffen, die sich bereits auf dem Rückzug befanden.

Mehr als 20.000 Menschen waren damals in Köln der Initiative gegen den Golfkrieg gefolgt und hatten unter dem Motto „Kein Blut für Öl“ gegen den Krieg demonstriert. In Köln und allen anderen Städten wurden die Karnevalsumzüge für Rosenmontag abgesagt.

Nicht so in diesem Jahr. Am Vorabend von „Weiberfastnacht“ waren in Hanau elf Menschen gewaltsam ums Leben gekommen. Neun Menschen wurden von einem Mann erschossen, der — so die Medien — anschließend seine Mutter und sich selbst tötete.

Noch in der Nacht wurden von den Medien Liveschaltungen organisiert. Talkshows, Passantenbefragungen, Sonderberichte folgten rund um die Uhr.

„People of Colour“ seien besorgt um ihre Sicherheit, hieß es in einer Sendung, denn die Toten in Hanau waren – bis auf den vermutlichen Täter und seine Mutter — Deutsche mit Migrationshintergrund. Der Moderator fragt die Gesprächspartnerin: Was haben wir falsch gemacht?

Regierende hielten Kerzen bei Kundgebungen, beschworen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und boten die AFD als geistigen Brandstifter an. Ihre eigene Rolle bei der Spaltung der Gesellschaft hatten sie schon hinter sich gelassen.

Die Stadt Hanau mobilisiert die Bevölkerung, um sie zusammenzuhalten. Am nächsten Tag demonstrieren kurdische, tags darauf türkische Vereine, um ihre jeweiligen Communities zusammenzuhalten.

Karneval fiel nicht aus. In Düsseldorf fuhr ein „Toleranzwagen“ von Muslimen, Juden und Christen im Rosenmontagszug, mit Trauerflor versehen.

Der Kölner Rosenmontagszug wurde angeführt vom Kölner Dom, der Tränen vergießt und ein rotes Herz in den Händen hält. Darauf die Inschrift: „Uns Hätz schleiht för Hanau“ — „Unser Herz schlägt für Hanau“. Man wolle ein Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit setzen, so die Veranstalter: „Karneval ist bunt, nicht braun“.

Es ist nicht nur die geheuchelte Distanz der Regierenden, die uns zornig machen muss. Es ist nicht nur das autoritär-rassistische und menschenverachtende Denken in weiten Teilen Deutschlands, dem wir uns stellen müssen. Wir müssen uns fürchten vor unserer eigenen Kälte und Gleichgültigkeit, mit der wir so weitermachen, als sei alles gut.

„Nichts ist gut in Deutschland!“ könnte man heute in Abwandlung einer Aussage der früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, sagen. Deutschland ist aus den Fugen geraten, weil alle so tun, als sei alles gut und nur die anderen für Probleme sorgen.

Jeder versucht, aus dem Geschehen in Hanau Profit zu ziehen. The show must go on, es ist schließlich Rosenmontag! Wahlen in Hamburg, Sonderparteitag der CDU, der deutsche Außenminister ruft in Genf vor dem UN-Menschrechtsrat zum „Kampf gegen Rassismus“ auf.

Polizei und Verfassungsschutz fordern mehr Stellen und Geld. Und die Politiker, die sich im permanenten Wahlkampfmodus befinden, zeigen mit dem Finger auf die AFD und erklärten: das sind die Täter. Die Demokratie, unsere Leitkultur, unsere Werte sind in Gefahr. Das wird verteidigt.

Überall und mit allen Waffen. Das zeigt die Aufrüstung, die Entsendung deutscher Soldaten in alle Welt. Das zeigt das US-Manöver Defender, das derzeit vor der Haustür Russlands abgehalten wird. Mit deutscher Unterstützung.

Deutschland ist aus den Fugen geraten, weil die Lehren aus zwei Weltkriegen im letzten Jahrhundert vergessen worden sind. Millionen von Menschen wurden getötet, ganze Länder verwüstet — nie wieder Krieg war die Lehre für all jene, die Angehörige, Haus und Hof, Arbeit und Gesundheit verloren hatten. So wie die Familien, deren Angehörige in Hanau ermordet wurden.

Kein Herz aus Kölle kann fühlen, was diejenigen fühlen, die Ehefrau, Mutter, Tochter verloren haben, als sie in Hanau nur eben um die Ecke gehen und zwei Pizzen für die Kinder kaufen wollten.

Nichts ist gut in Deutschland, solange wir denken, nur „die anderen“ seien das Problem — oder, wie Heiner Müller sagt:

„Du bist der eine und Du bist der andere.“


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