Von Willy Gräfe
Der Messias ist zunächst eine religiöse Figur, welche eine fest definierte Gruppe ins Paradies führen und ein goldenes Zeitalter für diese einläuten wird. Der Messias vertreibt das Böse und Schlechte, sodass nun diese Gruppe Erlösung erfährt. Die tiefere psychologische Betrachtung des Messias-Glaubens zeigt, dass Menschen durch diesen Glauben in die Passivität und Ohnmacht versetzt werden. Der Mensch scheint, nach diesem Glauben, nicht in der Lage zu sein, selbst ein Paradies zu erschaffen und das Böse und Schlechte selbst zu überwinden. Erst eine Erlöserfigur von außen ist notwendig, damit der ersehnte Zustand des Paradieses erreicht wird. Dieser grundlegende Mechanismus des Messias-Glaubens geht über die religiöse Auffassung jedoch hinaus und ist in einer auf Herrschaft basierenden Gesellschaft in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen etabliert.
Das Phänomen der VIPs (Very Important Persons) lässt sich als eine solche Konditionierung zum Messias-Glauben deuten. Dieses Phänomen konditioniert die Massen darauf, dass es Menschen gibt, die als wertvoller erachtet werden als andere. So verwundert es nicht, dass Anhänger von Donald Trump ihn nach dem überlebten Attentat zum Messias stilisieren. Dass Fußballfans Lionel Messi(as) als Fußballgott verehren oder dass Swifties ein Taylor-Swift-Konzert als paradiesisch wahrnehmen. Ebenso ist in der fiktiven Welt das messianische Narrativ allgegenwärtig.
Figuren wie Harry Potter, Luke Skywalker, Neo, Naruto oder Monkey D. Luffy teilen sich alle das Auserwählten-Dasein und bezwingen das Böse, um eine bestimmte Gruppe in den paradiesischen Frieden zu führen. Darüber hinaus werden ganze gesellschaftliche Bereiche in den messianischen Status erhoben. Je nach Glaubensrichtung wird der Wissenschaft, der Politik oder dem Markt die Rolle des Erlösers aller Probleme zugeschrieben.
Diese immer wiederkehrenden messianischen Narrative konditionieren die Massen auf die Notwendigkeit eines von außen erscheinenden Messias, der die Führung der Gruppe übernimmt. Schließlich bewirkt die Wiederholung einer Botschaft, dass diese zunehmend als wahr erachtet wird.
Je öfter das Messias-Narrativ wiederholt wird, desto stärker wird an dessen Naturgegebenheit geglaubt. Doch wozu dient diese Konditionierung?
Die Angst der herrschenden Klasse ist stets, dass die Masse sich gegen sie erhebt. Dies ist in einem solchen Gesellschaftssystem immanent, da Herrschaft die individuelle Freiheit einschränkt, aber auch eine starke soziale Ungleichheit hervorbringt. Ist die soziale Ungleichheit für die Masse nicht mehr tragbar, entstehen revolutionäre Bewegungen. Diese Bewegungen müssen aus Sicht der herrschenden Klasse so gestaltet sein, dass sie nicht das Fundament des Gesellschaftssystems, nämlich Herrschaft, überwinden, sondern nur reformieren. Revolutionäre Tendenzen müssen entweder im Keim erstickt oder zumindest kontrolliert und gesteuert werden. Dies ist auch bekannt als kontrollierte Opposition. An die Spitze der Opposition wird eine Figur oder Gruppe eingesetzt, die den Anschein erweckt, das bestehende System überwinden zu wollen, jedoch in ihren Handlungen und Zielen nur die Masse in gewünschte Richtungen lenkt.
Wie bei einem Rattenfänger fängt diese Art der Opposition alle Unzufriedenen ab und verkauft ihnen Hoffnung. Die Sehnsucht nach besseren Zeiten ist in der Masse so groß, dass schon das bloße Versprechen auf Veränderung ausreicht, der kontrollierten Opposition blind zu folgen. Das revolutionäre Potenzial wird entweder klein gehalten oder, wenn es nicht mehr zu unterdrücken ist, so gelenkt, dass das Ergebnis keine Revolution, sondern nur eine Reformation ist. Die Reformation ist so gestaltet, dass zwar Teile der herrschenden Klasse verdrängt werden, aber an der frei gewordenen Spitze ein neuer Herrscher, der Messias, steht. Diese neue Spitze ist und war stets Teil der herrschenden Elite und wurde von dieser installiert. Die zuvor beschriebene Konditionierung auf den Messias-Glauben ermöglicht die Akzeptanz in revolutionären Zeiten für diesen Prozess. Am Ende der Revolution (Reformation) bleibt eine auf Herrschaft basierende Gesellschaft. Der Zyklus beginnt von neuem.
So lässt sich die Geschichte der Menschheit auch als kontinuierlicher Anpassungsprozess verstehen.
Revolutionen waren nach dieser Deutung nichts weiter als eine Optimierung des bestehenden Gesellschaftssystems. Die Optimierung bestand darin, dass Herrschaft entweder akzeptabler wurde, weil nun die „Richtigen“ an der Macht waren, oder mittels Scheindemokratien verschleiert wurde.
Bei BlackRock-Merz lässt sich das messianische Narrativ wiederfinden. Die weitverbreitete Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung trug maßgeblich zum Wahlerfolg der CDU bei, da wieder die Hoffnung bestand, dass, wenn die Richtigen an der Macht sind, Deutschland in einen paradiesischen Zustand geführt und von der bösen links-grünen Ideologie erlöst wird. Die Spitze wurde ausgetauscht, aber das System bleibt bestehen. Es lässt sich jetzt schon im Juli 2025 festhalten, dass BlackRock-Merz die Wähler enttäuscht und die Masse zum nächsten Messias, der AfD, abwandern wird. Die AfD wird keinen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel vollziehen. Freilich wird es Veränderungen geben, die die Masse befürworten wird, doch die Organisation der Gesellschaft durch Herrschaft wird bestehen bleiben.
Solange der Mensch glaubt, seine Erlösung durch eine außenstehende messianische Figur oder Gruppe zu erlangen, wird sich der Zyklus aus Erwartung und Ernüchterung stets wiederholen. Herrschaft wird bestehen bleiben. Erst mit der Rückkehr zur Eigenverantwortung ist Veränderung möglich. Die Zukunft wird zeigen, ob der Mensch dazu in der Lage ist.

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