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Der Verzweiflungsschlag

Der Verzweiflungsschlag

Die Süddeutsche Zeitung offenbart ihre Unfähigkeit zum Argument und teilt übel gegen die NachDenkSeiten aus.

Besorgten Dinosauriern gleich blicken spätestens seit 2014 die etablierten Medien auf die „alternativen“ Kollegen wie auf das gleißende Licht niedergehender Meteoriten. Aggressiv knurren sie ihren Unmut heraus, doch wirklich etwas entgegensetzen können sie diesen „anderen“ Medien aufgrund deren ordentlicher, faktenbasierter journalistischer Arbeit nicht. Und je tiefer die Meteoriten fliegen, je mehr Licht sie ins Dunkel bringen, desto größere Schatten werfen die Dinosaurier ehemals großer Medienhäuser.

Das letzte sogenannte Streiflicht der SZ war einer jener Verzweiflungsschläge, die von der eigenen schmelzenden Reputation und dem nahenden Niedergang ablenken sollen.

Getroffene Hunde und aussterbende Saurier

Zugegeben, die klassischen Medienhäuser und damit auch die SZ haben es in den jüngsten Tagen nicht leicht. Am 3. September veröffentlichte die University Alaska Fairbanks (UAF) eine ausführliche, auf langjährigen Untersuchungen basierende Studie, die die offizielle Version von 9/11 endgültig in den Bereich verbannt, wo sie schon immer hingehört — zu den Verschwörungstheorien. In den Facebook-Kommentaren zu ihrem Beitrag „Saudi Arabien: Waffen stammen aus Iran“, der sich wie eine Neuauflage von „Massenvernichtungswaffen im Irak“ liest, erntet das einst fortschrittliche Blatt Hohn und Spott. Ein User schreibt sarkastisch: „Powell hat die Beweise!“

Am 1. Oktober erscheint nun auch noch das neue Buch des NachDenkSeiten-Herausgebers Albrecht Müller mit dem Titel „Glaube wenig, hinterfrage alles, denke selbst“, welches den etablierten Medien auf den Zahn fühlen wird und sich ob der guten Reputation der NachDenkSeiten sowie ihrer treuen Leserschaft hoher Absatzzahlen erfreuen wird. Dies dürfte der Grund sein, weshalb Müller ins Kreuzfeuer der Streiflicht-Glosse geraten ist.

Diese Glosse vereint alles, woran der Mainstream-Journalismus seit langem krankt. Um eine möglichst große Reichweite zu erzielen, wurde der Text prominent platziert — doch dabei stolperte die SZ bereits über ihr selbst gestelltes Bein in Form der Paywall. Diese mediale Kugel ist also von vorneherein beinahe ein Rohrkrepierer, da die Glosse nur für diejenigen einsehbar ist, die entweder für ein solches Abo zu zahlen bereit sind oder sich das Blatt in haptischer Form kaufen. Gerade Letzteres dürfte immer seltener zutreffen, da es in Zeiten von Touch-Pads und Smartphones einfach nicht mehr zeitgemäß ist, in der Bahn die Zeitung auf- und so dem Sitznachbarn ins Gesicht zu schlagen. Aber dies nur am Rande …

Der Verfasser der lauwarmen Suppe hält sich schön bedeckt. Zu Beginn lesen wir lediglich „(SZ)“ statt den Namen einer konkreten Person, die mit offenem Visier ihren Kopf hinhält. Psiram lässt grüßen! Die Glosse beginnt wie folgt:

„So viele Fragen. Könnte es nicht sein, dass am 11. September 2001 alles ganz anders war und die beiden Türme des World Trade Centers kontrolliert gesprengt wurden? Demonstrieren junge Menschen in Hongkong gar nicht für Demokratie, sondern sind Marionetten der USA? (…) Belegen lässt sich das alles leider nicht, was aber nur die Macht der Dunkelmänner, der Mainstreampresse, der geheimen Dienste demonstriert, welche die Wahrheit vor den Augen verschleiern.“

Dass sich all dies nicht belegen lasse, bleibt die Behauptung des unbekannten Verfassers. Begründungen bleibt er dem Leser schuldig und unterschlägt dabei unter anderem die eben erwähnte Studie zu WTC7. Oder ist der Verfasser auch Bauingenieur wie Dr. Leroy Hulsey — der die Studie der UAF erarbeitete — und hat einen anderen Blick auf die Geschehnisse? Wir wissen es nicht.

Auch im weiteren Verlauf des Streiflichts bleiben Argumente ebenso wie geistige Lichtblicke aus. So unterstellt Mister Unbekannt Albrecht Müller, er fühle sich, wie das eben für alte Menschen typisch wäre, von der ignoranten Welt missverstanden und könne einfach nicht verstehen, warum ihn niemand versteht. Das Übliche. Wenn man keine Fakten hat, geht man schnell und ausschließlich auf das Persönliche über, erdichtete Schwächen werden ausgebreitet.

Anschließend folgt noch ein deutlich misslungener Versuch eines humoristischen Re-Framings. Der Vorwurf gegenüber den NachDenkSeiten lautet, sie würden die wildesten Behauptungen aufstellen und dies damit rechtfertigen, dass sie ja nur Fragen stellten. So formuliert der unbekannte Schreibtischtäter seinerseits — natürlich „ironisch“ gemeint — abstruseste (!) Spekulationen. Könnte es sein, dass Albrecht Müller insgeheim für John Bolton arbeite? Oder ob hinter ihm nicht die Macht von Putin, Nordkorea oder irgendwelchen Aliens stünde? Am Ende dieser Kaskade schreibt er: „Wir stellen nur Fragen“, und unterstellt damit, die NachDenkSeiten würden in gleicher Manier agieren.

Dies verleumdet die Tatsache, dass sich die NachDenkSeiten immerzu auf einem dicken Teppich an Quellen bewegen, von denen ein Großteil Primärquellen sind. Die Fragen, die die NDS stellen, stützen sich also auf handfeste Indizien und breit gefächertes Hintergrundwissen; sie entspringen nicht dem luftleeren Raum. Die Süddeutsche hält es dagegen selten für nötig, auch nur irgendeine Quelle als Hyperlink anzugeben.

Machen Sie selbst den Test! Klicken Sie wahllos irgendeinen SZ-Artikel — am besten aus dem Politikressort — an und zählen Sie die Hyperlinks oder Quellen. Wenn Sie überhaupt einen Hyperlink finden, ist dieser mit großer Wahrscheinlichkeit einer der im Artikel beschriebenen Personen zugeordnet und führt zu einer Aufzählung sämtlicher SZ-Artikel über diese Person.

Die SZ liefert ihren Lesern und Leserinnen journalistisches Fast-Food und hält dabei das Rezept mit den Zutaten — die Quellen — unter Verschluss. Die NachDenkSeiten wiederum liefern ihren Lesern aufwendig zubereitete Journalismus-Schmankerl; sie geben das Rezept in Form ausführlicher, verlinkter Quellenangaben dazu. Der Leser kann sich also ein eigenes Bild davon machen, wie dieser Text zubereitet wurde und wie er diesen einordnen kann — eine Übung, die nicht zuletzt sogar Müllers Buch empfiehlt.

NachDenkSeiten und NachPlapperSeiten

Mit dieser Streiflicht-Glosse kristallisiert sich wunderbar heraus, was genau der Unterschied zwischen echtem Journalismus, wie dem der NachDenkSeiten, und plumper PR — seitens Süddeutsche und Konsorten — ist: Erstere fordern ihre Leser dazu auf, selber nachzudenken, die letzteren stellen sie vor scheinbar vollendete Tatsachen.

„Hier ist unser Artikel! Wir haben zwar keine Quellen, aber vertraut uns einfach und übernehmt das! Wir sind nämlich kompetent!“

Unterschiedliche Sichtweisen in einer Zeitung? Etwa bei der SZ? Ja, vielleicht im Kulturbereich, aber im Themenfeld der Politik steht man stramm am Geländer der Atlantik-Brücke. Das war früher anders, aber früher ist bekanntlich früher.

Die SZ ist schon lange keine Nach-Denk-Seite mehr, sondern schon längst zu einer Nach-Plapper-Seite verkommen. Insbesondere im Raum München dient sie als geistig-ideologischer Navigator. Was darf ich auf der Arbeit, in der Mensa der Uni, auf WG-Partys, beim Brunch am Starnberger See oder beim Kaffee-Trinken in Schwabing Upper-East-Side sagen und denken, ohne dass ich dabei komisch rüberkomme? Nachplappern statt Nachdenken ist die Devise. „Das habe ich so in der Zeitung gelesen!“, hört man häufiger — als sei das schon Argumentation genug. Der Satz: „Mir kam letztens der Gedanke, dass ...“ fällt allerdings selten.

SZ und Konsorten sind taumelnde Wärter eines Weltbildes, welches nicht durch die Pinselstriche kritischer Fragen verunstaltet werden darf. Deswegen reagieren sie so allergisch darauf, wenn tatsächlich brisante Fragen gestellt werden. Fragen! Um Gottes Willen! Man will schließlich nur Antworten haben. Offene Fragen implizieren ja die Unvollständigkeit eines Bildes, die Unvollständigkeit einer Brücke, die dann letztlich nur ein Steg ist, von dem aus der Leser selbst in die Tiefen des unendlichen Wissens springen muss, statt auf dem sicheren Wege einer bequemen Brücke an die gewünschte Uferseite zu gelangen.

Fragen stellen ist also ganz schlecht! Und wozu soll man überhaupt noch Fragen stellen, wenn man ohnehin alles von dpa & Co. abtippen kann? Dies bringt auch den Vorteil mit sich, dass man — vergleichbar dem oben gezeigten Beispiel — nicht den eigenen Kopf hinhalten muss, sondern als „Quelle“ schlicht dpa angeben kann. Wird schon stimmen. Ja, die Meteoriten kommen immer tiefer und der Relotius-Saurus-Rex hebt ein letztes Mal sein Haupt für ein markerschütterndes Brüllen.



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